Champagner

[854] Champagner (spr. Schampanjer, Vin de Champagne), Wein in der Champagne, meist auf Kalk- od. Kreideboden, mehr in der. Ebene als auf den Bergen wachsend; der beste wird im französischen Departement der Marne, weniger guter in denen der Obermarne u. Aube, geringer in dem Departement der Aisne u. Ardennen-gewonnen. Man unterscheidet: a) Vin de Champagne non mousseux (nicht moussirenden Ch.), der völlig ausgegohrenem gewöhnlichen Wein gleicht u. nicht moussirt; zu ihm werden die feinsten Weine der Champagne genommen, aber er ist wohlfeiler als der moussirende. viel mehr Mühe verursachende b) halbmoussirende Ch. (Vin de Ch. demimousseux od. cremant), der nur wenig schäumt, mehr Weingeist, aber weniger Kohlensäure hat, als der Folgende; c) Vin de Ch. grand mousseux (moussirender Ch.), dem gewöhnlichen, der sich von anderem Weine dadurch unterscheidet, daß er in einem Zwischenzustand zwischen Wein u. Most, auf gläserne Champagnerflaschen gezogen u. darin mit eingetriebenen langen Korkstöpseln, welche durch Draht noch besonders befestigt werden, vor dem Zutritt der atmosphärischen Luft verwahrt wird. Wird der Kork des auf diese Weise eingeschlossenen Ch-s gelöst, so entladet sich mit Eindringen der Luft das kohlensaure, bisher fest in der Flasche comprimirte Gas u. treibt den Kork vollends mit einem leichten Knall aus, worauf der Ch. in Schaum verwandelt, mit Gewalt aus der Flasche dringt. Das rasche Hervorquellen des Schaumes verhindert man leicht, indem man ein Messer mit der Schneide od. dem Rücken auf die Flaschenöffnung hält. Damit das Schäumen (Moussiren) länger. dauere, trank man den Ch. in Deutschland u. im Norden früher aus hohen spitzigen Gläsern (Champagnergläsern); allenfalls kann man das Moussiren durch Umrühren mittelst Brodrinde od. dadurch, daß man das Glas zwischen den Fingern der einen Hand lose hält u. mit der anderen Hand flach auf das Glas schlägt, so daß die Luft von Neuem comprimirt wird, wieder[854] herstellen. In neuerer Zeit wird der Ch. meist aus kleinen Gläsern ohne Fuß getrunken. Das Wohlgefällige des Geschmackes des moussirenden Ch-s beruht größtentheils auf dem sich entbindenden kohlensauren Gas, so wie auch dasselbe auf die geistige Wirkung dieses Weines beim Genuß eben so viel u. wohl noch mehr Einfluß hat, als der Alkohol des Weines, daher auch ein Champagnerrausch gewöhnlich leicht vorübergehend ist u. dem gleicht, welcher aus dem Trinken mineralischer Wässer entsteht, die reich an kohlensauerm Gas sind Zur Bereitung des Ch-s werden die Beeren sorgfältigst ausgesucht, u. der durch das Auspressen derselben gewonnene Most, ehe er vollständig in Gährung übergegangen ist, auf Flaschen gefüllt. Man pflegt dabei dem Most 1 Procent Cognac zuzusetzen. Damit man ein gleichmäßiges Fabrikat enthalte, werden die verschiedenen Partien, die auf einmal in Arbeit genommen werden, vor der Gährung gehörig gemischt, was man das Verstechen nennt. Alles übrige dreht sich nun um die Nachgährung. Wenn gewöhnlicher Wein unter hinreichendem Drucke mit Kohlensäuregas imprägnirt wird, so entsteht meist eine Trübung u. eine nur sehr schwer zu beseitigende milchige Beschaffenheit des Weines. Diese Beschaffenheit rührt daher, daß ein albuminähnlicher, fast in jedem Weine in kleiner