Europa [2]

Europa [2]

[704] Europa, der kleinste der fünf Erdtheile, mit einer Ober, fläche von 180,000 ! M., ist aber der wichtigste durch Bildung seiner Bewohner, durch weise Staatsverfassungen, durch Bevölkerung und historische Erinnerungen. Fast alle wichtigen Erfindungen sind von Europäern gemacht, nirgend blühen Wissenschaften und Künste so herrlich und kühn durchschifft der Europäer alle Meere. Der größte Theil E.'s gehört der gemäßigten Zone, nur ein kleiner Theil der nördl. kalten Zone an. Das Festland reicht vom 36–72° nördl. Breite und vom 6–83° östl. Länge von Ferro. Die äußersten Punkte des Festlandes sind im S. die Vorgebirge Tarifa in Spanien und Matapan in Griechenland, im W. das Cabo da Roca in Portugal, wenn wir Irland als Insel ausschließen, im N. das Cap Nord-Kyn in Norwegen (da der absolut nördlichste Punkt, das Nordcap, auf einer Insel liegt), und im O. ein Theil des nördlichsten Uralgebirges in Rußland. Auf drei Seiten vom Meere umgeben, hängt es nur auf der Ostseite mit Asien zusammen, wo die Grenze unbestimmt ist, weil man in Rußland, zu welchem diese Seite gehört, keine Trennung zwischen den zu E. und zu Asien gehörenden Theilen macht. Die neuesten Geographen pflegen die Grenze längs dem Uralgebirge, dem Uralflusse und dem kasp. Meere hinlaufen zu lassen; Andere nehmen außer jenem Gebirge den Don und das asowsche Meer als Grenze an. Die Gewässer, welche E. umgeben, gehören theils dem nördl. Eismeere, theils dem atlant., theils dem mittell. Meere an. Das nördl. Eismeer bespült nur den nördlichsten Theil von Norwegen und senkt sich südl. in Rußland ein, wo es das weiße Meer bildet; auch kann man die Waigatzstraße zwischen Novaja-Semlja und dem russ. Festlande noch hierher rechnen. Das atlant. Meer bildet die westl. Grenze E.'s und dringt zum Theil tief in das Innere ein. Theile davon sind: das skandinav. Meer zwischen Norwegen, Island und den schot. Inseln; die Nordsee, zwischen Norwegen, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden; die irländ. See; der Kanal; das Meer von Biscaya. Ferner dringt es zwischen Dänemark und Schweden ins innere E. ein und bildet hier das Kattegat, die drei Meerengen: Sund, den großen und kleinen Belt, die Ostsee oder das balt. Meer und den bottnischen, finnischen und rigaischen Busen. Das mittelländ. Meer hängt durch die Straße von Gibraltar mit dem atlant. zusammen und seine Theile sind: die Meerbusen von Lyon und Genua; das tyrrhenische Meer zwischen der Halbinsel Italien und den Inseln Corsica, Sardinien und Sicilien; das ion. Meer zwischen Italien und Griechenland mit dem Meerbusen von Tarent; das adriat. Meer, der Archipel, die Dardanellenstraße, das Meer von Marmora, der Bosphorus oder die Straße von Konstantinopel, das schwarze Meer, die Straße von Feodosia oder Kassa und das asowsche Meer.

Ganz Osteuropa ist ohne Gebirge und zwischen den Karpaten und Sudeten auf der einen und dem uralischen Gebirge auf der andern Seite liegt eine ungeheure Ebene, die nur durch unbedeutende Erhöhungen unterbrochen wird, deren wichtigste, das sogenannte Waldaigebirge, nur eine Höhe von 1200 F. hat. So geht es fort bis zum Ural, der sich in einer Länge von 300 M. an den Marken der beiden Erdtheile hinzieht und bis zu 6400 F. hinansteigt. Dagegen ist Süd- und Westeuropa desto gebirgiger und wir können [704] hier vier Gebirgssysteme unterscheiden: das kaukasische, das skandinavische, das großbritannische und das südeuropäische. Das kaukasische zieht sich von Südost nach Nordwest, beginnt an der Westküste des kasp. Meeres, geht nach der Nordostküste des schwarzen über, längs derselben hin und setzt endlich nach der Halbinsel Taurien (Krim) über. Der Kaukasus ist eins der wildesten Gebirge, voll zerrissener Schluchten und schauerlicher Abgründe und fällt gegen N. sehr schroff ab. Seine höchsten Spitzen sind der Elborus von 15,400 F., der höchste Punkt in E., und der Kasbeck mit 14,400 F. Das skandinav. Hochland hat eine Länge von fast 200 M.; das Gebirge zieht sich theils zwischen Schweden und Norwegen hin und sendet Seitenzweige nach dem östl. und westl. Meere, theils erstreckt es sich über den südl. Theil beider Länder mit seinen Bergzügen und erhebt sich über 8000 F. Am unbedeutendsten ist das großbrit. Gebirgssystem, das sich meist über Schottland und Wales verbreitet und nur einige Zweige nach England sendet. Es zeichnet sich in Nordschottland durch seine wilden Formen und romantischen Schönheiten aus und erreicht nur im Ben Newis die Höhe von 4100 F. Die wichtigsten, ausgebreitetsten Gebirge befinden sich in Mittel-, Süd- und Südwesteuropa, also in Deutschland, Frankreich, der pyren. Halbinsel, Helvetien, Italien, Ungarn, Siebenbürgen, Bosnien, Slavonien, Kroatien, Dalmatien, der Türkei und Griechenland. Alle Gebirge dieses südeurop. Hochlandes hängen zusammen, oder sind nur durch breite Flußthäler voneinander geschieden. Man pflegt sie in zwei lange Gebirgszüge, einen nördlichern und einen südlichern, zu theilen; angemessener aber scheint die Eintheilung in zwei Gebirgssysteme, deren erstes die span, franz., die nord- und mitteldeutschen, ungarischen und siebenbürg. Gebirge enthält. Diese reichen mithin von den Gewässern des atlant. Meeres bis an das Ende der Karpaten in Siebenbürgen und werden von den Gebirgen des zweiten Gebirgssystems durch die Thäler der Saone, der untern Rhone und der Donau getrennt. Die höchsten Spitzen derselben befinden sich in den Pyrenäen, wo die Maladetta eine Höhe von 10,700 F. erreicht. Beiweitem höher sind die Spitzen der Gebirge des zweiten Systems, der Alpen, Apenninen und Gebirge der Türkei und Griechenlands, welches an dem linken Ufer der Saone und untern Rhone beginnt, die Donau nördl. läßt und erst an den Ufern des schwarzen Meeres und im Archipel endigt. Seine höchsten Spitzen liegen in den Alpen und die höchste, der Montblanc von 14,700 F., steht dem Elborus im Kaukasus nur um 700 F. nach.

E. ist vorzüglich gut bewässert, sodaß es nur wenige Gegenden gibt, die wegen Mangel an Wasser und bei vorherrschendem Sandboden des Anbaues unfähig sind. Selbst das flache Tiefland im östl. E. ist von großen und kleinen Flüssen reichlich durchzogen. In das Eismeer strömt: die Petschora, in das weiße Meer: die Dwina; in das Becken des balt. Meeres: die Düna, der Niemen, die Weichsel und Oder; in die Nordsee: die Elbe, die Weser, der Rhein, die Maas, die Schelde, die Themse; in den Kanal: die Seine; in das atlant. Meer: die Loire, Garonne, der Duero, der Tajo, die Guadiana und der Guadalquivir; in die Gewässer des mittelländ. Meeres: der Ebro, die Rhone, der Arno, die Tiber; ins adriat. Meer: die Etsch und der Po; ins schwarze Meer: die Donau, der Dniestr und Dniepr; ins asowsche Meer: der Don; ins kaspische Meer: die Wolga und der Ural. Die größten Seen sind: der Saima-, der Onega-, der Ladoga-, der Peipussee in Rußland; der Mälar-, Wener- und Wettersee in Schweden; der Boden-, Vierwaldstädter- und Genfersee in Helvetien; der Lago maggiore, Lago di Como und Lago di Garda in Italien; der Neusiedler- und Plattensee in Ungarn.

Das Klima ist in E. im Allgemeinen gesund, aber nach der nördlichern oder südlichern Lage der Länder sehr verschieden. Während in den nördlichsten Gegenden der Winter 8–9 Monate währt und ohne Frühling und Herbst plötzlich zum kurzen Sommer übergeht, weder Obst noch Getreide fortkommt und selbst der Mensch im steten Kampfe mit der Natur weniger Fähigkeiten zeigt, spürt man in den südlichsten kaum die kurze Winterzeit; selten gibt es hier Eis und Schnee, überall zeigt sich der üppigste Pflanzenwuchs, die Bäume werden zum Theil nie entlaubt, erzeugen herrliche Früchte und der Mensch kann seine Kräfte frei entwickeln. Zwischen beiden liegt aber das gesundeste Klima: ein mäßiger Winter, erträgliche Sommerhitze und ein oft reizender Frühling und Herbst. Merkwürdig bleibt jedoch, daß E. eine mildere Luft hat als Asien und Nordamerika unter gleicher Breite. Die Producte wechseln sehr nach der verschiedenen Lage und sind im Ganzen nicht so mannichfaltig, als in Asien und Amerika; dagegen sind manche Thiere und Pflanzen aus andern Erdtheilen nach E. übergesiedelt worden und nun einheimisch. An nützlichen Mineralien ist es sehr reich und liefert es auch wenig Gold und nicht reichlich Silber, so gibt es desto mehr Kupfer, Blei, Zink, Zinn und besonders Eisen im Überfluß; auch fehlt es nicht an Quecksilber und Halbedelsteinen. Salz, sowol Quell- als Steinsalz, ist reichlich vorhanden; ebenso Steinkohlen, Salpeter, Alaun, Vitriol, Schwefel, Marmor und verschiedene andere Mineralien; besonders ist der Reichthum von Mineralquellen zu rühmen. Der Süden bringt Wein, Südfrüchte, selbst Zuckerrohr, Oliven, Baumwolle und andere südl. Pflanzen hervor. In Mitteleuropa ist Überfluß an Getreide, Obst und Wein; im Norden dagegen treffliches Holz, selbst zum Schiffbau, und wo die Bäume nicht mehr gedeihen wollen, hat die Natur für Torf gesorgt. Fast in ganz E. sind die Hausthiere dieselben: Pferde, Schweine, Rinder, Schafe, zum Theil mit sehr veredelter Wolle, Ziegen mehr in den südl. Gegenden, ebenda auch Esel; in Italien Büffel. Wilde Schafe finden sich nur auf Corsica und Sardinien; Auerochsen nur noch wenige in Rußland; Steinböcke in den ital. Alpen; Affen blos auf dem Felsen von Gibraltar; Hirsche, Rehe, Hafen, wilde Schweine sind aber fast überall verbreitet. Rennthiere und Elenthiere gibt es nur im höchsten Norden, wo auch wildes Geflügel, besonders Wasservögel, in Menge haust; andere wilde Thiere aber, als Bären, Wölfe, Vielfraße, Luchse, werden immer seltener. Die Bienenzucht ist in einigen Ländern sehr bedeutend, Seidenbau wird nur in den südl. Gegenden im Großen betrieben.

Die auf 230 Mill. geschätzten Einwohner sind sehr ungleich vertheilt; am wenigsten sind einzelne Theile von Rußland und der Norden von Schweden und Norwegen bewohnt. Der Abstammung nach können wir die Einwohner [705] in folgende Classen theilen: 1) Germanen, zu denen außer den Deutschen auch die Dänen, Norweger, Schweden, Niederländer und Isländer gehören. 2) Keltische Völker: die Kimren in Wales, die Bretons in der Bretagne, die Bergschotten, die Bewohner der Inseln bei Schottland und die Irländer. 3) Die Nachkommen der alten Iberer: die Basken im span. Navarra und in Biscaja. 4) Die Slawen: Russen, Polen, Czechen, Mähren, Slowaken, Slawonier, Kroaten, Bosnier, Serbier, Bulgaren, Wenden, Kassuben. 5) Lettische Völker: Letten, Lithauer, Kuren. 6) Albaneser oder Arnauten. 7) Mongolische Völker: Finnen, Lappen, Samojeden, Esthen, Liven, Baschkiren, Kalmücken, Permier, Wogulen, Tscheremissen, Wotjäken, Tschuwaschen und die Stämme an den Grenzen des europ. und asiat. Rußlands. 8) Griechen. 9) Tatarische Völker: Tataren, Türken und die Bewohner des Kaukasus, Tscherkessen, Ossäten, Lesgier und andere. 10) Wlachen, wahrscheinlich röm. Abkömmlinge. 11) Armenier. 12) Juden. 13) Zigeuner. 14) Vermischte Nationen: Engländer, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Italiener, in denen german., röm., kelt., selbst arab. Blut vermischt ist.

