Freiburg [2]

[56] Freiburg (F. im Üchtland), Hauptstadt des schweizer. Kantons F. (s. oben), liegt, von Mauern und Türmen malerisch umschlossen, innerhalb einer Halbinsel der tief eingeschnittenen Saane und ist Knotenpunkt der Eisenbahnlinien Bern-Lausanne, F.-Yverdon und F.-Murten. Über dem untern, ärmern, meist von Deutschen bewohnten Teil in 548 m Höhe erheben sich stufenweise auf dem linken Steilufer die mittlere und obere französische Stadt bis 631 m, durch enge Gassen, Treppen und eine Drahtseilbahn verbunden, bis zum Bahnhof u. den neuen Stadtvierteln. Saane u. Gotteronschlucht werden von 2 Drahtseilbrücken überspannt, wovon die tiefere, 1830–34 errichtete 265 m lang und 51 m hoch, die höhere 180 m lang und 75 m hoch ist.

Stadtwappen von Freiburg (Schweiz).
Stadtwappen von Freiburg (Schweiz).

Die Stadt, mit zahlreichen Klöstern und Kirchen, wird überragt von der gotischen St. Nikolauskirche (unvollendeter Turm 76 m) mit einer 1834 von Moser vollendeten berühmten Orgel. Andre Sehenswürdigkeiten sind das Rathaus (16. Jahrh.), das neue Postgebäude, mehrere Patrizierhäuser, die 1841 gepflanzte Murtener Linde, Denkmäler des Jesuiten Peter Canisius u. des Pädagogen Pater Girard (gest. 1850), in der Umgebung der Bahnviadukt von Grandfey und die in Felsen gehauene Einsiedelei Ste. – Madeleine. Die Stadt zählt (1900) 15,739 Einw., wovon 86 Proz. katholisch sind und 61 Proz. französisch reden. Sie ist der Sitz der Kantonsbehörden, des Gymnasiums und der Industrieschule (St.-Michael), der Universität mit katholisch-theologischer, philosophischer, juristischer und naturwissenschaftlicher Fakultät (letztere in der Vorstadt Perolles) mit (1901) 345 Studierenden. Vgl. F. Buomberger, F. und seine Umgebung (1894).

Geschichte der Stadt und des Kantons Freiburg.

Gleich den übrigen Gebieten der Westschweiz gehörte auch dasjenige des jetzigen Kantons F. nacheinander zum römischen, burgundischen, fränkischen, neuburgundischen und endlich zum Deutschen Reich. Herzog Berchtold IV. von Zähringen, Rektor von Burgund, legte in dem Üchtland (Land Ogo) an der Saane auf der deutsch-romanischen Sprachgrenze den Grund zu der Stadt F., der er die Rechte des von Berchtold III. gegründeten F. im Breisgau gewährte. Dieselbe war 1178 vollendet und blühte rasch auf; allein da sie nicht, wie die Schwesterstadt Bern, auf [56] Reichs-, sondern auf zähringischem Allodialgrund lag, fiel sie nach dem Aussterben der Zähringer (1218) als Erbe an die Grafen von Kyburg, die ihr 1249 die älteste erhaltene »Handfeste« erteilten. Die beiden Städte verbanden sich schon 1243 durch ein ewiges Bündnis; als jedoch F. 1277 durch Kauf an Rudolf von Habsburg überging, trat zwischen ihnen eine Entfremdung ein. Wiederholt verband sich F. mit dem burgundischen Adel gegen Bern und wurde von letzterm am Dornbühl 1298 und bei Laupen 1339 geschlagen. Zusehends lockerte sich aber das Band, das die von bernischem und savoyischem Gebiet umgebene Stadt an Österreich knüpfte, und nachdem sie im alten Zürichkrieg von diesem den Angriffen Berns und Savoyens preisgegeben worden war (1448), übergab sie sich 1452 an die Herzoge von Savoyen. Als Verbündete Berns nahm F. an den Burgunderkriegen Anteil und wurde 1477 aus der savoyischen Untertänigkeit entlassen, worauf es 22. Dez. 1481 in die Eidgenossenschaft aufgenommen wurde. Gleich den übrigen Schweizer Städten hatte es sich ein Gebiet geschaffen, dessen Entstehung im einzelnen unbekannt ist. Der Reformation zeigte es sich feindselig, was es nicht verhinderte, 1536 bei der Eroberung der Waadt durch Bern Teile dieses Landes an sich zu reißen. 1555 gewann es durch den Bankrott des Grafen den größten Teil der Grafschaft Greyerz. Außerdem besaß es mit Bern gemeinschaftlich die Herrschaften Schwarzenburg, Murten, Granson, Orbe und Echallens. Der Bischof von Lausanne nahm infolge der Reformation der Waadt seinen Sitz in F. 1580 fanden die Jesuiten Aufnahme in der Stadt, die durch Pater Canisius ein Mittelpunkt der europäischen Gegenreformation wurde. F. nahm auch teil am Borromeischen und spanischen Sonderbündnis der katholischen Orte (1586–87). Am frühesten von allen Schweizer Städten bildete sich in F. ein geschlossenes Patriziat, indem der Große Rat 1627 alle damals nicht in seinem Schoß vertretenen Familien von der Regimentsfähigkeit ausschloß. Ein Aufstand des Landvolks unter dem Greyerzer Chenaux wurde mit Hilfe bernischer Truppen unterdrückt (Mai 1781) und Demonstrationen der Stadtbürgerschaft zugunsten der Rechtsgleichheit innerhalb der Stadtmauern mit Verbannung ihrer Urheber bestraft (Juli 1782).

