Deutschland (Geographie)

[119] Deutschland (Geographie). Geographie. Wessen Brust erbebte nicht in heiliger Rührung bei dem süßen Namen »Vaterland«, bei dem[119] Namen des Landes, wo unsere Wiege stand, wo uns Träume und Mährchen der Kindheit umwehten, wo Brüder eines Stammes sinn- und sprachverwandt mit uns wohnen, wo unsrer Ahnen Thaten aus dem Dunkel der Vergangenheit leuchtend auftauchen, und wo ihre heiligen Gräber, welche die Dankbarkeit geschmückt, liegen? – Der Deutsche kann stolz sein auf sein Vaterland; denn wenn auch an Reichthum Und Schönheit, durchaus aber nicht an geistiger Größe, Macht, Heldenerinnerungen und Großthaten, wird es von einem andern Lande übertroffen. Wie gesegnet sind seine Auen, wie majestätisch seine Berge, wie lieblich seine Thäler, wie mild der Himmel, wie regsam, froh, bieder, arbeitsam, treu seine Bewohner! – Gleich riesigen Wächtern erheben sich im Süden die Gletscher der Schweiz, Tyrols und Steiermarks, drohend auf die gebeugte Roma, deren Weltherrschaft das deutsche Schwert vernichtete, herabschauend. Im Osten lehnen sich die rauhen Karpathen an die lieblichen schlesischen Gebirge, die Mitte des Landes durchziehen in verschiedenen Richtungen das Erz- und Fichtelgebirge, der Thüringer Wald, der Spessart, und weiter oben bildet der Harz eine lange Scheidegrenze zwischen den Ebenen Norddeutschlands und den Hügeln des Südens. Alle diese Gegenden sind mehr oder minder reich an den reizendsten Partien; wir nennen hier nur die Alpenthäler der Schweiz, Tyrols und Steiermarks, das Land Nassau, den Rheingau, die Elbufer, das Selkethal, die Fluren Oestreichs, Böhmens, Sachsens, Schlesiens etc. Drei Meere, das adriatische (bei Triest), und die Ost- und Nordsee bespülen einen Theil von Deutschlands Küsten. Gewaltige Ströme durchschneiden das Land in verschiedenen Richtungen. Die Donau durchfließt seine südliche Breite und eilt dem schwarzen Meere zu; der Rhein, der Sohn der Alpen zwischen reizenden Bergen, die westliche, und mündet in die Nordsee, deßgleichen die Elbe, die vom Südosten herausströmt und meilenbreit bei Hamburg mündet, endlich die schiffbare Weser. Noch nennen wir die Oder und die Weichsel, welche in die Ostsee strömen.[120] Bemerkenswerthe Seen sind, der Boden-, Traun-, Wurm-, Ammer-, Alter- und Schwerinersee etc..– Deutschland ist im Durchschnitt trefflich angebaut, die Fruchtbarkeit in manchen Gegenden überraschend; bis zum 51. Grade gedeiht der Weinstock im Freien und die Hügel des Rheins und der Donau liefern ein flüssiges Gold, um welches uns sogar die Bewohner Frankreichs, Italiens und Spaniens beneiden. Im Süden gedeiht die Mandel und die Kastanie, im mittleren Deutschland der Maulbeerbaum. Der Norden ist reich an Weizen, der Süden an Spelz; Roggen, Gerste und Hafer wächst überall in Fülle, deßgleichen auch Kartoffeln und allerhand Gemüsearten. Wir haben herrliches, saftreiches Obst, in den Wäldern wohlschmeckende Beeren, viel Flachs, Hanf, Rübsamen und Tabak, Saffran, Anis, Krapp, Saflor, Waid, Kümmel, Fenchel etc. In Baiern und Böhmen gedeiht der Hopfen, wie nirgends in Europa, der Wallnußbaum kommt auch im Norden fort, in Sachsen und Braunschweig Cichorien, in Schlesien Kardendisteln. – Groß ist der Reichthum an Wäldern, als die vorzüglichsten nennen wir: den Böhmer- und Thüringerwald, den Schwarzwald, den Spessart etc., im Norden gibt es ungeheure Waldstrecken von Nadelholz. – Gleich gesegnet ist das Thierreich, herrliche Pferde und Rinder, namentlich in Friesland, Holstein, Meklenburg, veredelte Schafe in Böhmen, Sachsen