Jerusalem [1]

[793] Jerusalem (Gesch.). Die ersten geschichtlichen Einwohner J-s waren wahrscheinlich die Jebusiter (s.d.), die sie 50 Jahre nach Melchisedek, welcher[793] der Stadt angeblich den Namen Salem gegeben hatte, eingenommen haben sollen. Sie bauten auf dem Berg Zion die Burg Jebus, gewöhnlich aber nannten sie dieselbe J. (d.h. Wohnung des Friedens. od. friedlichen Besitz, Friedenseigenthum, od. die hehre Salem). Als die Israeliten Kanaan einnahmen, regierte in Jebus der König Adoni Zedek; zwar wurde derselbe gefangen u. getödtet, allein die Stadt, welche dem Stamme Benjamin zugewiesen war, vermochte Josua nicht zu erobern. Erst später bemächtigte sich der Stamm Benjamin u. der Stamm Juda des untern Theils derselben; die obere, am stärksten befestigte, eroberte erst König David, der nun seine Residenz von Hebron nach J. verlegte u. die feste Burg daselbst, nach ihm Stadt Davids od. Zion genannt, bewohnte. In der Verschönerung der Stadt folgte Salomo seinem Vater David, bes. indem er den Tempel errichten ließ u. so J. zum Mittelpunkt des jüdischen Gottesdienstes erhob. Nach der Trennung der beiden Reiche blieb J. Haupt- u. Residenzstadt des Königreichs Juda. Unter Rehabeam 975 v. Chr. wurde J. vom ägyptischen König Sisak erobert u. der Tempel geplündert; 826 geschah Gleiches von dem Könige Joas von Israel, der ein großes Stück Mauer niederreißen ließ; derselbe verließ aber die Stadt bald wieder u. sie wurde von Usia, Jotham u. Hiskia mehr befestigt, so daß sie unter Hiskia der König Sanherib von Assyrien vergebens belagerte. Erst unter Manasse wurde sie von den Assyrern eingenommen. Aber Manasse befestigte sie, nachdem er wieder frei geworden war, bes. an der Westseite noch mehr. Endlich wurde J. von Necho, König von Ägypten, 610 v. Chr. u. dreimal von Nebukadnezar erobert, welcher es zuletzt 588 völlig zerstörte u. das israelitische Volk in die Gefangenschaft abführte, s. Hebräer (Gesch. IV.). Nachdem Kyros den Juden die Erlaubniß zur Rückkehr in ihr Vaterland gegeben hatte, bauten diese Stadt u. Tempel wieder auf. Dennoch erlitt J. in einem Zeitraum von fünf Jahrh. fünf verschiedene Verwüstungen; zuvor war es von Alexander dem Großen besetzt, dann durch Ptolemäos Lagi, 318 v. Chr., u. Antiochus Epiphanes, der sie einmal durch Belagerung einnahm, 174 v. Chr., das andere Mal aber überfallen ließ. Seit 182 wurde J. wieder Sitz der Makkabäer. Bei den Thronstreitigkeiten der letzten Makkabäer nahm Pompejus der Große, welcher den Hyrkanos gegen Aristobulos begünstigte, 64 v. Chr. J. ein u. ließ die Mauern niederreißen, die jedoch nach einigen Jahren wieder aufgebaut wurden. Pakoros, ein parthischer Fürst, nahm J. für den Antigonos, Aristobuls Sohn, 38 v. Chr. ein; doch eroberte es Herodes mit römischer Hülfe unter Sosius 37 v. Chr. wieder. Nun unterhielten die Römer eine Besatzung in der Burg Antonia u. suchten dadurch J. im Zaum zu halten. Nach Herodis Tode suchte 3 n. Chr. Sabinus, Legat des Präfecten Verus, sich der königlichen Schätze zu bemächtigen, schlug die auf diese Nachricht bei J. in drei Lagern sich versammelnden Juden u. plünderte den Tempel, u. als ihn hier die Juden einschlossen, entsetzte ihn der Präfect Verus. Damals war J. wieder, trotz der früheren Zerstörungen, zu großer Pracht u. Herrlichkeit gestiegen. Nachdem inzwischen Palästina römische Provinz geworden war, u. die Juden eine Empörung erregt, die Burg gestürmt u. die Belagerung nieder gemacht hatten, wurde J. von den Römern unter Titus 70. n. Chr. erobert u. verbrannt (s. Hebräer VI.). Der Sieger liest den Pflug über die Trümmer der Stadt u. des Tempels gehen u. behielt blos drei Thürmen u. einen Theil der Mauer, die er zur Befestigung des Lagers benutzte, bei. Zwar wurde J. 118 vom Kaiser Hadrianus als Älia