Beim Einbruch der Franzosen in die Schweiz 1798 ergab sich F. ohne Widerstand, ohne dadurch seine Zeughäuser und Staatskassen vor Plünderung bewahren zu können. Die Mediationsakte von 1803 erhob es zu einem der sechs Direktorialkantone und gab ihm eine repräsentativ-demokratische Verfassung. Nach dem Einrücken der Verbündeten stellte jedoch im Januar 1814 der zur Mehrheit aus Patriziern bestehende Große Rat die alte Aristokratie wieder her mit der Modifikation, daß der Große Rat neben 108 Patriziern auch 36 Vertreter der nichtpatrizischen Bürgerschaft und der Landschaft zählen sollte. Anfänglich zeigte sich indes die neue Regierung dem geistigen Fortschritt geneigt und unterstützte den trefflichen Pater Girard in seinen Bestrebungen, das Schulwesen des Kantons zu heben. Allein 1818 berief der Große Rat mit 69 gegen 48 Stimmen die Jesuiten, die 1823 die Schließung der Schulen Girards durchsetzten und durch Gründung eines großen Kollegiums F. zu einer Metropole des Ultramontanismus machten. 1830 ging von dem protestantischen Murten das Verlangen nach einer Revision der Verfassung aus, und durch eine drohende Volksdemonstration eingeschüchtert, willigte das Patriziat in die Berufung eines Verfassungsrats, dessen Werk eine auf allgemeine Rechtsgleichheit gegründete Vertretung herstellte und 24. Jan. 1831 ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde. Durch die Bewegung hatte eine gemäßigt-liberale Partei die Oberhand erhalten, die aber 1838 wieder von der Jesuitenpartei vom Ruder verdrängt wurde. Jetzt schloß sich F. den übrigen ultramontanen Kantonen aufs engste an, und 9. Juni 1846 beschloß der Große Rat nach erregten Verhandlungen, die zuerst die Existenz des Sonderbundes öffentlich in der Schweiz bekannt machten, den Beitritt zu diesem. Ein Aufstand der liberalen Bezirke Murten, Estavayer und Bulle wurde mit Waffengewalt unterdrückt (6. Jan. 1847). Im Sonderbundskrieg wurde das isolierte F. von Dufour zuerst angegriffen und kapitulierte nach kurzem Gefecht schon 14. Nov. 1847. Nach dem Einzug der eidgenössischen Truppen setzte eine Versammlung im Theater eine provisorische Regierung ein, welche die Jesuiten vertrieb, ihre Güter einzog und von dem neuen, unter dem Eindruck des Krieges in freisinnigem Geist bestellten Großen Rat bestätigt wurde. Um die Kriegskosten zu bestreiten, hob dieser die Klöster auf, belastete die Urheber des Sonderbundes mit einem Zwangsanlehen von 1,600,000 Fr. und setzte ohne Volksabstimmung eine neue Verfassung in Kraft, die direkte Wahlen einführte, den Primärschulbesuch für obligatorisch und unentgeltlich erklärte, die Immunitäten der Geistlichkeit und (zuerst in der Schweiz) die Todesstrafe abschaffte. Durch ihre antiklerikale Tendenz geriet die neue Regierung in Konflikt mit dem Bischof Marilley, und die Ultramontanen suchten sie 24. Okt. 1848 durch einen Aufstand zu stürzen, worauf Truppen von Bern und Waadt den Kanton besetzten; Marilley wurde verhaftet, von den Diözesanständen (F., Genf, Bern, Neuenburg, Waadt) entsetzt und als Verbannter nach Frankreich