Senatus consultum

[835] Senatus consultum (abbrev. S. C.), gültiger Beschluß des Römischen Senats über Gegenstände der Gesetzgebung u. bleibende Einrichtungen, s.u. Senat S. 834 f. Mehre Senatsconsulte haben sich erhalten, so aus der Zeit der Republik als S. C. de Bacchanalibus vom Jahr 187 v. Chr. gegen die nächtlichen Ausschweifungen an den Bacchanalien (s.d. 2); das S. C. de Asclepiade Clazomculo vom Jahre 78 v. Chr., welches den Griechen volle Immunität u. den Titel Amici populi romani verlieh. Die meisten sind legislativer Natur, in den römischen Rechtsquellen enthalten u. stammen aus der Kaiserzeit, namentlich auf den zwei ersten Jahrhunderten n.Chr., wo die Gesetzgebung auf den Senat gekommen war. Die wichtigsten sind: a) S. Apronianum, unter Trajan (nach Anderen erst unter Marc Aurel), nach welchem den Municipalstädten die Fideicommisse restituirt wurden, während sie früher keine Erbfähigkeit besaßen. b) S. Articulejanum, vom Jahre 101 n.Chr. unter dem Consulat des Trajanus u. S. Articulejus Pätus: verordnete, daß der Präses der Provinz für einen in dieser Provinz befindlichen Sklaven die Manumission vorzunehmen berechtigt sein solle, wenn dem Sklaven letztwillig die Freiheit gewährt war u. der eigentlich zur Manumission Verpflichtete sich in einer andern Provinz aufhielt. c) S. Calvislanum, unter Nero, dehnte die Strafen des Cölibates, wie sie die Lex Julia et Papia Poppaea festgesetzt hatte, auf die Männer aus, welche jünger als 60 Jahr, eine Frau über 50 Jahr beirathen würden, weil dann keine Hoffnung auf Kinder vorhanden wäre. d) S. Claudianum, unter Claudius, erklärte die Strafen des Cöl ibates, welche sonst bei Männern über 60 Jahre unbedingt eintraten, dann für nicht anwendbar, wenn ein solcher 60jähriger eine Frau heirathete, welche noch nicht das 50. Jahr erreicht hatte. Ein anderes S. Claudianum enthielt mehre Bestimmungen bezüglich des Sklavenrechtes: Wenn ein Freier mit einer Sklavin, welche er für frei hiel:, Kinder erzeugte, sollten nur die weiblichen der Mutter folgen, die männlichen frei sein. (Diese Bestimmung wurde indessen vom Kaiser Vespasian wieder aufgehoben u. die Regel wieder hergestellt, daß alle von einer Sklavin Geborenen als unfrei zu gelten hatten) Wenn eine Freie mit einem fremden Sklaven unter Zustimmung von dessen Herrn ein Contubernium (s.u. Contubernalis) schloß, so sollte durch Vertrag festgesetzt werden können, daß sie frei blieb, während ihre Kinder Sklaven wurden. (Diese Bestimmung wurde durch Hadrian beseitigt.) Ließ sich eine Freie wissentlich u. ohne Willen des Herrn mit einem fremden Sklaven ein u. beharrte in diesem Umgang ungeachtet dreimaliger Abmahnung von Seiten des Herrn, so sollte sie dem Herrn durch die Obrigkeit als Sklavin zugesprochen werden; ihre Kinder wurden ebenfalls Sklaven, auch wenn sie vor der stattgefundenen Adjudication der Mutter geboren waren. (Diesen Theil des S. hob erst Justinian auf) e) S. Dasumianum unter Trajan, nach welchem der Prätor bei einer fideicommissarisch angeordneten Freilassung die Manumission Statt des Verpflichteten vorzunehmen berechtigt war, wenn der Letztere aus gerechter Ursache abwesend war. f) S. Junianum, unter Domitian; nach diesem wurde der, welcher eine Collusion eines Patrons u. eines Freigelassenen bei einem Richterspruch, welcher dem Freigelassenendie Ingenuität zusprach, entdeckte, Herr des