Quantität enthaltener Körper, durch die freie Kohlensäure ausgeschieden wird. Es kommt also bei der Fabrikation von Ch. u. champagnerähnlicher Weine darauf an, diesen ausgeschiedenen Körper hinwegzuschaffen, ohne jedoch zugleich das zur Nachgährung u. unumgänglich nothwendige Ferment hinwegzunehmen, was vermittelst Hausenblase geschieht. Zu diesem Zwecke setzt man im December auf 100 Flaschen Flüssigkeit ungefähr 1/2 Loth Hausenblase in etwas Wasser gelöst, dadurch scheidet sich der albuminähnliche Körper, so wie die in dem Weine enthaltene Gerbsäure ab. Nachdem der Wein durch Absetzenlassen geklärt ist, wird er auf Flaschen gefüllt, die man fest verkorkt, allmählig neigt u. einige Zeit mit dem Halse nach unten gekehrt liegen läßt, damit alle schleimigen Stoffe sich absetzen können, u. öffnet vorsichtig jede Flasche, um die schleimigen Körper zu entfernen. Bei dieser Gelegenheit mischt man den Wein mit 3–5 Procent sogenanntem Liqueur (einer Auflösung von 1 Theil weißem Candiszucker in 1 Theil weißen Wein) u. füllt ihn dann auf die Champagnerflaschen, die wohl verkorkt werden. Obschon. man jetzt dazu Flaschen verwendet, die einen Druck von 15 Atmosphären aushalten können, so findet doch durch Zerspringen der Flaschen ein Verlust von 5–8 Procent statt, der früher sich bis zu 30 Procent steigerte. Unter den Flaschen sind daher Rinnen befestigt, damit der durch das Zerspringen der Flaschen auslaufende Wein nicht verloren gehe u. noch zur Fabrikation von Essig benutzt werden könne. Man bringt nun die Flaschen, wenn sich in dem Bauch derselben Fermentabsatz abgesetzt hat, in den Keller, um, nach einiger Ruhe, zur Entfernung dieses Absatzes schreiten zu können. Vor Allem bringt man die Hefe aus dem Bauche in den Hals, indem man die Flaschen umgekehrt auf Breter steckt u. täglich mit einer zitternden Bewegung sanft schwenkt, bis sich alles rein auf dem Pfropf abgesetzt hat. Um die Hefe zu entfernen, dreht der Arbeiter die Flasche um, öffnet den Kork u. läßt so viel Schaum austreten, bis alle Hefe entfernt ist. Das Entfernen der Hefe aus den Flaschen (Degorgeage) ist eine der schwierigsten Operationen der Champagnerfabrikation. Um die mehrmalige Absonderung des Niederschlags aus den gefüllten Flaschen zu umgehen, hat Rousseau einen Apparat, den Önophor, construirt, welcher erlaubt, eine größere Quantität Wein zugleich von dem Niederschlage zu befreien u. nur wenig Geschicklichkeit von Seiten der Arbeiter erfordert. Dieser Apparat besteht aus einem länglichen, einige Hektoliter haltenden u. luftdicht verschließbaren Gefäße von glasirtem Eisenblech, mit einer Öffnung nach oben u. einer nach unten, beide durch Hähne verschließbar. Man schüttet den Wein in den Önophor u. läßt ihn, nachdem die Hähne abgeschlossen sind, gähren. Durch den Druck der erzeugten Kohlensäure setzt sich das Ferment zu Boden u. kann durch Öffnen des unteren Hahnes entfernt werden; hierauf folgt das Füllen der Flaschen durch den unteren Hahn; damit aber dabei der Druck der im Önophor befindlichen Kohlensäure nicht abnimmt u. in Folge dessen der Wein immer ärmer an Kohlensäure wird, steht der Önophor mit einem anderen Gefäß, dem Gazoslateur, in Verbindung, welcher den zehnfachen Rauminhalt hat u. beständig mit Luft von demselben Druck