und Schlesien; treffliches Wildprett fast überall, in den Alpengegenden Gemsen und Steinböcke; in Böhmen die wohlschmeckendsten Fasanen; viele Wasservögel, besonders im Norden, wilde Gänse und Enten; auch Trappen und Auerhähne in den nördlichen Ebenen; in großer Menge Lerchen (bei Leipzig), Wachteln, Schnepfen, Rephühner; aber auch Raubthiere, in den Alpen und im Böhmerwalde noch: Bären, Wölfe, Füchse, Luchse etc.; seltener kommen die Fischotter, der Biber, der Siebenschläfer und der Dachs vor; Adler im Norden, in den südlichen Gebirgen Geier. In der Elbe und Weser fischt man Störe und Welse, im Rhein besonders Lachse, an den Nordküsten [121] Schellfische, Häringe, Steinbutten; Forellen finden sich in Menge fast in allen klaren Bächen, Aale besonders in den norddeutschen Seen, im Süden sogar Schildkröten. Die Bienenzucht ist allgemein verbreitet die Seidenfabrikation wird im Süden fleißig betrieben. Krebse finden sich in allen kleinen Flüssen und Seen, an den Nordküsten auch Hummern und Taschenkrebse. In einigen Flüssen Böhmens (der Wattava) findet man Perlenmuscheln. – Nicht minder gesegnet ist das Mineralreich; alle Gebirge enthalten Metalle, besonders reich ist Steiermark an Eisen, Blei findet man fast überall, Gold wenig; aber Silber in Sachsen und Böhmen, deßgleichen viel Kupfer (auf dem Harz), Zinn in Sachsen und Böhmen, Quecksilber in Krain, Zink und Galmei in Schlesien, ferner Arsenik, Kobalt, Wismuth, Vitriol, Schwefel, Spießglanz, Alaun etc. überall zerstreut. Salz wird aus Quellen und Steinsalzwerken über 5 Millionen Ctr. jährlich – (besonders in Tyrol, Salzburg, Baiern, Preußen, Würtemberg, Hannover etc.) gewonnen. Man findet Marmor und Alabaster, schönen Porphyr, Kalk und Gips, auch Thonschiefer und Sandsteine häufig. Böhmen, Sachsen, Schlesien und Tyrol liefern Edelsteine: Granaten, Amethysten, Carneole, Achate. Es gibt herrliche Porzellanerde, Serpentinsteine, Reißblei; viele Steinkohlen und Torf in sehr großer Menge. – Deutschland ist reich an Mineralquellen, wie kein Land der ErdeBöhmen zählt deren allein über 150 – viele sind weltberühmt. Nicht nur Genesung spenden sie dem Hilfesuchenden, meist sind sie, in romantischer Umgebung gelegen, durch die Reize der Natur, Erholungs- und Belustigungsörter der Reichen und Vornehmen. Wer kennt nicht die romantischen Lagen von Wisbaden, Ems, Baden-Baden, Schwalbach, Eger, Marienbad, Teplitz, Carlsbad, Baden bei Wien, Gastein und mehreren schlesischen Badeörtern? – Die Landwirthschaft blüht überall in Deutschland, auch die Industrie ist im Durchschnitt auf einer sehr hohen Stufe. Ausgezeichnet und bedeutend sogar im Welthandel sind die [122] Leinwandwebereien in Schlesien, der Lausitz, Westphalen, Braunschweig und Hessen; sehr bedeutend die Tuchmanufakturen des Niederrheins, Böhmens, Mährens, Brandenburgs; die Baumwollenfabriken in Oestreich, Sachsen etc. Ferner gibt es viele Manufakturen in Leder, Eisen und Stahlwaaren, Gold und Silber, Porzellan, Glas. – Den reichen Handel unterstützen zahlreiche Flüsse und treffliche Landstraßen, Zollvereine, Banken, Messen, Assekuranzen etc. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf 35 Millionen, worunter 7 Millionen Slaven, 300,000 Juden und 200,000 Italiener; der Religion nach zählt man 19 Mill. Katholiken und 15 Mill. Protestanten. – In wissenschaftlicher Beziehung stehen die Deutschen auf der ersten Stufe; viele ihrer Gelehrten, Dichter und Künstler haben die Welt mit ihrem Ruhm erfüllt. Deutsche Tiefe und Gründlichkeit wird selbst von Engländern und Franzosen geehrt; Deutsche waren es, welche das Schießpulver, die Buchdruckerkunst und die Taschenuhren erfanden und mit diesen Entdeckungen die Welt bereicherten, Deutsche trugen ihre Waffen siegreich nach allen Weltgegenden, breiteten das Christenthum, Licht, Wahrheit, Aufklärung selbst über ferne Meere aus. Viele deutsche Frauen glänzen in der Geschichte als Regentinnen, andere haben sich als wissenschaftliche Schriftstellerinnen, in der Poesie, Malerei, Musik, unsterbliche Namen erworben. – 23 Universitäten, zahlreiche Lyceen, Gymnasien, Kunstakademien, befördern den höhern, Tausende von Schulen den Elementarunterricht. Die vielen kleinen Regierungen Deutschlands haben es möglich gemacht, daß selbst in kleineren Städten sich treffliche Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen befinden. Es gibt 40 Bibliotheken, die mehr als 25,000 Bände enthalten, die größte in Wien zählt 300,000 Bände. – Deutschland ist reich an alten Baudenkmälern, Ueberresten einer großen Zeit; wir nennen nur die uralten Städte Aachen, Köln, Nürnberg, Leipzig, Wien, Prag, Regensburg, Erfurt, die Hansestädte etc. Kaum in einem andern[123] Lande findet man so viele Schlösser und Burgen, Klöster und Abteien. – Poesie und Musik lebt im innersten Wesen des Volkes, den Beweis dafür liefern die herrlichen Sagen und Mährchen vom Rhein, aus dem Harze, den schlesischen Gebirgen etc., dann die vielen wundersamen Volkslieder, woran besonders der Süden. so reich ist. Der Charakter der Deutschen hat sich von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten in seiner Ehrenfestigkeit, Ausdauer und Biederherzigkeit ruhmvoll bewährt. Treu ihren Fürsten, mild im Frieden, tapfer im Kriege, haben sie vielfach den Stürmen anderer andrängender Nationen widerstanden. Die Vorliebe für das Ausländische zeigt sich nur in den höhern Ständen und ist stets nur Folge des Einflusses von Individuen – findet aber nie Halt im Kern der Nation. Wie der Deutsche in vielfacher Hinsicht Lehrer anderer Völker war, so weiß er sich auch schnell ihre Entdeckungen, Fertigkeiten, Künste etc. anzueignen. Den ersten Dampfwagen auf dem Continente hatte Wien; den Rhein und die Donau befahren regelmäßig Dampfschiffe, nach Montgolfier's Entdeckung fanden sich häufig kühne Deutsche, welche die Luft durchschifften. Viele der unternehmendsten Reisenden, welche ferne Welttheile durchforschten und oft ein Opfer ihrer Kühnheit wurden, waren Deutsche. Das Porzellan, die Lithographie, das Spitzenklöppeln, sind gleichfalls deutsche Erfindungen. – Die Einwohner sind ein kräftiger, proportionirter Menschenschlag, im Norden mehr blond und blauäugig, im Süden brunett, mit schwarzen Augen und dunklem Haar. Der Wuchs der Frauen ist edel, ihre Züge mild, die Rede herzgewinnend, der Bau der Glieder proportionirt, der Teint sein, Mund und Lippen frisch. Nachdem wir so in schwachen Umrissen, aber – wie es dem Vaterland gegenüber geziemt – mit Vorliebe das Land und seine Bewohner geschildert, schließen wir mit unsers großen Dichters Zuruf, der auch den Frauen, unsern liebenden Gattinnen, Töchtern, Schwestern etc., ihnen, die unser Dasein schmücken und erheitern, die uns erziehen und bilden, die unsern Sinn sanft gemacht und unsere Begierden gefesselt haben, gilt:

[124] »Die angebornen Bande knüpfe fest,

An's Vaterland, an's theure, schließ' dich an,

Das halte fest in deinem ganzen Herzen!

Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!«–

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 119-125.
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