Freigelassenen. g) S. Juventianam, unter Hadrian; dasselbe setzte fest, daß der Besitzer eines erbschaftlichen Gegenstandes stets, auch wenn er die Sache selbst nicht mehr besitzt, so weit zu haften hat, als er von dem erbschaftlichen Gegenstand noch einen Vortheil hat, z.B. bei erfolgtem Verkaufe für den verlangten Preis. h) S. Largianum, unter Claudius, nach welchem bei der Beerbung eines Latinus Junianus (s.u. Latinische Colonien), dessen hinterlassenes Vermögen sonst immer der Patron u. seine Erben einzuziehen hatte, vor den entfernteren Erben den nicht namentlich enterbten Kindern des Patrons ein vorzügliches Erbrecht eingeräumt wurde. i) S. Libonianum, unter Tiberius, nach welchem dem Concipienten eines letzten Willens nicht aufgetragen werden durfte zu seinen Gunsten Etwas in dem Testamente niederzuschreiben, u. jede derartige Zuwendung als pro non scripto (für nicht geschrieben) erachtet werden sollte. k) S. Macedonianum, unter Claudius auf Veranlassung des von einem gewissen Macedo verübten Vatermordes gefaßt, gab gegen jede Klage aus einem an einen Haussohn gegebenen Gelddarlehn eine Einrede (Exceptio Senatusconsulti Macedoniani), welche das Klagrecht unwirksam machte. Die Einrede steht sowohl dem Empfänger des Geldes, als auch dem Vaterzu, wenn er mit der Actio [835] de peculio belangt werden sollte. In einzelnen Fällen cessirt die Vorschrift, namentlich wenn das Gelddarlehn zur Deckung eines unabweislichen Bedürfnisses gegeben, wenn es mit dem Willen des Vaters aufgenommen od. vom Haussohn nach erlangter Selbständigkeit genehmigt wurde, auch wenn der Gläubiger über die Eigenschaft des Empfängers als Haussohn sich in einem entschuldbaren Irrthume befand. l) S. Memmianum, unter Nero, nach welchem allen Adoptionen, welche häufig nur in der Absicht abgeschlossen wurden, um durch den Besitz eines Kindes den in der Lex Julia et Papia Poppaea angedrohten Nachtheilen der Orbität zu entgehen, ihre Wirkung in Bezug auf das Jus liberorum benommen wurde. m) S. Neronianum, aa) unter Nero, verordnete, daß, wenn Legate nicht in der gehörigen Form gemacht wären, wie sie das altcivile Recht (per vindicationem etc., s.u. Legat) vorschrieb, dieselben doch dann so gültig sein sollten, als wenn die leichteste Form des Legatum per damnationem gewählt worden wäre; bb) s.u. S. Silanianum. n) S. Orphitianum, unter Marc Aurel, ertheilte sowohl den Söhnen, als Töchtern, selbst wenn sie unter fremder Gewalt standen, in Bezug auf die Erbschaft der leiblichen Mutter ein Vorrecht vor allen Agnaten. o) S. Pegasianum, unter Vespasian, erstreckte das Recht der Lex Falcidia (s.u. Legat) auch auf die Fideicommisse, so daß auch fortan die mit Fideicommissen Bedachten sich den Abzug der Quarta Falcidia von Seiten des Erben gefallen lassen mußten. Auch erklärte dasselbe die Bestimmungen der Lex Julia et Papia Poppaea wegen Beschränkung der Erbfähigkeit als auf Fideicommisse anwendbar. p) S. Persicianum, unter Tiberius, erklärte im Anschluß an die Lex Julia et Papia Poppaea, daß Männer, welche bis zum 60., u. Frauen, welche bis zum 50. Jahre gewartet hätten, ohne eine Ehe zu schließen, immer als Ehelose betrachtet werden sollten; zum Theil wurde dasselbe durch das S. Claudianum (s.d.) gemildert. q) S. Pisonianum, s.u. S. Silanianum. r) S. Plancianum, verordnete bei der Übernahme eines heimlichen Vermächtnisses (Fideicommissum tacitum) an einen