Geldern [2]

[103] Geldern (Gesch.). Die ersten Bewohner G-s (s.d. 1) waren Sicambrer u. Bataver; unter der fränkischen Herrschaft wurde es zu Austrasien geschlagen, u. die Könige ließen es durch Präfecten regieren diese warfen sich in der Folge zu erblichen Herren auf. Als erster Graf von G. wird Otto I. genannt, der 1074 seinem Vater Gotschalk, Präfecten von G. u. Zütphen, folgte; 1079 erhob Kaiser Heinrich IV. G. zu einer Grafschaft. Nach Anderen geschah diese Erhebung erst unter Gerhard I., welcher 1085–1117 regierte, dessen Sohn Gerhard II. (bis 1141) heirathete Ermgard, die Erbin der Grafschaft Zütphen; dadurch wurde G. u. Zütphen vereinigt u. diese beiden Grafschaften bildeten[103] fortan den Kern des nachmaligen Herzogthums G. Auf Gerhard folgte dessen Sohn Heinrich I. bis 1177 (1178), dessen Sohn Gerhard III. (bis 1183) führte eines Lehens wegen mit dem Bischof von Utrecht Krieg, welchen Kaiser Friedrich I. zu seinen Gunsten beilegte Sein Bruder Otto II. erwarb 1187 von Utrecht die Provinz Betuwe u. begleitete 1189 den Kaiser Friedrich I. auf seinem Kreuzzuge. 1202 begann er wieder mit Utrecht Krieg, wurde aber vom Herzog von Brabant gefangen u. erst nach dem Versprechen, Vasall von Brabant zu werden, 1203 freigelassen, worauf er bald starb. Sein Sohn Gerhard IV. stand seinem Schwiegervater, Herzog Heinrich I. von Brabant, gegen den Bischof von Lüttich bei, wurde aber von diesem 1213 bei Steppe geschlagen; als er dem Bischof Otto II. von Utrecht gegen dessen empörte Unterthanen zu Hülfe kam, wurde er in der Schlacht bei Coevörden 1226 verwundet u. gefangen, bald aber wieder losgelassen u. st. 1229. Sein Sohn Otto III. der Hinkende befestigte mehrere Städte, gab denselben Privilegien zur Beförderung des Handels u. fing an, die Leibeigenschaft der Bauern aufzuheben. Dafür, daß er die Partei des als Gegenkönig aufgestellten Wilhelm von Holland gegen Friedrich II. nahm, erhielt er Nijmegen. 1263 wurde er Mitvormund des Grafen Florens V. von Holland u. st. 1271. Sein Sohn Reinhold I. der Kriegerische machte seine Ansprüche auf das Herzogthum Limburg gegen den Grafen Adolf von Berg geltend, trat aber sein Recht 1288 an den Grafen Heinrich IV. von Luxemburg ab. Ein großer Theil von Deutschland u. Frankreich nahm für u. wider Partei; in der Schlacht bei Woeringen 5. Juni 1288 wurde der Graf von Luxemburg geschlagen u. getödtet, Reinhold I. gefangen, nach Paris gebracht u. erst im October 1289, nachdem er allen Ansprüchen auf Limburg entsagt hatte, wieder in Freiheit gesetzt. 1290 erhielt er vom Kaiser Rudolf I. die Verwaltung von Ostfriesland u. begleitete 1310 den Kaiser Heinrich VII. nach Italien; 1320 wurde er von seinem Sohne Reinhold, der sich gegen ihn empört hatte, gefangen u. starb 1326 im Gefängniß. Reinhold II. begleitete 1327 den Kaiser Ludwig den Baiern nach Italien u. stand dann dem Bischof Adolf von Lüttich gegen seine empörten Unterthanen bei. 1334 kam er wegen der Schirmvogtei von Mecheln mit dem Herzog von Brabant in einen kurzen Krieg u. 1336 schlug er die rebellischen Friesen; 19. März 1339 erhob ihn Kaiser Ludwig der Baier zum Herzog von G. u. deutschen Reichsfürsten u. trat ihm Ostfriesland ganz ab; bei seinem Tode, 1343, hinterließ er einen zehnjährigen Sohn, Reinhold III., der unter der Vormundschaft des Grafen Adolf II. von der Mark stand. Diese vormundschaftliche Regierung benutzten die Städte G., um ihre Freiheiten u. Macht zu befestigen u. zu erweitern, u. 1350 bildeten sich in G. zwei Parteien, die Heckerschen u. die Bronkhörsts, so genannt nach ihren Häuptern. Der Herzog schloß sich an die Bronkhörsts, sein Bruder Eduard an die Heckerschen an, u. zehn Jahre dauerten die blutigen Händel. Am 