Tripoli

[841] Tripoli (Gesch.). Der Landstrich, welcher das jetzige T. bildet, hieß im Alterthum Syrtica regio (s.u. Syrten) u. seit dem 3. Jahrh. n. Chr. nach der Vereinigung der drei Städte Leptis Magna, Sabrata u. Öa unter Einem Regiment Tripolitana regio. Diese Provinz wurde gegen das Innere durch viele Grenzcastelle geschirmt. Von jenen drei Städten steht Alt-T. auf der Stelle von Sabrata; das jetzt sogenannte T. wurde aber weiter östlich gebaut, nachdem im 7. Jahrh. die bis dahin den Byzantinern gehörige Stadt von den Sarazenen erobert u. besetzt worden war. Die Stadt gehörte nun längere Zeit zu Tunis, empörte sich aber u. setzte zu Ende des 15. Jahrh. einen eignen Scheik ein. Dieser wurde jedoch wegen willkürlicher Regierung abgesetzt u. Abu-Bark kam zur Herrschaft. Er wurde 1509 von den Spaniern unter Graf Piedro von Navarra angegriffen u. nach Messina gefangen fortgeführt, das Land aber durch einen spanischen Statthalter regiert. Die Brüder Haireddin u. Horuk Barbarossa beunruhigten einige Male die Spanier im Besitze der Stadt; als daher Karl V. den Johannitern 1530 Malta einräumte, machte er es denselben zur Pflicht T. zu vertheidigen, u. ein Malteser Ritter wurde nun stets Statthalter. Die Malteser vertrieben 1532 den türkischen Seeräuber Dragut, welcher sich der festen Seestadt Mehedia im Tunesischen Gebiete bemächtigt hatte u. von da aus die ganze Küste von Afrika in Schrecken setzte, aber 1551 eroberte Dragut T., machte es zur türkischen Provinz u. wurde als Pascha hier eingesetzt; er ordnete die Regierung in der Weise, daß der von der Pforte ernannte Pascha gemeinschaftlich mit einem nur aus türkischen Offizieren bestehenden Divan das Regiment führte. Nach dem Sinken des Ansehns der Pforte erhielt T. eine Art republikanische Verfassung u. der Dey (diesen Titel[841] führte der Pascha) wurde von der türkischen Janitscharenmiliz gewählt, zahlte aber jährlich einen Tribut. Die Seeräuberei war lange die Haupterwerbsquelle der Einwohner u. störte den Handel aller Nationen. Um sie dafür zu züchtigen, ließ Ludwig XIV. durch den Admiral Duquesne 1681 die tripolitanischen Corsaren angreifen, einen Theilihrer Schiffe in den Grund bohren u. die übrigen nehmen, welche er erst auf Vermittelung der Pforte wieder herausgab, nachdem Frankreich Genugthuung erhalten hatte u. alle gefangenen Christensklaven in Freiheit gesetzt worden waren. Als T. nicht Ruhe hielt, ließ Ludwig XIV. 1685 es durch den Marschall d'Estrées bombardiren, u. es mußte den Frieden mit Mill. Livres u. der Rückgabe der genommenen Schiffe erkaufen. Seit 1714 wurden die Dey's aus der Familie Karamanli gewählt. Die übrigen europäischen Mächte suchten sich durch Friedensverträge u. Tributzahlungen vor den Seeräubereien zu schützen, so schlossen Holland 1703, England 1716, 1751, 1762 u. 1785, Österreich 1726, Dänemark 1762, Venedig 1763, Schweden 1764, Toscana 1765, Spanien 1784 u. Nordamerika 1796 Verträge; Frankreich erneuerte den Frieden von 1685 im Jahre 1792. Ungeachtet dieser Einnahmen verarmte T. unter der despotischen Regierung u. 60,000 Menschen wanderten in der Mitte des 18. Jahrh. nach Tunis aus. Bei der großen Geldnoth suchte T. von den christlichen Mächten durch Drohungen Geld zu erpressen. 