gefüllt ist, welche die Kohlensäure im Önophor hat. Hierdurch bewirkt man einen immer gleichen Druck auf den Wein, in Folge dessen er die in ihm enthaltene Kohlensäure nicht verliert. Nach dem Enthesen wird die Flasche mit Wein, Liqueur u. etwas Cognac nachgefüllt, zugestöpselt u. der Stöpsel mit Draht überbunden; des besseren Aussehens wegen umwickelt man häufig die Korke u. einen kleinen Theil des Halses der Flasche mit Stanniol. Die Korke müssen von der besten Sorte u. mit einer Maschine zusammengepreßt sein, damit sie im Halse der Flasche quellen u. luftdicht schließen. Die ganze Behandlung erfordert 11/2 bis 2 Jahre, ehe der Ch. verkäuflich ist; er enthält 6 bis 7 Volumen Kohlensäuregas. Epernay, Ay u. Rheims verfertigen den meisten Ch. Er wird in viereckigen, weiß u. braun geflochtenen Champagnerkörben, in der Regel zu 50 Flaschen, versendet. Sorten des Ch. sind: A) Weiße Sorten; a) 1. Klasse: Sillery, von trockenem Geschmack, ambraähnlicher Farbe, vortrefflicher Blume, viel Geist u. tonischen Kräften; Ay, geistig, sprudelnd, gute Blume, weniger magenstärkend u. geistig, doch markiger u. leichter als der vorige; Mareuil-sous-Ay, ebenso; Hautvilliers, früher desgleichen, doch jetzt geringer; Pierry, geringer, haltbarer u. trockener, Geschmack dem der Feuersteine ähnlich; auch die Weinberge von Bouzy, Dizy u. Epernay liefern solche Weine, erstere sind denen von Ay gleich, letztere geringer; b) 2. Klasse: die Weine von Avise, le Menil, Cramant, Oyer, Epernay etc., sein, leicht, süß u. angenehm; c) 3. Klasse: die von Monthelon, Maugrimaud, Chouilly, Grauves, Molins, Mancy, Tonnère, Beaumont, Villars, Chablis, Troispuits, Tisane de Champagne (ganz gering) etc., sämmtlich angenehm, aber schwach u. werden meist im Lande selbst verbraucht. B) Rothe Sorten (Vinsrosées); a) 1. Klasse: Verzy, Mailly, Verzenay, St. Basle, sämmtlich von schöner Farbe, Göhr, Blume, Körper u. viel Geist; Bouzy, sehr gut; St. Thierry, vereinigen die Leichtigkeit des Ch-s mit der Blume u. Farbe des Oberburgunders; b) 2. Klasse: Cumières, sehr gut[855] doch weniger Körper u. Geist, werden schnell reif u. halten sich nur 3–4 Jahre; Mareuil, Taizy, Rilly, Pierry, Marne, Hautvillers, Dizy, Epernay, Ludes, Villes-Allerand (Oeil de perdrix, wegen der röthlichen, den Schein des Rebhühneranges ähnelnden Farbe), Chigny; c) 3. Klasse: Ecueil, Villedémange, Chamery, alle dauerhaft, halten sich 10 bis 12 Jahre; ferner von mehreren Bergen um St. Thierry, sehr angenehm im Geschmack, nicht tief gefärbt; u. die, welche auf den Coleaux de la Marne wachsen, wie die von Champillon, Avenay u. Damery; d) 4. Klasse: mehrere um Rheims u. Epernay wachsende Weine. Im Handel, der bes. nach England, Holland u. dem Norden bedeutend ist, unterscheidet man auch Vins de rivière u. Vins de la montagne; erstere sind lieblicher u. eher trinkbar. In Deutschland u. dem Norden werden die Sorten mehr nach dem Weinhändler, der denselben durch Etiketten auf der Flasche bezeichnet, benannt. Die bekanntesten Häuser sind: Jaqueson et fils, Perrier et fils, Chanoine et Comp., J. Goerg et Comp. in Chalons, Chanoine frères, Möet et Chandon in Epernay, Dutemple in Pierry bei Epernay, Renardin, Bollinger et Co. in Ay, Alfred Duc de Montebello u. Irroy in Mareuil (bei