25. Mai 1361 wurde des Herzogs Partei bei Tiel von Eduards Anhängern geschlagen u. der Herzog selbst gefangen in das Schloß Nienbeck gebracht. Eduard bemächtigte sich der Regierung u. unterdrückte die Parteien, wurde aber, als er dem Herzog Wilhelm von Jülich gegen den Herzog Wenzel von Brabant zu Hülfe zog, am 22. August 1371 bei Bastweiler tödtlich verwundet u. starb zwei Tage darauf kinderlos. Nun wurde Reinhold III. wieder zur Regierung berufen, aber auch dieser st. schon im December 1371 u. hinterließ ebenfalls keine Kinder. Sogleich tauchten nun die Parteien der Heckerschen u. der Bronkhörsts wieder auf u. erklärten sich für Mathilde, Tochter Reinholds II. u. Wittwe des Grafen Johann I. von Cleve, die Bronkhörsts aber für Wilhelm von Jülich, den siebenjährigen Sohn Maria's, der Schwester der verstorbenen Herzöge Reinhold III. u. Eduard. Erst 1379 endigte dieser Streit (Geldernscher Erbfolgestreit) zu Gunsten des Letztern, u. 1383 wurde Wilhelm von Jülich als Herzog von G. vom Kaiser Wenzel belehnt. Der seinem Ausbruche nahe Krieg mit Brabant, Burgund u. Frankreich, wozu sich England mit Herzog Wilhelm verbunden hatte wurde durch seine Klugheit 1386 abgewendet; darauf zog der Herzog 1389 gen Preußen, um den Deutschen Orden zu unterstützen, u. 1390 nach Afrika, um dem Herzog von Bourbon gegen die Sarazenen beizustehen. 1393 erbte er das Herzogthum Jülich, führte von 1397–1399 Krieg mit Brabant u. st. 1402. Da er keine legitimen Kinder hatte, so folgte ihm sein Bruder Reinhold IV. Dieser nahm für Johann Herrn von Arkel Partei gegen Holland (1407) u. erhielt dafür 1409 Arkel abgetreten. Dadurch kam er wiederholt mit Holland in Fehde, die erst 1412 dadurch beendigt wurde, daß er Arkel an Holland gab. Als er 1423 starb, so folgte ihm, da auch er keine legitimen Kinder hinterließ, sein Großneffe Arnold von Egmont unter der Vormundschaft seines Vaters Johann Herrn von Arkel Obgleich ihn Anfangs auch Kaiser Sigismund als solchen bestätigte, so widerrief dieser doch diese Bestätigung 1425 u. ertheilte das Land dem Herzog Adolf von Berg u. Jülich. Dadurch entstand ein langjähriger Krieg, der 1437 von Philipp von Burgund durch die Entscheidung geendigt wurde, daß Arnold G. u. Adolf Berg u. Jülich behalten sollten. 1444 machte Arnold vergebliche Versuche, Jülich zu erobern, u. 1458 empörten sich mehrere Städte unter dem Beistand seines Sohnes Adolf gegen ihn. In Venlo wurde Adolf von seinem Vater gefangen genommen u. 1460 ins Gelobte Land geschickt, wo er bis 1463 blieb. Durch Verrath bemächtigte sich Adolf 1465 in Grave seines Vaters, führte ihn gefangen nach dem Schloß Buren u. ergriff die Zügel der Regierung. Karl der Kühne von Burgund suchte Sohn u. Vater zu versöhnen, u. da Adolf sich sehr ungeziemend benahm, so ließ Karl ihn verhaften, u. Arnold trat die Regierung wieder an. Aber da alle Städte, bis auf Ruremonde u. G. von ihm abgefallen waren, so verpfändete er G. gegen 92,000 Goldgulden an Karl von Burgund mit der Bestimmung, daß G. nach seinem Tode ganz an Burgund fallen sollte. Als nun Arnold 1475 gestorben war, nahm Karl das Land in Besitz u. brachte Adolfs Kinder an seinen Hof. Nach Karls des Kühnen Tode (1477) wurde Adolf aus der Gefangenschaft entlassen u. von den Gentern an die Spitze der Partei gestellt, welche Maria von Burgund zwingen wollte, ihn zu heirathen; aber Adolf fiel schon 22. Juni 1477 bei Worchum, u. nun blieb seine Gemahlin Katharina von Bourbon, Regentin von[104] G., stets auf der Auslieferung ihrer Kinder bestehend, die aber Marie standhaft verweigerte. Aber auch Wilhelm, Herzog Arnolds Bruder, machte auf die Regentschaft von G. Ansprüche; der Erzberzog Maximilian, Gemahl Marias von Burgund, erklärte sich für ihn, nahm aber, da G. sich theils für Wilhelm, theils für Katharina erklärte, das Land für sich in Besitz (1483). Maximilian hatte aber an Karl von Egmont, Sohn Adolfs, einen wichtigen Nebenbuhler. Dieser begleitete ihn 1485 auf seinem Feldzuge in den Niederlanden, wurde 1487 von den Franzosen gefangen, aber 1491 von König Karl VIII. von Frankreich den Geldernschen Ständen zum Herzog empfohlen. 