Capitolina, doch lange nicht in der ehemaligen Größe, wieder aufgebaut, nachdem die von Titus gelassenen Reste nach einer abermaligen Empörung der Bewohner zerstört worden waren, den Juden aber bei Todesstrafe untersagt, die neue Stadt zu betreten. Zu Anfang des vierten Jahrh. kam J. durch Constantin den Großen u. seine Mutter Helena wieder in christliche Hände. Die heidnischen Altäre wurden umgestürzt u. überall christliche errichtet; Helena baute auch die Kirche des Heiligen Grabes, s. Jerusalem (Geogr.). Kaiser Julian versuchte den alten jüdischen Tempel wieder herzustellen, allein nach der Sage vertrieben Flammen, welche aus den Grundmauern hervorbrachen, die Arbeiter. J. blieb nun unter der Herrschaft der römischen, später nach der Theilung des Reichs der byzantinischen Kaiser, bis es 615 von dem Perserkönig Khosroes erobert wurde. Heraklius bekam es zwar 628 zurück, jedoch wurde es schon 638 vom Khalifen Omar wieder genommen u. blieb nun in der Gewalt der Muhammedaner. Indessen gestatteten diese den Christen, die Heiligen Orte zu besuchen, ja der Khalif Harun al Raschid soll 807 dem Kaiser Karl dem Großen die Stelle des Heiligen Grabes geschenkt haben. Indessen hatten die Christen doch viele Plackereien, vorzüglich von den Turkmanen, die sich J-s bemächtigt hatten, zu dulden.

Die Kreuzfahrer eroberten 15. Juli 1999 unter Gottfried von Bouillon J., u. es wurde nun die Residenz des neuen Königthums J. So lange Gottfried von Bouillon, lebte, welcher jedoch aus Demuth den Titel als König nicht annahm, blühte das Reich; sein Nachfolger Balduin I. (1100) nahm zuerst den königlichen Titel an. Ziemlich glücklich in seinen Bestrebungen, die Reste Syriens zu erobern, unternahm er auch einen Streifzug nach Ägypten, kam aber auf demselben um. Da er keine Kinder hatte, so wählten nach seinem Tode 1118 die Großen seinen Bruder Eustach III., Grafen von Boulogne; während aber Gesandte zu diesem gingen, um ihm die Wahl zu verkündigen, wählten Andere, wegen seiner zarten Jugend, an seiner Stelle Balduins Vetter, Balduin II. Eustach war zwar schon in Apulien, kehrte aber auf diese Nachricht von dort nach Hause zurück. Mehr fromm als Krieger, war Balduin II. dennoch in unzählige Kämpfe verwickelt, in deren einem, wo er Joscelin von Edessa aus der Gefangenschaft befreien wollte, er 1122 von dem Emir Balak gefangen wurde. Erst nach eidlicher Versprechung. eines ungeheuern Lösegeldes erhielt er 1124 die Freiheit, ließ sich jedoch sogleich seines Eides entbinden. Er war auch später stets in Kriege verwickelt u. st. 1131. Unter ihm geschah 1119. die Stiftung der Tempelherren u. 1118 die Reorganisation od. Erweiterung der Johanniter. Sein Nachfolger war sein Eidam, Graf Fulco (V.) von Anjou; er wies die Anmaßungen mehrer Vasallen, welche sich vom Königreiche losreißen wollten, tapfer zurück, eroberte Cäsarea, befestigte Beerseba, schlug die Ungläubigen mehrmals u. starb 1144. Von seinen Söhnen folgte ihm zuerst Balduin III.[794] unter der Vormundschaft seiner Mutter Melisenda. Er befreite sich 1151 von den Beschränkungen der Vormundschaft, siegte 1152 bei J. über Nureddin, Sultan von Aleppo, eroberte Askalon, wurde 1157 bei der Jakobsführt am Jordan von Nureddin geschlagen, besiegte diesen aber wieder bei Putaha, erhielt durch die Heirath mit Theodora, Tochter des griechischen Kaisers Manuel, einen mächtigen Bundesgenossen, sorgte in den letzten ruhigen Jahren für Befestigung seines Landes im Innern u. st. 1162 zu Tripolis in Syrien ohne Erben. Ihm folgte sein Bruder Almarich I. Durch einen Krieg mit dem ägyptischen Sultan verlor er J., aber zweimal verjagte er den mächtigen Schirkuh von Ägypten, eroberte Pelusium u. belagerte Kairo, mußte aber, von Nureddin gedrängt, seine Vortheile wieder aufgeben. Saladin, Schirkuhs