Jerusalem

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[494] Jerusălem, die alte, von Christen, Juden und Mohammedanern als heilig verehrte Stadt, ist schon in den ältesten Zeiten gegründet worden.

Einst hieß sie Salem, d.h. Friede, und 2000 v. Chr., zur Zeit Abraham's, wird Melchisedek als ihr König genannt. Nachher gehörte dieselbe den Jebusitern, bis sich 1500 v. Chr. die Hebräer, als sie das Land der Verheißung eroberten, auch ihrer bemächtigten und sie dem Stamme Benjamin zugetheilt wurde. Von den Jebusitern soll die Stadt den Namen Jerusalem, d.h. Antlitz des Friedens, erhalten haben und später mögen die Jebusiter nochmals die Stadt behauptet haben, denn David eroberte dieselbe und erbaute auf dem gleichnamigen Berge die Burg Zion. Salomon ließ den prachtvollen Tempel Jehova's erbauen und trug auch übrigens Vieles zur Verschönerung der Stadt bei, welche Hauptstadt des Reichs Juda blieb. Als solche hatte sie mehre Belagerungen und Eroberungen auszustehen. Die Ägypter eroberten sie zur Zeit des Rehabeam, die Araber zur Zeit des Joram, die Syrer zur Zeit des Joas, die Israeliten zur Zeit des Amazias, die Ägypter abermals 611 v. Chr. zur Zeit des Josias. Zuletzt nahm Nebukadnezar 586 v. Chr. die Stadt ein, zerstörte sie gänzlich und führte die Juden in die babylonische Gefangenschaft, aus welcher sie nach 70 Jahren von Cyrus entlassen wurden. Sie beeilten sich, die heilige Stadt und den Tempel unter Leitung ihrer Hohenpriester Esra und Nehemia wieder aufzubauen. Auch Alexander der Große soll, wie die Juden erzählen, aber in Frieden, nach I. gekommen sein. Gewiß ist, daß einer der Nachfolger Alexander's, nämlich Ptolemäus, der Sohn des Lagus, I. eroberte und viele vornehme Juden nach Alexandrien abführte. Antiochus der Große brachte I. unter die Herrschaft der syrischen Könige, bis es sich unter den Makkabäern befreite und nun wieder eigne Könige hatte, endlich aber den Römern 64 v. Chr. erlag. Zwar hatte es noch dem Namen nach eigne Könige, aber da die Juden wiederholte Versuche machten, sich von den Römern unabhängig zu machen, so fand ihre Hauptstadt endlich den Untergang. Vespasian eroberte Galiläa, und nachdem er Kaiser geworden und nach Rom zurückgekehrt war, griff sein Sohn Titus I. an, welches so befestigt war, daß es wohl hätte Widerstand leisten können, wenn seine Bewohner nicht sich selbst durch Parteikämpfe den größten Schaden gethan hätten. Obschon nun Hunger, Pest und Parteisucht im Innern der Stadt wütheten, so waren die Belagerten doch darin einig, daß sie sich bis aufs Äußerste vertheidigen wollten, und nahmen keine der Friedensvorschläge des Titus an. Nur Stück für Stück konnten die Römer die Stadt erobern, am 5. Aug. im I. 70 n. Chr. wurde von ihnen der Tempel in Brand gesteckt. Über eine Million Juden soll bei der Eroberung und Zerstörung I.'s umgekommen sein. Immer aufs Neue strebten die unterdrückten Juden nach Freiheit und unternahmen es, I. wieder aufzubauen. Da vernichtete endlich Kaiser Hadrian 118 n. Chr. die letzten Überreste der alten Stadt und erbaute eine neue, welche Älia Capitolina genannt und nur mit Heiden bevölkert wurde. Auch nachmals haben die Juden noch vergebliche Versuche zum Wiederaufbau des Tempels gemacht. I. blieb unter der Herrschaft der morgenländischen Kaiser. Konstantin der Große, welcher zuerst unter denselben sich zum Christenthume bekannte, und seine Mutter Helena vernichteten aus Frömmigkeit die heidnischen Denkmäler zu I., suchten Reliquien aus der Zeit, in welcher Jesus zu I. gelebt und gelitten, und bauten christliche Kirchen. Der [494] Kaiser Julian ging mit dem Plane um, den alten Tempel wiederherzustellen, soll jedoch durch Ausbruch unterirdischen Feuers an der Ausführung desselben verhindert worden sein. Im I. 614 wurde I. durch den pers. König Kosroes erobert, kam zwar 628 wieder in die Hände des Kaisers Heraklius, wurde aber 637 eine Beute des arab. Khalifen Omar.[495] Die Araber mußten nachher die Stadt an die Turkmannen abtreten. Gegenstand neuer Kämpfe wurde die Stadt, als die Abendländer den frommen Gedanken faßten, nicht länger die Stadt, in welcher das Grab des Erlösers ist, in den Händen der Ungläubigen zu lassen, und daher die berühmten Kreuzzüge unternahmen. Gottfried von Bouillon mit andern berühmten Heerführern (s. Kreuzzüge) eroberte 1099 die heilige Stadt und wurde der erste Beherrscher des christlichen Königreichs Jerusalem, welches bis 1187 bestand. Seit dieser Zeit haben die Türken die Oberherrschaft über I. behauptet, 1833 aber wurde dasselbe mit ganz Syrien dem Vicekönige von Ägypten, Mohammed Ali, übergeben, dessen Sohn, Ibrahim Pascha, die Leitung der Angelegenheiten Syriens übernommen und mit fortwährenden Aufständen zu kämpfen hat. Der griech. und lat. Name des alten I. ist Hierosolyma, der neuere Soliman. Die Araber nennen sie Elkods, die Türken Kudsi-Cherif, d.h. die Heilige.

Die heilige Stadt bietet gegenwärtig von außen und innen ein trauriges Bild der Zerstörung dar. Die Europäer gelangen gewöhnlich von Jaffa (dem alten Joppe) aus nach I. und müssen die schlechtesten Wege zurücklegen, indem nach dieser Seite hin I. von einer felsigen Einöde umschlossen wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß das gegenwärtige I. die Lage des alten einnimmt, doch sind die Angaben über die aus der heiligen Geschichte bekannten Orte sehr zweifelhaft und gewiß nur theilweise richtig. Die Berge Sion, Akra, Moria und Calvaria bestimmen die Loge der Stadt.

Dieselben bilden einzelne Erhebungen auf einer größern Hochebene, auf der I. liegt, das auf drei Seiten von einem zu, sammenhängenden Thale eingeschlossen wird. Gegen Osten liegt das Thal Josaphat, durch welches der Bach Kidron strömt und die Stadt von dem Ölberge trennt. In Süden und Westen ziehen sich die Thäler Hinnon und Gihon hin. Auf der Nordseite erstreckt sich eine Ebene und nur nach dieser Seite zu kann das alte I. eine andere Begrenzung gehabt haben, als das neue. Dieses hat ungefähr eine Stunde im Umfange und wird von etwa 20,000 Menschen bewohnt, welche größtentheils Mohammedaner, fast ebenso viele Christen (Katholiken, Griechen, Armenier und Kopten) und Juden sind. Eine hohe Mauer umgibt sowol die ganze Stadt, als auch einzelne Gebäude, denn die christlichen Klöster sind gleichsam befestigt, um die etwaigen Angriffe der Ungläubigen abzuwehren, welche jeder der nicht seltenen Aufstände mit sich zu bringen pflegt. In alten Zeiten hatte I. zwölf Thore, die neue Stadt hat deren nur sechs. Ein siebentes haben die Mohammedaner zugemauert, weil nach einer unter ihnen gangbaren Sage der Feind und Zerstörer ihres Glaubens durch dasselbe seinen Einzug halten soll. Die Straßen I.'s sind krumm und schmuzig und die Häuser sind aus Sandsteinen gebaut und haben im Erdgeschosse keine Fenster. Nur die Cypressen, welche hier und da angepflanzt sind, die Minarets der Moscheen und die Thürme der christlichen Kirchen erheben einigermaßen den einförmigen Eindruck, welchen die Stadt hervorbringt. Am reinlichsten und freundlichsten ist der Stadttheil, welchen die [496] Armenier bewohnen, am schmuzigsten derjenige, in dem die Juden hausen, welche in großer Verachtung und Dürftigkeit leben. Auf dem Platze, den einst der Tempel einnahm, steht die 637 gegründete, vorstehend abgebildete Moschee Omar's, El Haram, die sich durch Schönheit auszeichnet und aus mehren türk. Gebethäusern besteht. Die Hauptpforte wird durch acht korinthische Säulen getragen und im Innern, welches von keinem Nichtmohammedaner betreten werden darf, zeigt man als Heiligthum einen halbrunden, schwarzen Stein, Sakra-Kalah, den die Mohammedaner für den Schemel Mohammed's ausgeben, von welchem der Prophet gen Himmel gestiegen sein soll. Die Christen behaupten dagegen, es sei der Stein, auf welchen Jakob das Haupt gelegt hatte, als er im Traume die Himmelsleiter erblickte. Die Moschee erhebt sich nur wenig über die Fläche der Straße und ist von einem mit Bäumen bepflanzten Vorhofe umgeben, welcher den einzigen schönen Spaziergang innerhalb I.'s gewährt. Das Hauptgebäude ist achteckig, 400 F. lang und 360 F. breit und von außerordentlicher Schönheit und Pracht. Als die Kreuzfahrer I. eroberten, wurde hier unter den Mohammedanern ein fürchterliches Blutbad angerichtet und die Moschee nachher zu einer christlichen Kirche gemacht. Saladin gab ihr nach einer feierlichen Reinigung ihre frühere Bestimmung wieder. Das wichtigste Gebäude für die Christen ist die Kirche des heiligen Grabes (s. Grab, heiliges), welche die Orte umfaßt, an denen Christus gelitten hat. Außer den erwähnten gibt es in I. noch eine große Anzahl von Moscheen und Kirchen. Den Franken (abendländischen Christen) gehört nur das Franziskanerkloster San-Salvador, in welchem Christen von jedem Glaubensbekenntnisse gastlich aufgenommen werden. An dessen Stelle soll vordem das Haus Joseph's gestanden haben. Man zeigt hier drei Säulen, bei denen der Erzengel der Maria erschienen sein soll, als er ihr die Geburt des Messias verkündigte. Eine dieser Säulen haben die Türken zerschlagen, weil sie verborgene Schätze in ihr zu finden hofften. Ferner zeigt man in der Kapelle hinter dem Altar die Höhle der Sicherheit, in welcher sich Joseph und Maria nach der Heimkehr aus Ägypten verborgen haben sollen. Die Griechen, welche sich überhaupt durch Reichthum und Pracht auszeichnen und dadurch den Katholiken den ersten Rang in der Behauptung der heiligen Orte streitig gemacht haben, besitzen außer dem großen sogenannten griech. Kloster noch 13 Kirchen. Von den armen. Klöstern soll das »zum Gefängniß Christi« auf dem Berge Zion auf dem Platze stehen, an dem sich einst das Haus des Kaiphas befand. In einem andern armen. Kloster werden 1000 Zimmer zur bequemen Beherbergung christlicher Pilger bereitgehalten. In der Nähe der Kirche des heiligen Grabes haben auch die koptischen, syrischen und abyssinischen Christen verschiedene Klöster und Versammlungshäuser. Da, wo auf Zion die Burg David's steht, erblickt man jetzt den Thurm der Pisaner, ein Gebäude, welches wahrscheinlich von pisanischen Rittern zur Zeit der Kreuzzüge erbaut wurde und ein im goth. Style aufgeführtes Fort mit fünf Thürmen bildet. Außer in den Kirchen und an den heiligen Orten ist I. wenig belebt. Alle Gewerbe liegen darnieder und nur die Weber und Pantoffelmacher sind von einiger Bedeutung. Eine Haupterwerbsquelle bilden die Reliquien, Heiligenbilder, Rosenkränze, Amulete u.s.w., welche in Menge verfertigt und verkauft werden. Besonders um Ostern ist der Zudrang der christlichen Pilger in I. sehr groß. Die Juden kommen gern nach I., um hier in der Stadt ihrer Väter zu sterben, da, wo nach ihrem Glauben die Posaune des Weltgerichts ertönen wird. Einen ähnlichen Glauben haben auch die Mohammedaner, welchen I. nach Mekka und Medina die heiligste Stadt ist, und dieselben zeigen in der Nähe des oben erwähnten vermauerten Thors einen aus der Mauer vorragenden Stein, auf welchem Mohammed am Tage des Gerichts sitzen wird.