gebracht. Inzwischen gründete der Große Rat aus dem konfiszierten Vermögen der Klöster eine Irrenanstalt, ein Greisenasyl, eine Rettungsanstalt, ein Arbeitshaus, ein Kantonspital. Dennoch vermochte sich das im Widerspruch mit der Volksmehrheit befindliche liberale Regiment nicht zu befestigen. Wohl wurden drei neue Putschversuche der Klerikalen (4. Okt. 1850,22. März 1851 und 22. April 1853) vereitelt und mit Verbannung der Urheber bestraft; aber desto glücklicher waren jene in den Wahlen. Schon 1854 gehörte den Ultramontanen die ganze Vertretung des Kantons im Nationalrat an, und Eisenbahninteressen veranlaßten 1855 die Liberalen, zur Wahl zweier Führer derselben in den Staatsrat die Hand zu bieten. 1856 wurde dem Bischof Marilley die Rückkehr gestattet. Unmittelbar darauf erlangten die Ultramontanen bei der Erneuerung des Großen Rats einen vollständigen Sieg, und eine neue, 24. Mai 1857 vom Volk angenommene Verfassung trug den Wünschen der Kirche Rechnung. Aus der Regierung wurden alle Liberalen entfernt, das Dekret über die Aufhebung der Klöster zurückgenommen und die Jugendbildung aufs neue in die Hände des Klerus gelegt. 1868 wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Die Bundesrevisionen von 1872 und 1874 verwarf der Kanton mit großer Mehrheit, ebenso mit wenigen Ausnahmen die seither zur Abstimmung gekommenen Bundesgesetze. Infolge der unbedingten klerikalen Parteiherrschaft petitionierte der protestantische Bezirk Murten bei der Bundesversammlung 1870 um Trennung von F. und Anschluß an Bern, wurde jedoch abgewiesen. 1890 gründete der Kanton F. eine vom Papst approbierte international-katholische Hochschule, an der die wichtigsten Lehrstühle den Dominikanern übertragen[57] wurden. F. ist der einzige Kanton der Schweiz, der noch eine rein repräsentative Verfassung hat, die 1874 und 1894 nur in unwesentlichen Punkten geändert wurde und weder Referendum noch Initiative kennt. Vgl. Kuenlin, Der Kanton F. (St. Gallen 1834) und Dictionnaire géographique, statistique et historique du canton de Fribourg (Freib. 1832, 2 Bde.); Werro, Recueil diplomatique du canton de Fribourg (das. 1839–77, 8 Bde.); Bercht old, Histoire du canton de Fribourg (das. 1841–52, 3 Bde.); Raemy, Mémoires pour servir à l'histoire du canton de Fribourg 1796 á 1866 (Basel 1869, Bd. 1); Esseiva, Freiburg, die Schweiz und der Sonderbund (deutsch, Freib. 1884); Daguet, Histoire de la ville et seigneurie de Fribourg, bis 1481 (das. 1891); Büchi, Freiburgs Bruch mit Österreich, sein Übergang an Savoyen und sein Anschluß an die Eidgenossenschaft (das. 1897); Dellion, Dictionnaire historique et statistique des paroisses catholiques du canton de Fribourg (das. 1888ff.); »Mémorial de Fribourg« (das. 1854–59, 6 Bde.); »Archives de la Société d'histoire du canton de Fribourg« (das. 1850ff.); »Étrennes Fribourgeoises« (das. 1865ff.); »Fribourg artistique à travers les âges« (das. 1890ff.); »Freiburger Geschichtsblätter« (das. 1894ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 56-58.
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