[731] Grundrecht, 1) in staatsrechtlicher Beziehung heißen G-e diejenigen Volksrechte, welche verfassungsmäßig den einzelnen Unterthanen gegenüber dem Staatsoberhaupt zugesichert sind. Die Aufstellung solcher G. als einer besondern Art von Rechten hängt mit der Ausbildung der constitutionellen Regierungsform zusammen. Ihre wesentliche Grundlage beruht darin, daß in ihnen Bestimmungen aufgestellt werden, welche auf Wahrung der persönlichen Freiheit u. Schutz des Privateigenthums gegen willkürliche Eingriffe des Staatsoberhauptes u. der Behörden berechnet sind; in weiterer Entwickelung dieser beiden Grundpfeiler staatlicher Ordnung sind aber in bald größerer, bald geringerer Ausführlichkeit auch noch andere damit zusammenhängende positive Sätze, selbst bloße Regierungsmaximen unter die Zahl der G. gestellt[731] worden. Der erste Versuch, solche G. als Theil der positiven Verfassung aufzustellen, war die Erklärung der Menschenrechte, wie sie im J. 1776 von dem Congreß der Vereinigten Staaten Nordamerikas als leitende Grundsätze des nordamerikanischen Staatsrechtes anerkannt wurden. Ihr folgte die Erklärung der Rechte des Menschen u. des Bürgers (Déclaration des droits de l'homme et du citoyen), welche im Aug. 1789 von der Französischen Nationalversammlung ausging u. hierauf auch der Constitution von 1791 einverleibt, durch Robespierre 1793 in noch revolutionärerer Weise umgebildet, hierauf aber schon in der Verfassung von 1795 wesentlich gemildert wurde u. in einer noch gereinigteren Fassung dann auch in die Charte Ludwigs XVIII. vom J. 1814 u. in die constitutionelle von 1830 überging. Für Deutschland enthielten zwar schon die vor dem J. 1848 erlassenen Constitutionen der Einzelstaaten manche Bestimmungen, welche als G. bezeichnet werden konnten, wie z.B. die ausdrückliche Anerkennung der Heiligkeit des Eigenthums, der Denk- u. Gewissensfreiheit, der Aufhebung aller Leibeigenschaft, der Unabhängigkeit der Rechtspflege, der Gleichheit vor dem Gesetze, gleichen Berechtigung Aller zu öffentlichen Ämtern etc., meist aber, ohne daß dieselben den besondern Namen von G-n führten. Bei der politischen Bewegung, welche mit dem J. 1848 einbrach, richteten sich die Bestrebungen aber sehr bald auf eine Erweiterung dieser Bestimmungen u. eine gemeinsame gleiche Festsetzung derselben für ganz Deutschland. Diesen Bestrebungen folgend stellte die constituirende Nationalversammlung in Frankfurt die G. des deutschen Volkes auf, welche sodann auch durch den Reichsverweser mit einem Einführungsgesetz am 27. Dec. 1848 als Reichsgesetz verkündigt wurden u. später in der Verfassung des Deutschen Reichs als 6. Abschnitt Aufnahme fanden. Die G. zerfielen in 50 Paragraphen, welche in der Reichsverfassung unter 14 Artikel vertheilt sind. Sie sollten den Verfassungen der Einzelstaaten zur Norm dienen u. keine Verfassung u. Gesetzgebung eines deutschen Einzelstaates sollte dieselben je aufheben od. beschränken können. Allein bald ergab sich, daß die G. eine Anzahl von Grundsätzen proclamirten, welche weder mit Handhabung einer kräftigen Regierungsgewalt, noch selbst mit dem unmittelbar materiellen Wohle der Nation verträglich waren. Die Nationalversammlung hatte in den G-n nicht blos wirklich politische Rechte, sondern auch Grundsätze socialer Natur aufgenommen, welche sich zum Theil gar nicht, zum Theil nicht ohne Verletzung der begründetsten Privatinteressen ausführen ließen. Schon der nach Auflösung der Nationalversammlung in Folge des sogenannten Dreikönigsbündnisses bearbeitete Berliner Entwurf einer Reichsverfassung vom 26. Mai 1849 nahm daher an den G-en mehrfache Modificationen vor, welchen auch das Erfurter Unionsparlament zustimmte. Nach völliger Reactivirung des Bundestages wurde aber von der Bundesversammlung unter dem 23. August 1851 der Beschluß gefaßt, daß die sogenannten G-e des Deutschen Volkes weder als Reichsgesetz, noch soweit sie nur auf Grund des Einführungsgesetzes vom 27. December 1848, od. als Theil der Reichsverfassung in den einzelnen Staaten für verbindlich erklärt seien, für rechtsgültig gehalten werden könnten, u. es wurden deshalb die Regierungen derjenigen Staaten, in denen Bestimmungen der G. durch besondere Gesetze in das Leben gerufen waren, für verpflichtet erklärt, sofort die erforderlichen Einleitungen zu treffen, um diese Bestimmungen, insofern sie mit den Bundesgesetzen in Widerspruch ständen, außer Wirksamkeit zu setzen. Doch ist dieser Beschluß in den einzelnen Staaten bisher nur in sehr ungleicher Weise zur Ausführung gelangt, da die Auffassungen darüber, was u. wie viel von den Bestimmungen der G. als bundeswidrig zu betrachten sei, eine sehr verschiedene gewesen ist u. viele Sätze derselben sich auch als völlig unbedenklich, ja selbst zweckmäßig darstellen. Manche Bestimmungen, die in ihrer Quelle auf die G. des deutschen Volkes zurückzuführen sind, leben daher auch jetzt noch in den Verfassungsurkunden der Einzelstaaten fort. Für die deutschen Länder Österreichs wurden durch ein Patent vom 4. März 1849 sehr weit gehende G. verkündet; auch diese G. sind durch Patent vom 31. December 1851 aufgehoben. 2) (Grundzinsrecht), in privatrechtlicher Beziehung das Recht des Eigenthümers, für die einem Andern eingeräumte erbliche Benutzung des Grund u. Bodens, namentlich um auf der Oberfläche ein Gebäude zu errichten (Superficies), als Anerkennung des fortdauernden Eigenthums einen Grundzins od. Bodenzins zu beziehen.