1. Gar mancher mich richt't, er denkt seiner nicht; gedächt' er sein, vergäss' er mein.
Dän.: Døm saaledes imellem andre, at andre ei skal dømme ilde om dig. (Prov. dan., 116.)
Lat.: Qui me respicit et mea, se non respicit ille Et sua; dice ergo: »????t sea?t??« homo. (Binder II, 2780; Seybold, 396.)
2. Hi richt Got nôch dem rechten, di herren ligen bî den knechten. Nu merket hiebî, welcher her oder knecht gewesen si. – Aarg. Taschenbuch.
Ein Spruch, der an alten Beinhäusern der Kirchhöfe an verschiedenen Orten der Schweiz steht.
3. Man richtet nicht nach Einer Klag', man hört auch, was der andere sag'. (Deisslingen.) – Birlinger, 432.
4. Man richtet zwischen Reich und Arm so ungleich, dass es Gott erbarm'.
5. Man soll sich wol nach andern richten, aber sich nicht selbst vernichten.
Frz.: Il faut se prêter à autrui, et ne se donner qu'à soi. (Cahier, 159.)
6. Niemand kann sich selber richten. – Graf, 425, 199.
Selbsthülfe ist untersagt. Auf Rügen: Niemand kan sick ock süluest richten. (Normann, 10, 8.)
7. Niemand richtet recht nach seinem Wahn. – Graf, 409, 64.
»Blosses Rathen und Meinen statt gewiss wissen, wo es sich um die höchsten Güter des Menschen handelt, ist ein Frevel. Wer nach seinem Wahne (Meinen) urtheilt, ist vor Gott so schuldig als ein ungerechter Richter.«
Mhd.: Is richtet nymand recht nach sinem whan. (Daniels, Weichbildglossen, 243, 53.)
8. Recht richten ist recht. – Petri, II, 513.
9. Richt barmhertzig die Elenden vnd Armen, so wird sich Gott auch dein erbarmen. – Gruter, III, 76; Lehmann, II, 535, 27.
10. Richt dich an deins gleichen. – Gruter, I, 63.
11. Richt' euch, oder der Teufel holt euch. (Ostpreuss.)
12. Richt nicht nach eines Mannes klag, hör vor wol, was der ander sag. – Lehmann, 566, 17.
13. Richte andere so, wie du willst, dass sie dich richten sollen.
14. Richte dich nach den Leuten, sie werden sich nicht nach dir richten. – Simrock, 8461.
15. Richte dich nicht nach den meisten, sondern nach den besten. – Reche, I, 15.
[1668] 16. Richte erst, wenn du beide gehört.
17. Richte nicht mich vnd die meinen, siehe vor an dich vnd die deinen. – Petri, II, 514.
18. Richte nicht unbarmherzig die Elenden und Armen, so wird sich dein Gott auch erbarmen.
19. Richte vor dein Haus, dann guck' nach andern aus! – Körte, 2666; Siebenkees, 201; Lohrengel, I, 569.
20. Richten ist leichter als Besseres erdichten.
Lat.: Carpet citius aliquis, quam imitabitur. (Seybold, 68.)
21. Richten ist leichter als dichten.
Lat.: Reprehendere facilius est quam imitari. (Philippi, II, 155.)
22. Richten und urtheilen soll man nicht übereilen.
Lat.: In judicando criminosa est celeritas. (Seybold, 244.)
23. Richtet euch nicht nach meinen Thaten, sondern nach meinen Worten, sagte der Pfaff. – Gerber, 97, 14.
Von Geistlichen und Lehrern, deren Leben ihren Lehren widerspricht.
Dän.: Vi skulle leve ei efter exempler, men regler. (Prov. dan., 148.)
Poln.: Nie sądź a niebędziesz sadzony. (Lompa, 24.)
24. Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet! – Matth. 7, 1; Schulze, 191; Simrock, 8455.
25. Richt's, so geschicht's! – Lehmann, II, 533, 58; Petri, II, 514; Schottel, 1120a; Körte, 5073; Simrock, 8462.
26. Richt't euch, mit dem Arsch nach Frankreich! (Ostpreuss.)
27. Sich selbst richten, thut Urtheil schlichten.
Lat.: Non judicari vis? te ipsum judica. ( Chaos, 423.)
28. Viel leichter ist richten als Besseres erdichten.
29. Viel wollen richten, wenig können tichten. – Petri, II, 575.
30. Wer andere richten will, muss selber keine Flecken haben.
31. Wer andere richtet, verurtheilt sich selbst.
It.: Chi giudica un' altro, se stesso condanna.
Lat.: Tu es judex: ne quid accusandus sis, vide. (Terenz.) (Philippi, II, 224.)
32. Wer bald richt, den tödtet die gicht. – Henisch, 1605, 15; Petri, II, 686.
33. Wer dich richtet, ist dein Herr. – Eiselein, 528; Eisenhart, 512; Pistor., VII, 46; Simrock, 8454; Graf, 488, 50.
Das Sprichwort will sagen, dass der Richter zugleich des Beklagten Obrigkeit sei, weil ein Richter, der nicht auch das Recht besitzt, denjenigen zu zwingen, der sich seinen Anordnungen und Aussprüchen widersetzt, aufhört, Richter zu sein. Dies Sprichwort gilt auch von den Gutsherren, die auf ihren Dörfern mit der Erbgerichtsbarkeit versehen und deren Unterthanen zwar dem Landesherrn unterworfen waren, aber auch den Gutsherrn als ihren Erbherrn anerkennen mussten, hatte aber in bestimmten Verträgen seine begründeten Ausnahmen. Seit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Beseitigung der Feudalverhältnisse hat die gutsherrliche Machtstellung aufgehört. In Preussen wenigstens stehen alle Bürger unter dem Gesetz und sind vor diesem gleich, ob sie Herrschaften oder blos Schlafstellen besitzen.
34. Wer einmal gerichtet wird, ist danach immer gerichtet. – Graf, 479, 671.
Eine einmal endgültig entschiedene Sache kann nie wieder Gegenstand eines Rechtsstreits werden. (S. ⇒ Friedbann, ⇒ Kaiser und ⇒ Recht 311.)
Mhd.: War ainest gericht wirt, dar sol darnach allwegen gericht syn. (Grimm, I, 359.)
35. Wer selbst richten will, soll den Kaiser belehren, warum er das Gericht verlor. – Graf, 424, 106.
Aus der Zeit, in der Selbsthülfe bereits bei Strafe verboten war.
Mhd.: Wer selber richten will der sal den keiser bescheiden, warumb er daz gerichte virlorn habe. (Endemann, I, 35 [34].)
36. Wer wil richten eyn andern man, soll vor sich selber sehen an. – Werdea, Ciij.
Ein rabbinischer Spruch sagt: Richte nicht deinen Nächsten, bis du dich in seine Lage versetzt hast: Al tudin ess Chawejroch ad schetagia li-Mekojmoj. (Aboth.)
Lat.: Cum fueris censor, primum te crimine purga, ne tua te damnent facta nefanda reum. (Ow. Monost.) (Seybold, 100.)
*37. Er kan sich weder dreyn noch drauss richten. – Aventin, XXVIIIb.
*38. Er richtet den Schragen gegen den Markt.
Der kluge Krämer.
Buchempfehlung
Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.
88 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro