Margarēte

[278] Margarēte, fürstliche Personen: 1) M. von Anjou, geb. 23. März 1430, gest. 25. Aug. 1482, Tochter des Königs Renatus von Anjou, Titularkönigs von Neapel und Jerusalem, und der Isabella von Lothringen, ward 23. April 1445 mit Heinrich VI. von England vermählt und 30. Mai gekrönt. Schön, geistvoll und unternehmend, wußte sie sich bald großen Einfluß zu verschaffen. Nach dem Sturz des Regenten, des Herzogs Humfred von Gloucester (1447), regierte sie mit dem Herzog von Suffolk, hierauf seit 1449 mit ihrem Günstling, dem Herzog von Somerset, wodurch sie das Haus York verletzte und den Krieg zwischen der Weißen und Ruten Rose hervorrief. Im Kampf mit der Partei des Hauses York, die ihr vorwarf, daß der von ihr 1453 geborne Prinz Eduard untergeschoben sei, entwickelte M. eine seltene Geisteskraft. Richard von York verlor gegen ihre Anhänger bei Wakefield (30. Dez. 1460) Sieg und Leben; sie selbst überwand 17. Febr. 1461 den Grafen von Warwick im Treffen bei St. Albans. Ihre Versuche, den von Warwick auf den Thron erhobenen Eduard IV. von York zu verdrängen, liefen aber unglücklich ab. Nach der Niederlage der Lancasterschen Partei bei Towton (28. März 1461) floh sie nach Frankreich zu Ludwig XI., der ihr gegen Verpfändung von Calais Geld und Truppen bewilligte. Mit dieser durch englische Flüchtlinge verstärkten Macht fiel sie mit ihrem Sohn Eduard in Northumberland ein, konnte aber nichts ausrichten und mußte 1463 wieder nach dem Festland flüchten. Hier söhnte Ludwig XI. sie 1470 mit ihrem Todfeind Warwick aus. Am Tage der Schlacht bei Barnet (14. April 1471), wo dieser fiel, landete M. in England, ward aber[278] bei Tewkesbury (4. Mai) von Eduard IV. völlig geschlagen und fiel in die Hände ihres Gegners. Ihr Sohn war auf der Flucht getötet worden, ihr Gemahl Heinrich VI. wurde 21. Mai im Tower ermordet, sie selbst erst 1476 auf Verwendung Ludwigs XI. aus der Hast befreit, worauf sie nach Frankreich zurückkehrte. Das Buch von Mrs. Hookham: »Life and times of Margaret of Anjou« (Lond. 1872, 2 Bde.), ist unzuverlässig.

2) Königin von Dänemark, Norwegen und Schweden, geb. 1353 in Kopenhagen, gest. 24. Okt. 1412 in Flensburg, Tochter König Waldemars IV. von Dänemark, 1363 mit Hakon VI. von Norwegen vermählt, führte nach dem Tod ihres Vaters (1375) in Dänemark, nach dem Tod ihres Gemahls (1380) auch in Norwegen die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Olaf V. Nach dessen Tod (1387) in Dänemark und Norwegen, nach Besiegung des schwedischen Königs Albrecht von Mecklenburg (1389) auch in Schweden als Herrscherin anerkannt, erwirkte sie die Wahl ihres Großneffen Erich zum Thronfolger und gründete 1397 in Kalmar (s. d.) die als sogen. Kalmarische Union bekannte Vereinigung der drei nordischen Reiche. Schleswig, das sie als Erblehen 1386 dem Grafen Gerhard VI. von Holstein überlassen hatte, suchte sie nach seinem Tod (1404) vergeblich wieder enger mit Dänemark zu verbinden. Geistreich, klug, mutig und charakterfest, war M. eine der bedeutendsten nordischen Fürstinnen. Vgl. Erslev, Dronning Margrethe og Kalmarunionens Grundläggelse (Kopenh. 1882); Vaupell, Dronning Margrete (das. 1897; unzuverlässig); M. Hill, Margaret of Denmark (Lond. 1898).

3) M. (Margot) von Frankreich oder von Valois, geb. 14. Mai 1553 in St.-Germain-en-Laye, gest. 27. März 1615, die Tochter Heinrichs II. und der Katharina von Medici, erhielt am Hof ihrer Brüder Franz II. und Karl IX. eine vortreffliche Erziehung und zeichnete sich durch Schönheit und Anmut aus. Durch politische Rücksichten ward sie genötigt, ihre Hand dem König Heinrich von Navarra, dem spätern Heinrich IV. von Frankreich, zu reichen. Die Vermählung, die als ein Versöhnungsfest der Katholiken und Hugenotten 17. Aug. 1572 gefeiert wurde, gab das Signal zu den Greueln der Bartholomäusnacht (s. Hugenotten, S. 608). Ein Zwist mit ihrem Gatten über die Ausübung des katholischen Gottesdienstes veranlaßte ihre Rückkehr nach Paris; doch zog ihr zügelloses Leben ihr solche Demütigungen am Hofe Heinrichs III. zu, daß ihr Gemahl sie zu sich nach Béarn zurückberief. Auf dessen Wunsch wurde die kinderlose Ehe 1599 getrennt. Seit 1605 lebte sie zu Paris in galantem, frommem und wissenschaftlichem Verkehr mit den ausgezeichnetsten Geistern der Zeit; der letzte legitime Sprößling des Hauses Valois. Margaretens Memoiren erschienen in Paris 1648 und öfter (deutsch von Schlegel, Leipz. 1803); die beste, durch Briefe vermehrte Ausgabe ist von Guessard (Par. 1842). Auch Gedichte hinterließ sie, die in einem naiven und leichten Stil geschrieben sind. Vgl. Mongez, Histoire de la reine Marguerite de Valois (Par. 1777); Saint-Poncy, Histoire de Marguerite de Valois (das. 1887, 2 Bde.); Ch. Merki, La reine Margot et la fin des Valois (das. 1905).

4) Marie M. Therese Johanna, Königin von Italien, geb. 20. Nov. 1851, Tochter des Prinzen Ferdinand, Herzogs von Genua (gest. 1855), und der sächsischen Prinzessin Elisabeth, vermählte sich 22. April 1868 mit ihrem Vetter Humbert, seit 9. Jan. 1878 König von Italien, der am 29. Juli 1900 ermordet wurde.

5) M. von Navarra, geb. 11. April 1492 in Angoulême, gest. 21. Dez. 1549 auf Schloß Orthez in Bigorre, Tochter Karls von Orléans und der Luise von Savoyen, Schwester König Franz' I., wurde am Hofe Ludwigs XII. von ihrer Mutter vortrefflich erzogen und vermählte sich 1. Dez. 1509 mit Karl, Herzog von Alençon, erstem Prinzen von Geblüt und Connétable von Frankreich. Nachdem dieser 1525 gestorben war, begab sie sich zu ihrem in Madrid in Gefangenschaft befindlichen Bruder, König Franz I. 1527 vermählte sie sich in zweiter Ehe mit Heinrich d' Albret, König von Navarra, dem sie Johanna d'Albret, die Mutter Heinrichs IV., gebar. Sie unterstützte und beschützte eifrig Dichter und Künstler, wie sie denn überhaupt milden und gütigen Sinnes war. Schon längere Zeit hatte sie sich dem Protestantismus zugeneigt, wie namentlich ihre Schrift »Miroir de l'âme de la pécheresse« (Alençon 1531) bekundet, hatte auch soviel wie möglich die grausame Verfolgung der Protestanten durch Franz I. gehindert, doch trat sie nicht offen zur evangelischen Kirche über. M. hinterließ eine Reihe von Schriften in Prosa und Versen, die eine große Gewandtheit des Stils verraten, aber, obschon Margaretens Leben selbst tadellos war, den leichtfertigen Geist jener Zeit atmen. Hervorzuheben sind aus ihnen: »Heptaméron des nouvelles« (Par. 1559 und dann unzählige Male; hrsg. von Leroux de Lincy, das. 1853–55, 3 Bde.; beste Ausg. von F. Frank, das. 1873, 4 Bde., von beiden auch illustrierte Ausgaben), eine Sammlung von Erzählungen im Geschmack des Boccaccio, die zuerst 1558 u. d. T.: »Les amants fortunés« erschienen waren, und »Marguerites de la Marguerite des princesses« (Lyon 1547, Par. 1554), eine Auswahl von Gedichten und Dramen, von ihrem Kammerdiener Jean de la Haye veröffentlicht. Ihren Briefwechsel gab im Auftrag der Regierung Génin heraus (Par. 1841–42, 2 Bde.). Ihre »Œuvres complètes« erschienen 1852; A. Lefranc gab heraus »Les dernières poésies de Marguerite de Navarre« (1896). Vgl. Durand, Marguerite de Valois et la cour de François I (Par. 1848, 2 Bde.); Miß Freer, The life of Marguerite d'Angoulème (Lond. 1854, 2 Bde.; neuer Abdr. 1897); Lotheißen, Königin M. von Navarra (Berl. 1885); dela Ferrière, Marguerite d'Angoulême (Par. 1891); Lefranc, Les idées religieuses de M. de Navarre (das. 1898); Mme. Darmsteter, M. de Navarre (das. 1900).