1492 wurde ihm in Nijmegen gehuldigt, die Österreicher vertrieben u. er von ganz G. als Herzog anerkannt. Umsonst versuchte Maximilian, nachdem er Kaiser geworden war, 1494 u. 1497 G. wieder zu erobern; stets riefen ihn wichtigere Angelegenheiten nach Deutschland zurück, u. die Statthalter der Niederlande, der Erzherzog Philipp u. später Margarethe, hatten genug zu thun, sich Karls zu erwehren. 1507 drang er von Brabant u. Holland ein, eroberte 1511 Harderwijk u. Bommel, erschien 1512 vor Amsterdam u. eroberte 1514 Gröningen. An der Spitze seiner Schwarzen Banden, wie seine Armee hieß, blieb Karl unangefochten, bis ihn Karl V., welcher ganz Niederland inne hatte, zwang, am 5. October 1528 in dem Vertrage von Gorinchem G. u. Zütphen von ihm zu Lehn zu nehmen. Bis 1538 blieb er nun ruhig, da aber wollte er die Stände von G. bereden, den König von Frankreich als Oberherrn anzuerkennen. Diese dagegen zwangen ihn, das Land an den Herzog von Cleve, Wilhelm den Reichen, gegen eine Pension von 40,000 Fl. abzutreten. Karl st. noch in demselben Jahre. Wilhelm vereinigte seine Truppen mit den Franzosen u. focht glücklich, bis Karl V. selbst in die Niederlande kam u. ihn zu dem Vertrage vom 7. September 1543 zwang, in welchem er nochmals G. an ihn abtrat. So kam G. an Österreich.

Es scheint, daß man erst unter der Verwaltung des österreichischen Hauses begonnen hat, beide Landschaften unter dem allgemeinen Namen Geldernland zu begreifen, denn in allen Briefen u. schriftlichen Urkunden liest man immer G. u. Zütphen. Das Herzogthum Gelderland war damals in die vier Viertel Nijmegen, Roermonde, Zütphen u. die Veluwe od. Arnhem getheilt, u. eine von den Landschaften, welche im Jahr 1579 der Union von Utrecht beitrat, welche vom Graf Johann von Nassau, damals Statthalter dieser Provinz, so wie von den Edeln u. Abgeordneten der Städte von Gelderland u. Zütphen unterzeichnet wurde. Während des Dreißigjährigen Krieges gerieth das Viertel Roermonde, gewöhnlich Ober-Geldern genannt, in die Macht von Spanien, wie es auch im Westfälischen Frieden, 1648, diesem zuerkannt wurde, während die übrigen Viertel od. Unter-Geldern, nebst der Grafschaft Zütphen, unter dem Namen Gelderland eine Provinz der Republik der Vereinigten Niederlande ausmachte. Durch die Revolution des Jahres 1795 blieben der Provinz unter der Benennung von Departement ihre vorige Größe, Grenzen u. Namen, aber durch die des Jahres 1798 wurde der größte Theil davon, mit Hinzufügung von fast ganz Utrecht u. einem Theil von Südholland, das Rheindepartement, während der nördliche Theil des Viertels von Arnhem u. der südliche Theil des Viertels Nijmegen zu anderen Departements kamen. Die Staatsverfassung vom Jahr 1801 stellte das Departement Gelderland, mit Hinzufügung der Grafschaft Calemberg u. Buren, die früher besondere, unabhängig bestehende Landschaften gewesen, wieder her. Durch den am 23. Mai 1802 geschlossenen Tractat zwischen Preußen u. der Vatavischen Republik wurde dies Departement mit dem Grundgebiete von Zevenaar, Huissen, Malburg, Duiven, Hulhuipen vergrößert, u. andere hörige Ländereien durch genannten Tractat an die Niederlande abgetreten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 103-105.
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