Die herrschende Religion ist die christliche. Die Bekenner derselben gehören theils zur röm.-katholischen, theils zur griech., theils zur evangelischen Kirche. Die Evangelischen wieder bekennen sich theils zum lutherischen, theils zum reformirten Glauben, theils haben sich beide Kirchen vereinigt oder unirt. Die anglikanische Kirche in England steht der lutherischen, die presbyterianische in Schottland der reformirten nahe. Außer diesen Hauptkirchengemeinschaften gibt es mehrere Sekten, wie die Brüdergemeine, Mennoniten, Quäker, Unitarier, Methodisten und andere, die meist in England und in den Niederlanden gefunden werden; armen. oder morgenländ. Christen leben in der Türkei, die Türken selbst aber sind Bekenner der mohammedan. Religion. Zur Mosaischen Religion bekennen sich die in den meisten europ. Ländern zerstreut lebenden, etwa 2 Mill. Juden. Unter den Samojeden und Finnen gibt es noch einzelne Heiden und die Kalmücken sind Bekenner der lamaischen Religion.

Die zu E. gehörenden Staaten sind: Rußland, Frankreich, Östreich, das brit. Reich, der preuß. Staat, Spanien, Portugal, Neapel und Sicilien, Sardinien, der Kirchenstaat, das Königreich Schweden mit Norwegen, das Königreich Dänemark nebst Island und den Faröern, das Königreich der Niederlande mit Luxemburg, Belgien, die Republik der ionischen Inseln, Griechenland, die Türkei, die Staaten des deutschen Bundes, das Großherzogthum Toscana, das Herzogthum Parma, das Herzogthum Modena, das Herzogthum Lucca, die Republik S.-Marino, Helvetien, die Republik Krakau.

Die Europäer sind den Bewohnern der andern Erdtheile an Ausbildung des Verstandes, an Kenntnissen, in der Industrie und im Handel beiweitem überlegen. Nirgend werden die Wissenschaften und Künste so angebaut, nirgend sind die Fabriken zu dem Grade der Vollkommenheit gebracht worden. Vor allen Andern zeichnen sich die Deutschen, Engländer, Franzosen und zum Theil die Italiener aus. So wie E. im Alterthum die Keime der Bildung aus Asien erhalten, so hat es in den vier letzten Jahrhunderten die Früchte davon nach allen andern Erdtheilen getragen. Der Handel E.'s geht nach allen bekannten Gegenden der Erde und man findet selbst im Innern Afrikas, bei den Wilden Amerikas und der Südseelinseln, sogar bei den ganz abgeschiedenen Eskimos europ. Fabrikate. Die Küsten E.'s sind umkränzt mit einer Kette von Handelsstädten, durch deren Vermittelung dir Erzeugnisse der Natur und Kunst unaufhörlich ausgeführt und die fremden Waaren eingebracht werden. Mit Eifer werden die Wissenschaften und Künste gepflegt und Universitäten kann man gegen 90 rechnen; gelehrte Gesellschaften und Kunstakademien und Vereine gibt es unzählige. Selbst die Türken, die bisher der europ. Cultur fremd blieben, haben in der neuesten Zeit große Fortschritte in der Civilisation gemacht.

Allegorisch dargestellt wird E. als Jungfrau mit dem Brustbilde der Minerva neben sich oder mit einem Helm, den eine Sphinx ziert; um sie herum werden europ. Erfindungen angebracht und man gibt ihr ein Schild, auf dem die Entführung der Königstochter Europa (s.d.), von der unser Erdtheil den Namen hat, abgebildet ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 704-706.
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