Symbōlik

[235] Symbōlik (griech.), Wissenschaft und Lehre von den Symbolen (Sinnbildern), insbes. den religiösen. Die S. lehrt uns, den hinter einem Zeichen oder Sinnbild verborgenen tiefern Sinn erkennen, dem etwas Geistiges, Unsichtbares oder Undarstellbares zugrunde liegt. Der Ursprung der S. ist auf die Hieroglyphen- oder Bilderschrift der alten Ägypter zurückzuführen, von denen sie durch Vermittelung der Juden auf die ältesten Christen übergegangen ist. Die Ägypter symbolisierten ihre Götter durch Tiere, Verbindungen von menschlichen und tierischen Gestalten oder Gliedern, Hieroglyphen oder durch mystische Zeichen, die sich auf ihren Kult bezogen. So ist z. B. die geflügelte Sonnenscheibe das Symbol des Sieges des Guten über das Böse, der Sperber das Sinnbild des Horos, die Uräusschlange das Zeichen der königlichen Würde. Die ältesten Christen bedienten sich der Sinnbilder, um sich durch nicht jedermann verständliche Zeichen vor Verfolgungen zu schützen. Sie entnahmen sie sowohl dem Tier- und Pflanzenreich als dem Alten und dem Neuen Testament. Das Lamm war z. B. das Symbol für den Opfertod Christi, das Kreuz und der Gute Hirt für Christus selbst, der Weinstock das Sinnbild der christlichen Verheißung und die Palme das Siegeszeichen der Märtyrer. Auch im Rechtsleben, besonders primitiver Zeiten, spielt die S. eine große Rolle. So wird die Übergabe des Ackers symbolisch durch den Halm, des Weinbergs durch die Rebe bezeichnet, Handschlag und Emporheben des Fingers beim Eide sind symbolische Handlungen. Im modernen Rechtsleben tritt das Symbol jedoch sehr zurück. Vgl. J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer (4. Aufl.,[235] Leipz. 1899, 2 Bde.); Michelet, Origines du droit français cherchées dans les symboles et formules du droit universel (Par. 1890). Die Zahlensymbolik gehörte im Altertum mehr zur Astrologie; doch gab es auch bei Juden, Heiden und Christen gewisse heilige Zahlen. Die Sieben war z. B. die heilige Zahl der Juden (siebenarmiger Leuchter), und die Christen deuteten sie später auf die sieben letzten Worte am Kreuz, auf die sieben Sakramente, die sieben Werke der Barmherzigkeit etc. Die Drei war das Zeichen der heiligen Dreieinigkeit und der drei christlichen Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung), die Vier das Symbol der vier weltlichen Tugenden, der vier Elemente etc., die Fünf das Sinnbild der Wundenmale Christi. Die Tiersymbolik wurde im Mittelalter sehr eingehend ausgebildet, indem namentlich die naturwissenschaftlichen Lehrbücher, die sogen. Bestiarien (s. Physiologus), gewisse Tiere zu Vertretern besonderer Eigenschaften, Tugenden und Lastern machten, für die sie von der bildenden Kunst als Symbole benutzt wurden. Der Löwe war das Sinnbild der Stärke und des Edelmuts, der Adler das der königlichen Würde, der Pfau das des Hochmuts, das Ein horn das der Unschuld, der Hund das der Treue, das Schwein das der Völlerei etc. Auf mittelalterlichen Grubsteinen ist der Löwe sehr häufig das Attribut der Männer, der Hund das der Frauen. Die vier Evangelisten hatten schon frühzeitig ihre Symbole (Matthäus einen geflügelten Menschen, Markus einen Löwen, Lukas einen Ochsen, Johannes einen Adler). Die geläufigsten Tier- und Pflanzensymbole wurden auch von der Kunst der Renaissance übernommen und haben sich bis auf die Gegenwart erhalten. So sind z. B. Kreuz, Herz und Anker die Symbole von Glaube, Liebe und Hoffnung. Gewisse Symbole bildeten sich für Personen der Mythe und Geschichte zu ständigen Attributen aus, die Rang, Fähigkeiten, Tätigkeit, Erlebnissen entnommen waren, z. B. Zeus mit dem Blitz, Juno mit dem Pfau, David mit der Harfe, Petrus mit dem Schlüssel, Paulus mit dem Schwert u. v. a. Über Farbensymbolik s. d. Vgl. Creuzer, S. und Mythologie der alten Völker (3. Aufl., Leipz. 1836–43, 4 Bde.); Bähr, S. des mosaischen Kultus (Heidelb. 1837–39, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1874); Münter, Sinnbilder der alten Christen (Altona 1825); Piper, Mythologie und S. der christlichen Kunst (Weim. 1847–51, 2 Bde.); W. Menzel, Christliche S. (Regensb. 1854, 2 Bde.); Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters (5. Aufl., Leipz. 1883–85, 2 Bde.); Evans, Animal symbolism in ecclesiastical architecture (New York 1896); Verneuil, Dictionnaire des symboles, emblèmes et attributs (Par. 1897); Weiteres bei Artikel »Ikonologie«.

Im engern Sinne versteht man unter S. oder symbolischer Theologie zunächst diejenige Disziplin, die sich mit den kirchlichen Bekenntnisschriften und deren Lehrinhalt unter beständiger Vergleichung der Lehrbegriffe der verschiedenen Kirchen und Konfessionen beschäftigt. Je nachdem bei der Ausstellung und Beleuchtung dieser Gegensätze das rein historische oder das dogmatisch-polemische Interesse vorwaltet, ist die S. ein integrierender Teil der Dogmengeschichte, oder sie fällt mit der Polemik (s. d.) zusammen. Neuerdings hat man die S. zur Konfessionskunde erweitert und ihr die Aufgabe zugewiesen, die konfessionelle Eigentümlichkeit aller christlichen Denominationen so zum Verständnis zu bringen, daß der unterschiedliche Konfessionscharakter der einzelnen hervortritt. Von bleibendem Wert sind die ältern Darstellungen von Marheineke, Christliche S. (Heidelb. 1810–1813, 3 Bde.; 1848); Köllner, S. aller christlichen Konfessionen (Hamb. 1837–44, 2 Bde.); Möhler, Symbolik (Mainz 1832, 10. Aufl. 1871), mit den Gegenschriften von Baur, Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus (2. Aufl., Tübingen 1836), und Nitzsch (Gesammelte Aufsätze, 1. Bd., Gotha 1870) und die Arbeiten von Schneckenburger (s. d. 1). Neuere Werke: Plitt, Grundriß der S. (Erlang. 1875; 4. Aufl., hrsg. von Schultze, Leipz. 1902); H. Schmidt, Handbuch der S. (Berl. 1890); Kattenbusch, Lehrbuch der vergleichenden Konfessionskunde (Bd. 1, Freib. 1892); E. F. K. Müller, Symbolik (Leipz. 1896); Loofs, S. oder christliche Konfessionskunde (Bd. 1, Tübing. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 235-236.
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