Nachfolger, fiel in Palästina u. Nureddin in Antiochien ein, aber Almarich widersetzte sich beiden muthig; er st. 1173. Sein unmündiger Sohn Balduin IV., Anfangs unter der Vormundschaft Raymunds III., Grafen von Tripolis, focht. selbst gegen Saladin glücklich u. drängte ihn nach Ägypten zurück; Saladin rückte indessen von Neuem vor, schlug die Christen am Jordan, u. da Balduin in Folge des Aussatzes blind geworden war u. das Heer nicht mehr anführen konnte, setzte er seinen Schwager, Guido von Lusignan, 1182 zu seinem Stellvertreter ein. Da dieser aber nichts gegen Saladin vermochte, so übertrugen die Großen Raymund die Regentschaft. Dieser schloß Waffenstillstand mit Saladin, u. bevor die Feindseligkeiten wieder ernstlich ausbrachen, st. Balduin 1185. Da er nicht geheirathet hatte, so setzte er seinen Neffen Balduin V., Sohn Wilhelms von Montferrat u. seiner Schwester Sibylle, zum Nachfolger ein; dieser überlebte aber seinen Oheim nur sieben Monate. Guido wurde nun durch List seiner Gemahlin Sibylle u. durch die Intriguen der Tempelherrn zum König ernannt. Eine Fehde mit dem Grafen von Tripolis veranlaßte ihn, Saladin zu Hülfe zu rufen; als dieser aber über die Templer eine Hauptschlacht gewonnen hatte, schloß Raymund mit Guido Frieden u. stellte sich gemeinschaftlich mit ihm gegen Saladin. In der Schlacht bei Hittin 1187 wurde Guido geschlagen u. gefangen u. dann den 2. Oct. J. von den Ägyptiern eingenommen. Guido wurde vom Saladin gütig behandelt u. sogar gegen das eidliche Versprechen, seine Krone niederlegen zu wollen, freigelassen. Befreit hielt er seinen Eid jedoch nicht, sondern nahm den Titel als König wieder an u. belagerte Ptolemais. Später trat er das Königreich J. an Richard Löwenherz, König von England, gegen das Königreich Cypern ab, das er aber, weil der König von England letzteres schon früher den Templern geeignet hatte, von diesen kaufen mußte. Auf die Nachfolge machte auch Anspruch Elisabeth (Isabelle), Tochter Almarichs I. u. Gemahlin Humfrieds, Herren von Thoron, dann Konrads v. Montserrat, Herrn von Tyros, der sie zur Scheidung von jenem genöthigt u. selbst geheirathet hatte, um König zu werden; doch da er sich auf die Seite des Königs Philipp August von Frankreich wendete, verhinderte König Richard von England die Krönung u. ernannte 1192 Heinrich von Champagne, den dritten Gemahl der Elisabeth, zum König der den Christen in Palästina gebliebenen Besitzungen. Doch wollte dieser den Titel als König nicht annehmen, u. da er 1196 starb, so wurde Almarich II. (Emmerich) v. Lusignan, König von Cypern, als vierter Gemahl Elisabeths Titularkönig von J. Aber weder er (st. 1205), noch sein Nachfolger, Johann von Brienne, vermochten J. wieder zu erobern. Johann st. 1237 u. hatte die Ansprüche auf J. mit seiner Tochter Jolante dem Kaiser Friedrich II. übergeben. Dieser eroberte J. 1229 wieder, behauptete es indessen nur kurze Zeit, indem es schon 1244 von dem Sultan von Babylon wieder erobert wurde, u. 1292 ging mit Ptolemais auch der letzte Rest der europäischen Besitzungen in Palästina verloren. Doch führten von da die deutschen Kaiser den Titel als Könige von Jerusalem. 1382 bemächtigten sich die cirkassischen Mamluken J-s. 1517 eroberte J. der türkische Sultan Selim I., u. sein Sohn u. Nachfolger gab derselben 1534 die jetzige Ringmauer; es blieb von der Zeit an der Pforte unterworfen. Mehrmals war es Schauplatz innerer Unruhen u. Kämpfe u. wurde 1832–40 von den Truppen Mehemed Alis, Vicekönigs von Ägypten, besetzt. J., schon früher der Sitz eines christlichen Patriarchen, wurde 1841 auch Sitz eines evangelischen Bischofs, s. Jerusalem (Bisthum).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 793-795.
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