Poniatowski

[347] Poniatowski, eine polnische seit dem 18. Jahrhundert in den Fürstenstand erhobene Familie, deren Güter in der Wojwodschaft Sieradz lagen. Die Erbin derselben Anfangs des 17. Jahrh. Sophie, Tochter Albert P-s u. der Anna Leßczynska, heirathete 1) Joseph Saliguerra, aus dem italienischen Geschlecht Torelli, Abkömmling der Grafen von Guastalla u. Montechiarugolo, geb. 1612; dieser war von Ranucio I., Herzog von Parma, seiner Güter beraubt u. nach Polen entkommen, wo seine Familie schon früher das Indigenat erlangt hatte, nahm dort erst den Namen Ezioleck u. später von seiner Gemahlin den Namen P. an u. st. um 1650. 2) Graf Stanislaw P., Enkel des Vor., geb. 1678; schloß sich schon als Jüngling der schwedischen Partei an, begleitete Karl XII. als Generalmajor nach Rußland u. auf seiner Flucht von Pultawa nach Oczakow, reizte als Gesandter Karls in Constantinopel den Diwan zum Kriege gegen Peter den Großen, welche Mühe jedoch 1711 der Vertrag am Pruth wieder vereitelte; er ging hierauf mit Karl XII. nach Deutschland, wurde Statthalter von Zweibrücken u. lebte hier mit Stanislaw Leszczynski in vertrauter Freundschaft. Nach Karls XII. Tode unterwarf er sich August II., welcher ihm seine Güter zurückgab u. ihn zum Großschatzmeister von Lithauen, zum Feldmarschall, Befehlshaber der Leibgarde u. Palatin von Masovien ernannte. Nach Augusts II. Tode trat er zur Partei Stanislaw Leszczynski's u. begleitete diesen selbst, als die russisch-sächsische Partei seine Wahl zum König nicht zugab, nach Danzig, wo er von den Russen gefangen wurde; nach seiner Freilassung söhnte er sich mit August III. aus, dem er nun[347] treu diente u. in dessen Auftrag er 1740 u. 1741 als Gesandter nach Paris ging; er wurde 1752 Castellan von Krakau, lebte später in Lemberg u. auf seinen Gütern u. st. 1762. Er schr.: Remargues d'un Seigneur polonais sur l'hist. de Charles XII., Haag 1742. In zweiter Ehe war er mit der Tochter des Prinzen Kasimir Czartoryiski vermählt. 3) Fürst Kasimir P., Sohn des Vor., geb. 1721, wurde in den Fürstenstand erhoben u. st. 1800. 4) Stanislaw August, Bruder des Vor., geb. 1732, wurde König von Polen, s. Stanislaw II. August. 5) Fürst Andreas, Bruder des Vor., war österreichischer Generalfeldzeugmeister, wurde 1756 deutscher Reichsfürst u. st. 3. März 1773 in Wien. 6) Michael, Bruder des Vor., wurde Erzbischof von Gnesen u. Primas des Reichs u. st. 1794 während des Aufstandes in Warschau. 7) Joseph Anton, Neffe des Vor. u. Sohn von P. 5), geb. 7. Mai 1762 in Warschau, wurde unter den Augen seines königlichen Oheims erzogen, trat 1779 als Lieutenant in österreichische Dienste, war im Türkenkriege bereits bis zum Oberst u. Adjutant des Kaisers Joseph II. gestiegen u. wurde bei der Einnahme von Schabacz verwundet. Im J. 1789 verließ er den österreichischen Dienst u. trat als Generalmajor in polnischen, erhielt 1792 den Oberbefehl des Heeres in Volhynien gegen die Russen, wurde aber, da ihn der unentschlossene König ohne Hülfe ließ, langsam nach der Weichsel gedrängt u. legte, als er hier die Nachricht von des Königs Beitritt zu der Conföderation von Targowice erhielt, sein Commando nieder u. reiste nach Italien, kehrte aber bei der Erhebung Polens im Sommer 1794 zurück, als eben der König von Preußen sich anschickte Warschau zu belagern, u. übernahm den Befehl über ein Corps in Kosciuszkos Armee, welches die Schanzen links von Marymont besetzt hielt; er befehligte dann in Südpreußen u. nach Pragas Erstürmung durch Suwarow an der Pfura u. Weichsel, wo sein Corps theils sich ergab, theils auseinander ging, s. u. Polen (Gesch.). P. ging nun nach Wien, seine Güter wurden aber confiscirt. 