1. An andern sieht man 's kleinste Läuschen, an sich keine Hundslaus.
2. Andern fängt man Ratten, sich kann man keine Maus fangen.
3. Andern flickt man die Säcke, die seinen lässt man die Mäuse fressen.
Frz.: Les cordonniers sont ordinairement les plus mal chaussés.
4. Andern zum Ergetzen, sich zu Tode zu hetzen. (Wend. Lausitz.)
5. Lade andere nicht zu Gast, wenn du selbst aufissest, was du hast (oder: wenn du selber nichts zu essen hast).
6. Man muss keinen andern stellen, wo man selber gehen soll.
7. Mit anderer Sachen muss man behutsamer umgehen als mit den eigenen.
8. Mögen andere meine Lasten tragen, bleib' ich nur frei von Plagen.
Lat.: Innocuus alium aspiciam, meum habentem malum. (Erasm., 54.)
[76] 9. Was du an andern hass'st, damit auch andere nicht überlast'.
10. Was du andern angethan, nimm auch von andern willig an.
Lat.: Ab alio expectes, alteri quod feceris. (Publ. Syr.)
11. Was du andern thust, das erwarte auch von andern.
12. Was du von andern ungern hast, damit thu' keinem Ueberlast.
Engl.: Do as you would be done by.
Frz.: Il faut prendre son coeur par autrui.
Lat.: Ne facias aliis quidquid tibi fieri non vis. – Quod sibi quis nolit fieri, non inferat ulli.
13. Was eines andern ist, danach hat man Gelüst. Steiger, 174.
14. Was man andern schuld gibt, muss man nicht selber thun – und das nicht selbst gethan haben, was man an andern verdammen will.
Lat.: Quod aliis vitio vertas ipse ne feceris. (Homer.) (Erasm., 531.)
15. Was soll der andern Gutes thun, der es sich selbst nicht thut?
16. Wer andere betrügt, klage nicht über Untreue.
17. Wer andere ehrt, ist selber Ehre werth.
Lat.: Honor est honorantis, non honorati.
18. Wer andere jagt, wird selber müde.
Willst du einen andern hin und wider jagen, musst auch selber Müdigkeit ertragen. (Castelli.)
19. Wer andere mit Koth wirft, beschmuzt sich selbst. – Sprichwörtergarten, 437.
20. Wer andere soll putzen, muss selber rein sein und nicht schmuzen.
Abraham a Sancta Clara sagt zu den Lehrern, Aeltern u.s.w.: »Ihr sollt sein wie ein Spiegel, worin sich alle können ersehen und die Tugend erlernen; wie ein Spiegel, sag' ich, und nicht wie eine Spiegelfechterei, wodurch das Volk verblendet und betrogen wird.«
Engl.: Meddle with your old shoes!
21. Wer andere strafen will, muss selbst unsträflich sein.
Lat.: Censor omni careat culpa.
22. Wer andere tadeln will, muss selbst ohne Mängel sein.
23. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. – Müller, 54, 1.
Lat.: Qui struit insidias ali, sibi damnum dat ipsi. – Sibi parat malum, qui alteri parat.
24. Wer andern givt un litt sülvst Noot, den sall man slaan mit der Külen dod. – Schütze.
Gegen falsche Wohlthätigkeit.