Nicht weniger Merkwürdigkeiten, als das Innere der Stadt, bieten deren Umgebungen dar, von denen wir nur einige der bedeutendsten anführen wollen. Jenseit des Thals Hinnon liegt der Schuldberg und seitwärts von demselben zeigt man den Blutacker, auf welchem sich der Verräther Judas erhing. Unter verschiedenen Grabhöhlen in dem Abhange gegen das Thal Hinnon zeichnet sich eine dadurch [497] aus, daß sie nicht für mehre, sondern nur für Einen Leichnam eingerichtet ist. Ein großer Stein, bestimmt den Eingang zu verschließen, ist hinweggerollt. Einige haben dieses Grabmal für das echte Grab des Heilands gehalten. Wandert man im Thale Hinnon hinab, so kommt man zu der umstehend abgebildeten Quelle Siloa am Abhange des Berges Zion. Ihr klares, aber unangenehm schmeckendes Wasser kommt aus dem Felsen, wird dann von einem Becken aufgenommen und ergießt sich endlich in das Thal; man schreibt demselben noch jetzt heilsame Wirkungen zu. Am Fuße des Ölbergs trifft man den Bach Kidron und in der Nähe zeigt man eine Grotte, welche für die Gruft der Maria, ihrer Mutter Anna und Joseph's ausgegeben wird. Überschreitet man den Bach, so gelangt man zu dem Garten Gethsemane am Fuße des Ölbergs, in dem man nur noch einige hohe und alte Ölbäume zeigt, welche noch aus der Zeit Jesus stammen sollen, daher man aus ihrem Holze Kreuze, aus ihren Fruchtkernen Rosenkränze macht und das von ihnen gewonnene Öl sehr hochschätzt. Der Platz, an welchem Judas seinen Herrn durch einen Kuß verrieth, ist zum Theil mit einer niedrigen Mauer umgeben. Auf dem Gipfel des Bergs hat man einen schönen Überblick über I. und die Umgegend und findet daselbst auch noch Überreste der von der heiligen Helena erbauten Kirche. Im Thale Josaphat, welches den Ölberg von dem Moria scheidet, sind sehr viele, zum Theil sehr alte Grabmäler, wenn sie auch schwerlich den Personen zugehören, welchen sie zugeschrieben werden. Hier sieht man das zum Theil aus dem Felsen gearbeitete Denkmal Absalon's (s. David), das in den Felsen gehauene Grab Josaphat's, das Grab Zacharia's und andere. Nicht minder merkwürdig sind die in den Felsen gearbeiteten Todtenkammern auf der Nordwestseite der Stadt. Dieselben haben zum Theil einst Thüren gehabt, welche gleichfalls von Stein waren und in steinernen Zapfen sich bewegten. Auch die Sarkophage sind von Stein. Überall sind schöne in Stein gehauene Verzierungen angebracht. Diese schönen Grüfte werden die Gräber der Könige von Juda genannt und sind hier abgebildet, scheinen aber einer spätern Zeit anzugehören. In einer größern Entfernung von der Stadt zeigt man auch die minder schönen Gräber der Richter. In der Nähe der nördl. Stadtmauer kommt man zu einer prachtvollen Grotte, in welcher der Prophet Jeremias um I. getrauert haben soll.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 494-498.
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