Baskische Sprache und Literatur

[428] Baskische Sprache und Literatur. Die merkwürdige Sprache der Basken (s. d.), von ihnen selbst Escuara oder Euskara, Euxara genannt (wohl von dem alten Volk der Ausci oder Auscii in Aquitanien), zeigt mit keiner andern europäischen Sprache die geringste Verwandtschaft. Sie ist reich an Vokalen; doppelte Konsonanten kommen fast gar nicht vor, die drei harten Konsonanten k, t, p werden vor einem Nasallaut und an dem Schluß eines Wortes, auf das ein mit weicher Konsonanz beginnendes Wort folgt, ausgestoßen. In der Deklination werden die ziemlich zahlreichen Kasus und der Unterschied der Ein- und Mehrzahl durch angehängte ein- oder mehrfache Endungen ausgedrückt. Außerordentlich formenreich ist das Verbum, obschon in der jetzigen Sprache die meisten Verba nur in der Form von Partizipien erscheinen, die mit den zwei Hilfsverben »haben« und »sein« ab gewandelt werden. So sagt man: othoizten h-u-t »im Bitten dich habe ich«, d. h. ich bitte dich; othoizten d-u-gu »im Bitten es haben wir«, d. h. wir erbitten es; othoiztuco zi-tuz-tete »für das Bitten euch haben sie«, d. h. sie werden euch bitten; ethortzen-n-itzau-k »im Kommen ich bin dir«, d. h. ich komme zu dir. Durch die aus diesen Beispielen er sichtliche Einschaltung aller persönlichen Pronomina in das Verbum entstehen zahlreiche Konjugationsarten. Von jeder derselben gibt es wieder vier besondere Formen, je nachdem ein Gleichstehender, ein höher oder niedriger Stehender oder eine Frau angeredet wird. Auch der Wortschatz der baskischen Sprache zeigt eine stark entwickelte Fähigkeit, lange Komposita zu bilden, neben auffallender innerer Armut. So gibt es baskische Bezeichnungen für verschiedene Bäume und Tiere, aber für die Begriffe »Baum« und »Tier« im allgemeinen ist kein einfacher Ausdruck vorhanden. Die Zahlwörter beruhen auf der vigesimalen Zählmethode; erst von 100 ab herrscht das wahrscheinlich von den Nachbarsprachen entlehnte Dezimalsystem. Auch sonst ist die Sprache sehr stark von Entlehnungen aus andern Sprachen, besonders aus dem Keltischen und benachbarten romanischen Mundarten, durchsetzt. Sie zeigt reiche dialektische Variation, man zählt acht Hauptmundarten. Grammatiken lieferten Blanc (Lyon 1854), Gèze (Par. 1873), van Eys (2. Aufl., Amsterd. 1867; engl. Bearbeitung, Lond. 1883) u. a. Wörterbücher veröffentlichten Chaho (Bayonne 1856), Fabre (das. 1870), van Eys (Par. 1873), dem man auch die erste »Grammaire comparée des dialectes basques« (das. 1879) verdankt; ein baskisch-spanisches Wörterbuch Aizquibel (Tolosa 1882 bis 1884, 2 Bde.). Einen wichtigen »Essai sur la [428] langue basque« verfaßte der Ungar Franz Ribáry (franz. von Vinson, Par. 1877). Über das Verhältnis der alten iberischen Sprache zum Baskischen schrieben W. v. Humboldt (Berl. 1821), später van Eys und Vinson (1874) und namentlich LuchaireLes origines linguistiques de l'Aquitaine«, Par. 1877), dem es auch gelang, viele der alten iberischen Namen aus dem Baskischen zu erklären. Vgl. auch Lucien Bonaparte, Le verbe basque (Par. 1869); Broca, Origine et repartition de la langue basque (aus der »Revue d'anthropologie«, 1875); Gerland, Die Basken und die Iberer (in Gröbers »Grundriß der roman. Philologie«, Bd. 1, Straßb. 1888) und zahlreiche Abhandlungen in der »Revue de linguistique«.

Die baskische Literatur besteht, von den Erbauungsbüchern abgesehen, aus volkstümlichen Dichtungen, darunter insbes. poetische Liebeslieder und die meist noch ungedruckten »Pastorales«, d. h. ländliche Schauspiele, deren Stoffe der Bibel, der Legende, Sage oder Geschichte entnommen sind, und die von den Landleuten in den baskischen Dörfern zur Ausführung gebracht werden. Das älteste gedruckte Werk ist eine Gedichtsammlung von 1545, auch ältere Handschriften sind nicht vorhanden. Vgl. Duvoisin, Des Basques et de leur poésie (Par. 1841); Vinson, Le folklore du pays basque (das. 1883); Derselbe, Essai d'une bibliographie de la langue basque (das. 1891, Nachtrag 1898); Linschmann und Schuchardt, I. Leiçarragas baskische Bücher von 1571, Neues Testament, Kalender und ABC (Straßb. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 428-429.
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