25. Wer andern Gutes thut, dem thut man wieder Gutes.
26. Wer andern nicht hilft, ist selber nicht in Noth gewesen. – Bertram.
27. Wer andern viel will reden ein, muss selber ohne Tadel sein.
28. Wer des andern vermag, der steckt ihn in den Sack.
Andreas Eberhard Rauber, Hofkriegsrath Kaiser Maximilian's II., von diesem nebst seiner Familie in den Reichsfreiherrenstand erhoben, ein ebenso gelehrter als stattlicher Mann, war mit einer ausserordentlichen Leibesstärke begabt. Die Länge seines Bartes ging bis an die Füsse und wieder hinauf bis zum Gürtel. Wenn er in vollem Staate nach Hofe ging, liess er denselben wie ein Fähnlein um sich fliegen. Seine Stärke bewies er in dem merkwürdigen Kampfe um seine Braut. Maximilian hatte in seiner Jugend ein schönes österreichisches Fräulein geliebt, die ihm eine Tochter geboren. Helena, das Pfand dieser Liebe, wuchs schön und lustig heran. Geschmückt mit allen Reizen weiblicher Schönheit, fehlte es ihr nicht an Bewerbern. Die hervorragendsten waren ein vornehmer und reicher Spanier und unser Rauber. Den Spanier begleitete der Ruhm eines kühnen Helden; er war ein wohlgebildeter, starker und rüstiger Mann. Zwar kannte man auch Rauber's Stärke, aber man wusste nicht zu entscheiden, welcher der Stärkere von beiden sei. Der Kaiser versprach die Hand dem, der sie erkämpfen werde. Beiden Kämpfern wurde ein Sack nach der Grösse seines Gegners gereicht, und der Kaiser erklärte, dass derjenige, welcher den andern in den Sack stecken werde, der beglückte Bräutigam sein werde. Der Kampf begann im Angesicht des Kaisers und des ganzen Hofs und wurde lange mit gleichem Glück fortgesetzt, bis es endlich Rauber gelang, den Spanier in den Sack zu schieben. Dies gab Veranlassung zu obigem Sprichwort.
[77] 29. Wer sich an andern spiegelt, spiegelt sich sanft (gut).
Frz.: Il se châtie bien, qui se châtie par d'autrui.
It.: Savio è colui, ch'impara a spese d'altri.
Lat.: Felix quem faciunt aliena pericula cautum.
Ung.: Boldog ember, a ki más' veszedelmein tanul.
30. Wer sich auf andere verlässt, der ist verlassen genug.
Engl.: For what thou canst do thyself, rely not on another.
Frz.: Qui s'attend à l'écuelle d'autrui, a souvent mal dîné.
31. Wer sich mit anderer Unthat will schön machen, wäscht sich in einer Mistlache.
32. Wer sik op Anre ferlet, un sölbs nix het, de is op ewich bedragen. (Süderdithmarschen.)
33. Willst du andere strafen und lehren, musst du dich erst selbst bekehren.
It.: Chi non sa far i fatti suoi, peggio sa far quei d'altri.
Lat.: Qui sibi semitam non sapiunt, aliis monstrant viam.
34. Auff ander soll nicht sehen allezeit, mach dich in geschicklichkeit selbs bereit.
Lat.: Vnus non alium, uetus annus non docet annum. (Loci comm., 205.)
35. Den andern (2. Januar) ein klarer Sonnenschein, bringt gute vnd vil Fisch herein.
36. Einer dem andern mag helffen bald, so er nicht ist in lieb erkalt.
Lat.: Dum bene uult, facile quit homo succurrere cuique. (Loci comm., 19.)
37. Ich will nicht über andere, und andere sollen nicht über mich klagen.
Lat.: Sine querela. (Sailer, Sprüche, 132, 120.)
38. Man muss von andern nicht begehren, was man an ihrer Stelle abschlagen wurde.
Lat.: Non petas, quod negaturus esses, non neges, quod petiturus esses. (Sailer, Sprüche, 200, 14.)
39. Wer andere anschwärzt, ist darum nicht weiss.
Dän.: Hvo som vil sverte andre, er derfor ikke hviid. (Prov. dan., 538.)
40. Wer andere will fangen, bleibt meist in eigner Schlinge hangen.
It.: Tal resta al laccio preso, che altrui l' avea teso. (Giani, 871.)
41. Wer andere will verachten, soll sich selbst betrachten; ist er fehler- und tadelfrei, so dank' er Gott, dass er es sei. – Hertz, 9.
Hausinschrift in der Schweiz.
42. Wer andern füllt den Magen, den lobt man vom Schuh bis zum Kragen.
Lat.: Laudatur patule qui replet antra gule. (Reuterdahl, 476.)
Schwed.: Thaen aer godher som glug fyllir. (Reuterdahl, 476.)
43. Wer ein andern nur jagen thut, derselb wird gewiss auch werden mud.
Lat.: Currens lassatur, quo praecurrens agitatur. (Loci comm., 36.)
Buchempfehlung
Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht
282 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro