[840] Kepler, Johannes, der Entdecker der Gesetze der Planetenbewegung, geb. 27. Dez. 1571 zu Weil der Stadt in Württemberg als Sprößling des herabgekommenen schwäbischen Adelsgeschlechts der Kappel, gest. 15. Nov. 1630 in Regensburg, besuchte seit 1584 die Klosterschule in Adelberg, seit 1586 die in Maulbronn und studierte seit 1589 in Tübingen Theologie. Wesentlichen Einfluß auf sein späteres Leben übte hier Mästlin (s. d.), von dem er die erste Kenntnis der Kopernikanischen Lehre erhielt. Da seine vom orthodoxen Dogma abweichenden religiösen Ansichten ihm eine Anstellung im Kirchendienst in Württemberg erschwerten, nahm er 1594 die Stelle eines Landschaftsmathematikus der protestantischen Stände von Steiermark an, mit der das Lehramt für Mathematik und Moral am Provinzialgymnasium in Graz verbunden war. Während er hier durch das Eintreffen verschiedener Prophezeiungen, die er, nach der Sitte der Zeit, dem von ihm veröffentlichten Kalender beigegeben, bei der großen Menge rasch in den Ruf eines ersten Astrologen kam, begründete er gleichzeitig seinen wissenschaftlichen Ruf durch das 1596 u. d. T.: »Prodromus dissertationum cosmographicarum, continens mysterium cosmographicum de admirabili proportione coelestium orbium etc.« veröffentlichte tiefsinnige Werk, in dem er zuerst den während seines ganzen Lebens von ihm festgehaltenen Gedanken entwickelte, daß in unserm Planetensystem eine bestimmte Harmonie nachweisbar sein müsse. Insbesondere suchte er hier mit Hilfe der regulären Körper (vgl. Polyeder) die Fragen zu beantworten, warum es nur die sechs damals bekannten Planeten gebe, und welchem Gesetz ihre Entfernungen folgen. Durch dieses Werk wurde K. mit Tycho Brahe bekannt, dem er 1601 als Gehilfe nach Prag folgte, als durch die Aufhebung der Religionsfreiheit in Steiermark (1598) seine Stellung in Graz eine schwierige geworden war. Nach Brahes Tode 1601 wurde K. Mathematikus und Hofastronom des Kaisers Rudolf II. und hatte nun vor allem die Berechnung neuer Planetentafeln mit Benutzung der von Brahe ausgeführten Beobachtungen zu besorgen. K. untersuchte zunächst die Bewegung des Planeten Mars, dessen Bahn eine ziemlich bedeutende Exzentrizität besitzt und den Brahe sehr genau[840] beobachtet hatte. Nach zahlreichen, außerordentlich mühsamen Versuchen fand er die beiden ersten der nach ihm benannten Gesetze der Planetenbewegung (s. Planeten), die er 1609 in seinem Hauptwerk »Astronomia nova, seu Physica coelestis tradita commentariis de motibus stellae Martis« (Prag) veröffentlichte. Zwei Jahre später erschien in Augsburg seine »Dioptrice« (Neudruck in Ostwalds Klassikern, Leipz. 1904), die eine Theorie der Linsen und die Prinzipien des astronomischen Fernrohrs enthält. Inzwischen gestalteten sich die äußern Verhältnisse Keplers sehr trübe: zu der Geldnot, in die er geraten, weil die kaiserliche Kasse ihm seinen Gehalt nie regelmäßig auszahlen konnte, gesellte sich noch der Verlust von Frau und Kind, endlich 1611 die Absetzung des Kaisers Rudolf II. Unter diesen Umständen trat K. in die Dienste der oberösterreichischen Landstände und siedelte 1612 nach Rudolfs II. Tode nach Linz über, um an der dortigen Landschaftsschule Mathematik zu lehren, die Landesaufnahme zu revidieren und seine Planetentafeln zu vollenden. Bei allen diesen Arbeiten behielt er das Ziel, das er sich in seinem »Mysterium cosmographicum« gestellt, unverrückt vor Augen und suchte insbes. eine Beziehung zwischen den Geschwindigkeiten oder Umlaufszeiten der Planeten aufzufinden. Die mannigfachsten Versuche wurden gemacht und selbst die harmonischen Verhältnisse nach Weise der Pythagoreer mit herangezogen; so wollte K. gefunden haben, daß sich die Geschwindigkeiten im Aphel und Perihel beim Saturn und Jupiter wie 4: 5, beim Mars aber wie 2: 3 verhalten, entsprechend den Schwingungszahlen bei der großen Terz und Quinte, und daraus schloß er nun, daß jeder Planet in seiner Bahn ein musikalisches Intervall durchlaufe, u. dgl. Endlich, im März 1618, kam er auf das richtige Gesetz, und 15. Mai war es, nach Beseitigung eines Rechenfehlers, festgestellt. Es wurde als das dritte der drei Gesetze der Planetenbewegung 1619 in der Schrift »Harmonices mundi libri V« veröffentlicht. Nachdem K. 1620 und 1621 längere Zeit in seiner Heimat verweilt hatte, um seiner in einen Hexenprozeß verwickelten hochbejahrten Mutter beizustehen, und 1622 vom Kaiser Ferdinand II. nach längerm Zögern in seinem Amt als kaiserlicher Mathematikus bestätigt worden war, vollendete er die neuen Planetentafeln, seinem Gönner Rudolf II. zu Ehren »Tabulae Rudolphinae« genannt, deren Druck aber bei der Leere der kaiserlichen Kassen nur langsam vorschritt und erst 1627 in Ulm vollendet wurde, wohin sich K. wegen der nun auch in Oberösterreich eingetretenen Protestantenverfolgung zurückgezogen hatte. Die äußern Verhältnisse Keplers waren inzwischen nach wie vor drückende geblieben. Nachdem er die kaiserliche Hofkammer vergeblich um Auszahlung seiner auf 12,000 Gulden angewachsenen Gehaltsrückstände gedrängt hatte, wurde er vom Kaiser an Wallenstein verwiesen und ging deshalb zu diesem 1628 nach Sagan. Allein Wallenstein hieß K. wohl als Astrologen willkommen, verhalf ihm aber nicht zu seiner Forderung, und so entschloß sich K., nachdem er eine ihm angebotene Professur in Rostock abgelehnt, im Herbst 1630 über Leipzig nach Regensburg zu reisen, um dort auf dem Reichstag seine Ansprüche geltend zu machen. Hier langte er 9. Nov. an, erlag aber nach wenigen Tagen den Anstrengungen der Reise. Der Fürst von Dalberg ließ ihm 1808 in Regensburg ein Monument setzen; 1870 ward ihm ein solches (von Kreling) auch in Weil errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Naturforscher I«.
Von Keplers Schriften sind noch zu erwähnen: »Ad Vitellionem paralipomena, quibus astronomiae pars optica traditur« (Frankf. 1604); »Ephemerides novae motuum coelestium« (Linz 1616); »Epitomes astronomiae Copernicanae libri I-VII« (Linz u. Frankf. 161822); »De cometis libelli III« (Augsb. 161920); »Somnium, s. Opus posthumum de astronomia sublunari« (Sagan u. Frankf. 1634; hrsg. von S. Günther: »Keplers Traum vom Mond«, Leipz. 1898). Die Herausgabe seiner ungedruckten Werke unternahm Hansch zu Anfang des 18. Jahrh., doch erschien von den in Aussicht gestellten 20 Foliobänden nur ein einziger: »Keplers Briefe« (1718), und die Manuskripte wurden 1778 von der Kaiserin Katharina II. von Rußland angekauft, der Akademie zu St. Petersburg geschenkt und befinden sich jetzt auf der Sternwarte zu Pulkowa. Eine vorzügliche Gesamtausgabe von Keplers Werken lieferte Chr. Frisch (»Kepleri opera omnia«, Frankf. 1858 bis 1872, 8 Bde.); die darin nicht enthaltene Korrespondenz mit Herwart v. Hohenburg gab Anschütz in den Sitzungsberichten der Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaft heraus (Prag 1886). Vgl. v. Breitschwert, Johann Keplers Leben und Wirken (Stuttg. 1831); Brewster, Lives of Galileo, Tycho de Brahe and K. (8. Aufl., Lond. 1874); Reitlinger, Neumann und Gruner, Joh. K. (Stuttg. 1868); Apelt, Joh. Keplers astronomische Weltansicht (Leipz. 1849); Reuschle, K. und die Astronomie (Frankf. 1871); Göbel, Über Keplers astronomische Anschauungen (Halle 1872); v. Hasner, Tycho Brahe und K. in Prag (Prag 1872); Dvorsky, Neues über K. (das. 1880); Schuster, Joh. K. und die großen kirchlichen Streitfragen seiner Zeit (Graz 1888); Günther, Joh. K. und der tellurisch-kosmische Magnetismus (in Pencks »Geographischen Abhandlungen«, Bd. 3, Wien 1888) und dessen Biographie Keplers im 22. Bande der »Geisteshelden« (Berl. 1896); Herz, Keplers Astrologie (Wien 1895); Pixis, K. als Geograph (Münch. 1898); A. Müller (S. J.), Joh. K., der Gesetzgeber der neuen Astronomie (Freiburg 1903); L. Günther, K. und die Theologie (Gießen 1905).