1794 hatte der Dey die Regierung seinem Sohne abgetreten, u., dieser forderte nun als Regent die gebräuchlichen Antrittsgeschenke von den christlichen Staaten. Da diese ihm aber aus dem Grunde, daß sein Vater noch am Leben sei, verweigert wurden, so erklärte er Dänemark u. Schweden den Krieg u. ließ die Schiffe dieser beiden Mächten kapern. Dänemark sandte 1797 eine Flotte gegen T., welche den Hafen blockirte, die Flotte der Corsaren schlug u. unter Englands Vermittlung Frieden schloß. Der Friede mit Schweden kam später zu Stande. Seiner großen Ohnmacht ungeachtet, erneuerte der Dey von Zeit zu Zeit seine Forderungen. So mußte sich Dänemark 1800, als es gerade mit Algier u. Tunis zerfallen war, zu einer Geldzahlung verstehen u. vertragsmäßig jährlich 6000 Piaster, Neapel nach der Übereinkunft von 1816 bei Anstellung jedes Consuls 3000 Piaster bezahlen. Durch den Vertrag vom 18. Nov. 1818 mit dem englischen Admiral Maitland verpflichtete sich der Dey alle mit England verbündeten Mächte bis zum Abschluß neuer Verträge mit seinen Kapereien zu verschonen u. 1819 schloß er Frieden mit dem Papst, ohne Tribut zu fordern. Das nach u. nach völlig gesunkene Ansehen des Deys wurde 1818 durch die Pforte gehoben, welche sich wieder Einfluß auf diesen Raubstaat zu verschaffen gewußt hatte. Unter mancherlei Stürmen dauerte dieses Verhältniß bis 1835. Als aber der damalige Dey Sidi Jussuf durch die Forderungen seiner englischen Gläubiger, welche von dem englischen Consul Warrington nachdrücklich unterstützt wurden, hart gedrängt wurde u. sich durch Erpressungen zu helfen suchte, kam es zu einem Aufstande, in Folge dessen der alte Jussuf zu Gunsten seines Sohnes Sidi Ali abdanken mußte. Allein auch gegen diesen, welcher wegen Grausamkeit u. Geiz verhaßt war, dauerte die Empörung fort, an deren Spitze sich sein Neffe Emhammed stellte. Da Sidi Ali gegen die von den Engländern unterstützten Empörer nichts auszurichten vermochte, wendete er sich endlich an den Sultan um Beistand. Im Mai 1835 erschien eine türkische Flotte, welche 4500 Mann ausschiffte. Sidi Ali wurde zum türkischen Admiral an Bord geladen, dort festgenommen u. nach Constantinopel geschafft, T. aber wieder in ein Paschalik des Türkischen Reichs verwandelt u. ein neuer Pascha eingesetzt. Der Aufstand wurde zwar unterdrückt, denn in Emhammeds Lager brach bald Verrätherei aus, so daß derselbe die Flucht ergriff u. sich selbst den Tod gab, allein theils an die vorhergegangenen Bewegungen sich anknüpfend, theils durch Abd-el-Kaders Proclamationen veranlaßt, brachen neue Aufstände aus, daher auch der Pascha mehrmals geändert wurde. 1842 lockte der Pascha Askar Ali den damals an der Spitze der aufrührerischen Araber stehenden u. der Dynastie der Karamanli verwandten Scheikh Abd-el-Dschelil nebst seinem Bruder Seif-el-Nafar unter eidlicher Zusage ihrer Sicherheit in das Lager, ließ ihn daselbst aber überfallen u. hinrichten u. setzte diese Grausamkeiten gegen die Anhänger Dschelits, so wie die Familie desselben fort, bis er auf Englands Vermittlung abberufen wurde. Nicht minder blutig war eine Empörung, welche im Sommer 1844 in Folge des übertriebenen Steuerdrucks unter den Kabylen im Dhar. ej. Dschebel ausbrach, indem in Einem Jahre der Pascha 1 Mill. Thlr. erpreßte u. nach Constantinopel schickte, während die