Erbunfähigen den Verlust der Falcidia an den Fiscus; außerdem sollte dem Belästigten noch alle Vindication der Caducitäten aus der Erbschaft des Fideicommittenten verloren gehen. s) S. Sabinianum, aus der Zeit nach Antoninus Pius, verschrieb aus dem Vermögen des Adoptirenden dem Kind, welches aus der Zahl von 3 Brüdern in Adoption gegeben wird, die sogenannte Quarta Sabiniana (eine Art Pflichttheil). t) S. Silanianum, unter Augustus, verordnete bei der Ermordung eines Freien die Folterung aller Sklaven in der Nähe des Ermordeten u. die Hinrichtung aller, welche dem Herrn keine Hülfe leisteten, selbst wenn der Sklave dabei unvermeidlich den Tod gefunden hätte. Ferner durfte danach vor Vollziehung dieser Strafe das Testament des Ermordeten nicht geöffnet u. die Erbschaft nicht angetreten werden, damit nicht etwa der Erbe sich für die Erhaltung des Sklaven interessire. Contravention wirkte Verlust der Erbschaft an das Ärarium u. eine Geldstrafe von 100,000 Sestertien. Zu dem Verfahren gegen diese Sklaven bei einem Mord fügte das S. Neronianum hinzu, daß das Verfahren nicht allein die Sklaven des ermordeten Ehegatten, sondern auch die des andern noch lebenden treffen sollte; u. das S. Pisonianum (vielleicht nur ein zweiter Name für dasselbe S. Neronianum) verordnete, daß, wenn der schuldige Sklave verkauft sei u. nachher hingerichtet würde, der Verkäufer den Preis ersetzen solle. Entdeckte ein Sklave die Mörder seines Herrn, so wurde er nach dem S. Silanianum frei u. erhielt die Civität. u) S. Tertullianum, unter Hadrian, nach ihm erhielt die leibliche Mutter ein Erbrecht an dem Vermögen ihrer Kinder eingeräumt, wenn sie das Jus trium liberorum, als Freigelassene das Jus quatuor liberorum hatte, d.h. drei od. resp. vier Kinder geboren hatte. Doch sollten ihr dabei noch die Kinder der Söhne, der Vater, wenn er sonst gesetzlicher Erbe war, u. der Bruder von Vaters Seite (Frater consanguineus) vorgehen. Mit den Schwestern erbte die Mutter zur Hälfte, die übrigen Agnaten schloß sie durch ihr näheres Erbrecht aus. Die Voraussetzung des Jus liberorum für dieses Erbrecht wurde zunächst durch Constantin in der Weise aufgehoben, daß die Mutter auch ohne dieselbe zu einem Drittheil erben sollte; Justinian hob sie ganz auf. v) S. Trebellianum, unter Nero, bestimmte in Bezug auf Universalfideicommisse, daß, wenn dem Fideicommissar die Erbschaft dem Willen des Testator gemäß restituirt wird, der letztere, soweit er die Erbschaft erhält, auch als Erbe behandelt u. daher die Klagen ihm u. gegen ihn als utiles gegeben werden sollen. w) S. Turpillianum, unter Nero, ordnete an, daß im Falle einer Prävarication, d.h. wenn der Ankläger bei einem Criminalprocesse einen Andern von Erhebung der Klage abhält od. sie seinerseits nicht ordentlich betreibt, den Ankläger die Strafe treffen sollte, von welcher der Angeklagte dadurch loskommt; im Falle einer Tergiversation aber, d.h. wenn der Ankläger die Sache aus Rücksicht auf den Angeklagten liegen läßt, sollte der Ankläger einer Strafe von 5 Pfund Goldes unterliegen. x) S. Vellejanum, unter Claudius, verbot allgemein die Bürgschaften von Frauen, so daß denselben gegen die Klagen aus einer solchen Bürgschaft eine Exceptio Senatusconsulti Vellejani gegeben wurde (s.u. Bürgschaft).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 835-836.
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