6) M. von Österreich, geb. 10. Jan. 1480, gest. 1. Dez. 1530 in Mecheln, Tochter des Erzherzogs Maximilian (spätern Kaisers Maximilian I.) und der Maria von Burgund, wurde am französischen Hof erzogen, da sie nach dem Vertrag von 1482 die Gemahlin Karls VIII. werden sollte, kehrte aber nach dessen Vermählung mit Anna von Bretagne 1493 zu ihrem Vater zurück. Ihr neuer Verlobter, der Infant Juan von Spanien, mit dem sie sich 1497 vermählte, starb noch in demselben Jahr und auch Herzog Philibert II. von Savoyen, mit dem sie sich 1501 vermählte, schon 1504. Ihr Vater übertrug ihr 1507 die Regentschaft der Niederlande, die sie klug regierte und sorgsam gegen die Reformation abzusperren suchte. An dem Zustandekommen des Friedens von Cambrai hatte sie den wesentlichsten Anteil. In Mecheln ward ihr 1850 ein Denkmal errichtet. Ihren »Discours de ses infortunes et de sa vie« sowie ihre vor den Ständen[279] gehaltenen Reden und ihre Poesien sammelte Jean Lemaire in seiner »Couronne Margaritique« (1549); ihre politische Korrespondenz gaben Leplay (Par. 1839, 2 Bde.) und van den Bergh (Leiden 1845–1847, 2 Bde.) heraus. Vgl. Altmeyer, Marguerite d'Autriche (Lüttich 1841); Quinsonas, Matériaux pour servir à l'histoire de Marguerite d'Autriche (Lyon 1860, 3 Bde.).

7) M. von Parma, geb. 1522, gest. 18. Jan. 1586 in Ortona, natürliche Tochter des Kaisers Karl V. und der Johanna van der Gheynst, einer Flamänderin, ward am Hofe der Königin Maria von Ungarn in Brüssel erzogen und 1536 in erster Ehe mit Alessandro de' Medici, in zweiter 1538 mit Ottavio Farnese, Herzog von Parma und Piacenza (geb. 1526), vermählt, dem sie den berühmten Feldherrn Alexander Farnese gebar. Bekannt mit den Sitten des niederländischen Volkes und eingeweiht in die von Spanien in Brüssel beobachtete Politik, ward sie 1559 von Philipp II. zur Statthalterin der Niederlande ernannt, wo ihr anfangs Granvelle zur Seite stand. Eine Frau von schroffem Charakter, gebieterisch, dabei streng katholisch, hatte sie den schwierigsten Verhältnissen das Haupt zu bieten; als aber im August 1567 Alba mit Vollmachten erschien, die ihre Würde zu einem bloßen Titel machten, entsagte sie ihr und ging Ende Dezember 1567 nach Italien, wo sie später lange in Aquila weilte. 1580 kehrte sie auf Ansuchen des Königs wieder in die Niederlande zurück, um mit ihrem Sohn Alexander die Landvogtei zu teilen. Dieser aber wollte von einer Teilung der Gewalt nichts wissen. Erst im September 1583 reiste sie wieder nach Italien ab. Ihre Korrespondenz mit Philipp II. gaben v. Reiffenberg (Brüssel 1842) und Gachard (das. 1867–81, 3 Bde.) heraus. Vgl. Rachfahl, M. von Parma (Münch. 1898).

8) M. Tudor, Königin von Schottland, geb. 29. Nov. 1489, gest. 18. Okt. 1541, älteste Tochter König Heinrichs VII. von England und der Elisabeth von York, vermählte sich 1503 mit Jakob IV. von Schottland und nach dessen Tode 1514 mit Archibald Douglas, Grafen von Angus, endlich, nachdem sie 1527 von diesem geschieden war, mit Henry Stewart, Lord of Methven. Ihr Sohn erster Ehe war Jakob V. von Schottland, und durch sie erwarben die schottischen Stuarts ihren Anspruch auf die englische Krone; ihre Tochter zweiter Ehe, Margarete, war die Mutter des Lord Darnley (s. d.), zweiten Gemahls der Königin Maria Stuart.

9) M. von Thüringen, geb. 1237, Tochter des Kaisers Friedrich II. und der Jolanthe von Jerusalem, wurde 1254 mit Albrecht dem Entarteten von Thüringen vermählt, gebar ihm drei Söhne, floh aber, da ihr Gemahl Kunigunde von Eisenberg liebte, 24. Juni 1270 von der Wartburg nach Frankfurt a. M., wo sie bereits 8. Aug. starb. Daß sie im Abschiedsschmerz ihren Sohn Friedrich in die Wange gebissen habe, ist Sage.

10) M. Maultasch (angeblich wegen der Form ihres Mundes so genannt), Gräfin von Tirol, geb. 1318, gest. 3. Okt. 1369 in Wien, Erbtochter Heinrichs, Herzogs von Kärnten und Grafen von Tirol, wurde 1330 mit dem erst achtjährigen Prinzen Johann, einem Bruder des nachmaligen Kaisers Karl IV., vermählt; doch war die Ehe keine glückliche, und Johann wurde 1341 aus dem Lande vertrieben. M. heiratete 1342 Kaiser Ludwigs des Bayern Sohn Ludwig von Brandenburg, wogegen aber Papst Clemens VI. Einspruch erhob und Kaiser Ludwig und seine Kinder in den Bann tat; erst 1359 erfolgte durch Vermittelung Herzog Rudolfs IV. von Österreich die Lösung vom Banne. Nach ihres Gemahls und ihres Sohnes Meinhard Tode (1363) überließ M. Tirol den Herzogen von Österreich. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Wien. Die Kärntner Volkssage machte aus M. eine zerstörungswütige Amazone, die »böse Gretl«. Vgl. A. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich (Innsbr. 1864).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 278-280.
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