Familie Karamanli höchstens 250,000 Thlr. erhob, welche sie wieder im Lande ausgab. Seit der Besetzung Algiers durch die Franzosen bekamen diese, neben den Engländern, wesentlichen Einfluß auf die Angelegenheit in T. Der. Pascha Mohamed Pascha wurde im Oct. 1848 abgesetzt u. an seine Stelle kam Izzet Pascha. Als zwei französische Ausreißer, welche man angeblich zum Übertritt zum Islam hätte zwingen wollen, ins Gesandtschaftsgebäude des französischen Consuls zu T. flüchteten, erschien im Sommer 1852 eine Abtheilung französischer Kriegsschiffe vor T., um die französischen Unterthanen zu schützen. Zugleich forderte die französische Regierung vom Sultan die Absetzung des den Franzosen feindlich gesinnten Izzet, worauf Mustapha Nuri zum Pascha von T. ernannt wurde. Allein auch dieser konnte den Schwierigkeiten dieser Stellung nicht lange Stand halten; auf der einen Seite die Unzufriedenheit der arabischen Bevölkerung über die hohen Steuern; auf der andern die französischen u. überhaupt europäischen Machinationen u. die Anforderungen der türkischen Regierung sind Klippen, an denen auch der Geschickteste scheitern muß. Im Laufe des Monats August brach eine Empörung aus; die arabische Bevölkerung vereinte sich unter der Leitung des arabischen Häuptlings Gumma u. erfocht mehre, Siege über die Türken. Mustapha Nuri wurde abberufen, u. der Sultan sandte Osman Pascha nach T., welcher die Ruhe wiederherstellte. Gumma, nächst Abd-el-Kader seit langer Zeit der hervorragendste Führer der Araber, ließ sich verleiten unter Garantie des englischen Generalconsuls nach T. zu kommen; er hoffte von der Pforte in der Verwaltung desjenigen Theils von Dhar-el-Dschebel bestätigt zu werden, welcher ursprünglich seiner Familie gehört hatte. Aber bald bemächtigte man sich seiner u. internirte ihn zu Trebisond. Von da entfloh er 1855 u. ergriff von Neuem die Waffen, bedrohte sogar T. Aber es gelang[842] dem Gouverneur Uneinigkeit unter Gummas Anhänger zu säen, wodurch er Zeit gewann überlegene türkische Streitkräfte herbeizuziehen, vor denen Gumma erst nach Tunis, dann nach Algerien entweichen mußte. Die französische Regierung bot ihm u. seinen Anhängern Ländereien zur Niederlassung an; Gumma jedoch, obwohl ihm auch vom Sultan Amnestie angeboten worden war, griff die Regentschaft von Neuem von Süden aus an, in der Hoffnung sich Fezzans zu bemächtigen. Durch einen aufgefangenen Boten ward aber sein Aufenthalt den Türken verrathen; er wurde in Begleitung weniger Reiter von einer überlegenen Türkenmacht überrascht u. unterlag nach langem verzweifelten Kampfe. Sein Kopf wurde nach T. gebracht. Seitdem auf diese Weise die Auslehnungen der arabischen Bevölkerung gegen die Türkenherrschaft zur Ruhe gebracht worden waren, hat in T., in dessen Verwaltung seit 1859 wieder Izzet-Pascha, seit 1860 Mahmud Nadim Pascha gefolgt ist, keine Gewaltthat von wesentlicher Bedeutung stattgefunden. Ein wegen verweigerter Auszahlung der Soldrückstände drohender Militäraufstand (1858) wurde unterdrückt. Ende 1861 waren mehre französische Schützlinge von den Türken gemißhandelt worden; doch erhielt der französische Consul die hierfür geforderte Genugthuung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 841-843.
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