Glarus [1]

[376] Glarus (franz. Glaris), 1) der siebente Schweizercanton, grenzt an die Cantone St. Gallen, Graubündten, Uri, Schwyz u. den Wallenstädter See; umfaßt 137/20 QM. u. besteht aus einem Hauptthale (das Groß- od. Linththal), dem Klein- od. Sernfthale, dem Klönthale u. einer Anzahl von größeren u. kleineren Seitenthälern. Die Gebirge des Cantons lassen sich in sechs Ketten unterscheiden: die Dödikette im südwestlichsten Theile, in dem Gebirgsstocke des Dödi 11,145 F., steht durch einen Ausläufer von wechselnder Richtung in Verbindung mit der Glaridenkette auf der Grenze gegen Uri, einer Fortsetzung der höchsten Urner Gebirge, der Kärpfstock (Freiberg) in der Mitte des südlichen Cantons, ebenfalls mit dem Dödi zusammenhängend; die kurze Scheyenkette, Ende der Glattenkette in Schwyz, benannt nach dem 7500 F. hohen Scheyen, dem Grenzstock zwischen Glarus, Uri u. Schwyz; der Glärnisch, nördlich an jene anschließend, in nordöstlicher Richtung verlaufend u. im Osten zusammen treffend mit dem breiten Mürtschenstocke. An diese sechs Ketten schließen sich noch einige kleinere Züge, wie im Westen der Wiggis, im Norden der Köpfenstock von 5260 F. u. der Hirzli von 5000 F. Höhe. Die Gewässer des Cantons gehören zum Gebiet des Rheins u. vereinigen sich in der Linth, die in nördlicher Richtung den ganzen Canton durchfließt, den Sernf u. aus dem Klönthale den Löntsch aufnimmt, sich in den Wallenstädter See ergießt, nach ihrem Austritt die Grenze zwischen G. u. St. Gallen bildet u. in ihrem Unterlauf kanalisirt ist. Von dem Wallenstädtër See gehört dem Canton etwa der vierte Theil an, außerdem umschließt er noch den Klönthaler See u. mehrere kleinere u. besitzt manches Heilwasser, worunter die Schwefelquelle bei Stachelberg ist. Das Klima ist rauher als in der ebenen Schweiz, Temperaturwechsel rasch u. häufig, vorherrschende Winde sind die Nordwinde u. der fast nur im Winter, aber mit äußerster Heftigkeit wehende Föhn; Erdbeben sind ziemlich häufig; Producte: Schiefer, bes. am Plattenberg, Gypslager am Weißmeilen; die Waldungen sind sämmtlich Gemeinde-, Tagwen- u. Privateigenthum; Gemsen, Hasen, Murmelthiere etc.; viel heilsame Kräuter werden gesammelt zur Bereitung des Glarner Thees, wie auch das Ziegerkraut zu Bereitung des Schabziegers; wenig Getreidebau, dagegen viel Kirschen, Obst, Pflaumen, Nüsse; die Viehzucht erzeugt Pferde, Rindvieh, Schafe, Ziegen u. Schweine; die Industrie liefert gedruckte baumwollene u. halbwollene Zeuge, Shawls, Tücher, Turbane, Garne etc., welche nach Italien, der Türkei, Nordafrika, Amerika u. selbst China ausgeführt werden; außerdem kommt zur Ausfuhr Schabzieger Käse,[376] der erwähnte Thee, Obst, Schiefertafeln u. Griffel etc. Zur Förderung des schwunghaften Handels dient die 1852 gegründete Bank, die Kanalisirung der Linth, die Zweigbahn von Glarus zu der schweizerischen Südostbahn; 30,200 Einw. von deutscher Abkunft, bieder, kräftig u. einfach, Protestanten, nur gegen 4000 sind Katholiken. Die im Jahr 1836 aufgestellte, 1842 revidirte, aber mit unbedeutenden Veränderungen bestätigte Verfassung ist rein demokratisch; alle Activbürger vom 18. Jahr an bilden die regelmäßig jährlich im Mai sich versammelnde Landesgemeinde, welche die souveräne Gewalt besitzt u. in 17 politische Gemeinden (Wahltagwen) getheilt, alle Beamten auf drei Jahre wählt mit der Bestimmung, daß während dieser Zeit keine Dimissionen eingereicht werden können; ihr zur Seite steht der aus 117 Mitgliedern bestehende dreifache Landrath, hauptsächlich mit der Bestimmung, die der Landsgemeinde vorzulegenden Gegenstände vorzubereiten. Die vollziehende Gewalt hat als oberste Behörde den ans 45 Mitgliedern u. für die besonderen Verwaltungszweige in Commissionen getheilten Rath, in minder wichtigen Geschäften die Standescommission von 9 Mitgliedern; an der Spitze der Verwaltung steht der Landamman u. der Landesstatthalter. Die richterliche Gewalt ist von jener genau getrennt; es bestehen Appellations-, Criminal-, Polizei-, Civil-, Augenschein-, Ehegerichte. Die Tagwen lassen ihre innern Angelegenheiten durch einen Gemeinderath von 3–10 Mitgliedern verwalten, nur die kirchlichen Angelegenheiten werden von den Kirchgemeinden selbst besorgt. Münzen, Maße u. Gewichte sind jetzt die in der Schweiz überhaupt gebräuchlichen. Zum National- u. Ständerath sendet der Canton je zwei Abgeordnete; das Militärcontingent: 1347 Mann nebst 2 Sechspfünderkanonen; Geldbeitrag 7553 Francs; Wappen: rother Schild, darin im grünen Feld St. Fridolin, der Schutzheilige des Cantons. Die Einkünfte betrugen 1852 336,501 Fr., die Ausgaben 292,434 Fr. 2) Flecken u. Hauptort des Cantons, liegt an der Linth u. dem Nordfuße des Glärnisch, hat Regierungsgebäude, Rathhaus, Bank, 6 Druckfabriken, mechanische Baumwollenspinnerei, Tuchfabrik, mehrere Buchdruckereien, Bleichen, Papiermühlen, Bierbrauereien, Rothfärberei, städtische Gewerbe, Waaren- u. Spezereihandlungen, eidgenössisches Post- u. Telegraphenbureau, Zweigbahn von hier zur Südostbahn; 4100 Ew., meist Protestanten, gegen 600 Katholiken. G. ist die Vaterstadt von Ägidius Tschudi.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 376-377.
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