Ay), dem die einst königlichen Weinberge, aus welchen diese Sorte gewonnen wird, gehören; Van der Veken (jetzt Müller), Ruinart pére et fils, P. A. Mumm, Giesler, Wittwe Clicqot u. Eugene Cliquot, Röderer, Geldermann-Deutz, Heidsiek in Rheims etc. – Der große Bedarf von Ch. in fast ganz Europa, von dem die Champagne kaum 1/4 befriedigen kann, hat zahlreiche Nachahmungen desselben hervorgebracht. Lange schon war der künstliche Ch. aus Birkensaft (s. Birke) od. von Birkensaft mit Zusatz von leichtem Wein u. Zucker, od. von Johannisbeersaft, Äpfel- od. Birnmost, Stachelbeerfast mit Zusatz von leichtem Wein, Birkensaft u. Zucker bekannt, sie geben aber sämmtlich ein leicht zu erkennendes, im Ganzen sehr geringes Product. Auch gefrorener Most mit 3 Theilen, durch Frost verstärkten Weines vermischt u. wenn er im Fasse abgehellt hat, auf starke Flaschen gezogen, in denen wohlverwahrt er nach 4. Monaten. trinkbar wird, gibt ein ähnliches Surrogat. Jetzt hat man aber mit mehr Glück versucht, den Ch. durch leichte Weine anderer Gegenden nachzuahmen, die man denselben Manipulationen, wie den echten Ch., unterwirft. So gab es zuerst Ch. von Arboiswein, ferner Burgunder-Ch. (Vins de Bourgogne mousseux), von welchen allen aber die Weine zu viel Körper u. Schwere haben, um den wahren Charakter des Ch-s, Leichtigkeit u. Lieblichkeit, behaupten zu können, vielmehr machen sie leicht Kopfschmerzen. Besser gelang die Fabrikation moussirender od. Schaumweine in Deutschland; dieser Art sind der Grünberger Wem (Häußler, Förster u. Grampler in Grünberg), Mainwein (Fabrik von Silligmüller in Würzburg), Neckarwein (Fabrik von Keßler u. Georgi in Eßlingen seit 1826, u. Zeller u. Stauch in Heilbronn), Elbwein (Niederlößnitz bei Dresden seit 1836), Österreicherwein (Fabrik von Schlumberger in Vöslau), Naumburger Wein (Fabrik von Schönermark in Naumburg), Rheinwein (Fabrik von Mappes in Mainz u. Künzer in Freiburg im Breisgau) etc. Der von einigen dieser. Fabriken bereitete moussirende Wein ist dem Ch. so ähnlich, daß er selbst die Kenner zu täuschen im Stande ist. Bei der Fabrikation des moussirenden Weines ist ein leichter, aber dabei reiner Wein von lieblichem Geschmacke verläßlich. In Paris z.B. stellt man Ch., der für echten verkauft wird, in großer Menge dar, indem man in mit Zucker u. Cognac versetzten leichten Wein 4–5 Volumen Kohlensäure, nach Art der künstlichen Mineralwässer, der Gaslimonade etc. comprimirt, od. auch gewisse Salze ein doppelt kohlensaures Kali u. Wein- od. Citronensäure dem Weine zusetzt, welche auf einander einwirkend, Kohlensäure in großer Menge entwickeln Die Chemie ist nicht im Stande, einen solchen Wein von echtem Ch. zu unterscheiden, desto leichter vermag dies aber die Zunge eines Kenners. In neuester Zeit bereitet man in England Ch. aus der Rhabarbara. Am geeignetsten dazu ist Mitchell's Royal Albert rhabarber, eine Varietät, die am weinhaltigsten ist. Man zerschneidet im Mai od. Juni die Blattstängel der Rhabarber, drückt den Saft aus, versüßt ihn u. läßt ihn gähren. Dieser Ch. ist sehr angenehm u. gesund.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 854-856.
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854 | 855 | 856
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