1798 kehrte er nach Warschau zurück, erhielt einen Theil seiner Güter von der preußischen Regierung wieder u. lebte nun hier bis 1806 nach der Schlacht von Jena. Der König von Preußen forderte ihn auf, das Militärgouvernement von Warschau zu übernehmen, eine Nationalgarde zu organisiren u. für die Sicherheit der verlassenen Bewohner Polens zu sorgen. In dieser Eigenschaft empfing er am 28. Nov. Murat in Warschau, er benahm sich Anfangs vorsichtig u. folgte dem Aufruf der Franzosen an die Polen nicht, rieth auch seinen ehemaligen Waffengefährten ab es zu thun; erst in Folge der mündlichen Versprechungen Napoleons wegen Wiederherstellung Polens gab er seine Entlassung aus preußischen Diensten ein, übernahm das polnische Kriegsministerium u. organisirte die neue Armee. Nach dem Frieden von Tilsit schwankte er in seinen Gesinnungen u. neigte sich zur russischen Partei hin, bis ihn Davoust wieder für die französische gewann. Er organisirte nun die Armee des neuen Herzogthums Warschau u. ließ Praga u. Modlin befestigen. 1809 befehligte er 12,000 Polen u. Sachsen gegen das 36,000 M. starke Corps Österreicher unter Erzherzog Ferdinand, welches das Herzogthum Warschau besetzen sollte, verlor zwar die Schlacht bei Razyn u. Warschau, rückte aber, während die Österreicher am linken Ufer sich ausbreiteten, gerade auf Galizien los u. kam bis Krakau, s. u. Österreichischer Krieg von 1809. Mit dem Frieden von Schönbrunn unzufrieden, indem darin Napoleon Polens Nationalität anderen Rücksichten opferte, behielt er doch seinen Ministerposten, verstärkte die polnischen Festungen u. errichtete Militärschulen, Artillerie- u. Ingenieurakademien. 1811 wurde er als außerordentlicher Gesandter nach Paris geschickt u. traf dort alle Vorbereitungen zu dem künftigen Kampfe gegen Rußland, worauf er nach Warschau zurückeilte, um Polens Streitkräfte zu organisiren. Im Krieg gegen Rußland 1812 war er Commandant des fünften Corps, welches zum rechten Flügel der französischen Armee gehörte; er wirkte wesentlich zu den Erfolgen bei Mosaisk u. Moskau (s. u. Russisch-Deutschen Krieg gegen Frankreich 1812– 1815), hielt sein Corps auf dem Rückzuge in der besten Ordnung u. kehrte mit 6000 Mann u. der ganzen Artillerie zurück. In Polen übernahm er das Commando über die zurückbleibende Armee, wurde aber an die österreichische Grenze gedrängt u. schloß hier die Capitulation, vermöge welcher sein Corps über Krakau durch Böhmen nach Sachsen ging. Er erhielt nun den Oberbefehl über ein Corps Polen u. Franzosen, hatte wesentlichen Antheil an dem Einfall der Franzosen in Böhmen u. an den Schlachten von Dresden u. Leipzig, wo er den 18. Octbr. von Napoleon zum französischen Marschall ernannt wurde. Bei dem Rückzug durch Leipzig am 19. Octbr. wurde er durch einen Schuß in die Schulter verwundet u. wollte eben, nur noch wenige Schritte von den Franzosen getrennt, durch die Elster schwimmen, als er durch drei Flintenschüsse tödtlich verletzt, sich mit dem ebenfalls verwundeten Pferde überschlug, in die Elster stürzte u. ertrank. Sein Leichnam wurde erst am 24. Octbr. aufgefunden u. 1816 in der Königsgruft zu Krakau beigesetzt. Im Reichenbachschen, jetzt Gerhardschen Garten in Leipzig ist ihm an dem Orte, wo er ertrank, ein einfacher Denkstein, im inneren Garten aber ein größeres Denkmal gesetzt. 8) Stanislaw, Sohn von P. 3), geb. 1757, war unter der Regierung seines Oheims Großschatzmeister von Lithauen, Starost von Podolien u. polnischer General, nachher unter russischer Herrschaft Geheimer Rath; er lebte seit 1804 in Wien, später in Rom u. zuletzt in Florenz, wo er 13. Febr. 1831 starb; mit ihm erlosch das Haus P. im legitimen Mannesstamm. 9) Fürst Joseph P., natürlicher Sohn von P. 7), geb 1790, wurde von der Schwester des Fürsten, der Prinzessin von Tyszkiewicz, adoptirt u. zeichnete sich 1830 als französischer Oberst in Algerien aus. Er trat 1848 in toscanische Dienste, wurde zuerst Oberst der Civica in Florenz u. im April 1849 bevollmächtigter Minister des Großherzogs von Toscana in London, Paris u. Brüssel; er nahm 1850 seinen Aufenthalt in Paris, wurde 1854 Mitglied des französischen Senats u. 1855 Intendant der Großen Oper. Im August u. Sept. 1859 unternahm er (angeblich im Auftrage Napoleons III.) mehrfache Reisen nach Florenz u. suchte dort die Restauration der vertriebenen lothringischen Dynastie zu fördern. Er schrieb u. setzte in Musik die Oper: Giovanni da Procida, welche 1840 in Lucca aufgeführt wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 347-348.
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