Gesundheittränck bekommen den Apoteckern vnd Artzten am besten. – Lehmann, 758, 39.
Die Sitte, auf das Wohl anderer zu trinken, ist so alt, dass schon Homer derselben erwähnt und spätere griechische Schriftsteller berichten uns genau die Ceremonien, unter welchen der mit dem Namen der Philotesie bezeichnete Gebrauch bei einem Gastmahle vor sich ging. Hatte nämlich der Herr des Hauses die Trinkschale mit Wein gefüllt, so vergoss er zuerst einige Tropfen zu Ehren der Gottheiten, die er anrief, setzte dann die Schale an die Lippen und trank auf die Gesundheit seines Freundes oder Gastes, der neben ihm sass, indem er ihm alles mögliche Glück wünschte, worauf dieser die Schale nahm, trank und sie seinerseits seinem Nachbar gab. In ähnlicher Weise trank man einem Freunde oder Gaste zu, sobald er ankam oder Abschied nahm, indem man ihn zu seiner glücklichen Ankunft beglückwünschte oder Glück auf den Weg wünschte. Die Römer tranken einander mit den Worten zu: Ich wünsche, dass ihr und wir, du und ich, uns Wohlbefinden mögen! und nahmen die Gewohnheit der Griechen an, bei jedem Mahle drei Becher zu Ehren der Götter und beim Aufstehen vom Tisch einen vierten zu Ehren des guten Geistes zu leeren, den sie den Becher der Gesundheit nannten. Ging einer vom Tische weg, ohne dass man auf seine Gesundheit getrunken hatte, und ohne von einem Freunde zum Trinken genöthigt worden zu sein, so betrachtete er dies als eine Beschimpfung und als eine Entwürdigung der Freundschaft. Gleichwol war es nicht erlaubt, auf das Wohl aller Personen zu trinken, welche bei Tische sassen, und bei Frauen z.B. waren nur ihre Verwandten, Freunde und der Wirth dazu berechtigt. Bei den Celten und Germanen pflegte, wenn am Tisch der Krug die Runde machte, jeder, welcher trank, seinen Nachbar zu grüssen und ihm dann den Krug zu überreichen, und niemand, dem die Worte zugerufen wurden: »Ich trink dir zu!« durfte ungeahndet es wagen, nicht Bescheid zu thun. Um Streitigkeiten zu vermeiden, verbot daher Karl der Grosse ausdrücklich seinen Kriegern, solange sie bei der Armee wären, sich gegenseitig zuzutrinken; und die Kirche suchte Jahrhunderte hindurch vergeblich die Gewohnheit zu unterdrücken, zum Gedächtniss der Heiligen zu trinken, da ihrer gar zu viele waren. Denn wie die Griechen und Römer zu Ehren der Götter und Halbgötter, pflegten die zum Christenthum bekehrten Heiden zur Ehre Gottes, des Heilandes, der Heiligen Jungfrau, der Dreifaltigkeit und der Heiligen Becher zu leeren, und trotz aller Verbote gelang es den Bischöfen nur, die Zahl der Heiligen zu beschränken, deren Gedächtniss oder »Minne« (mini) man trank. So erhielt sich in den Niederlanden noch lange Zeit die Sanct-Gaerte-Minne oder Gertruds-Minne, im Norden die Kanutsund [1639] Eriks-Minne, anderwärts die Ulriks-Minne, der Martins-, Stephans-, Michaelis- und Nikolaus-Trunk, und bis auf unsere Tage blieb die »Johannis- Liebe«, welcher die Legende des heiligen Evangelisten als Anhaltpunkt diente, um sich in einen kirchlichen Brauch zu verwandeln. In England ward der angelsächsische Trinkspruch: »Wass hail!« Veranlassung, die Bowle, welche früher bei den Schmausereien der Weihnachtszeit nie fehlen durfte, um aus ihr auf die Gesundheit jedes Anwesenden zu trinken, Wassail-Bowl oder Wassell-Bowl zu nennen; und noch jetzt ist es bei Festmahlen von Corporationen Sitte, nach dem Essen auf das Wohl der Brüder aus dem sogenannten loving up, einem grossen silbernen Becher mit Henkeln zu trinken, der links herum von einem zum andern geht. Die alten Toaste »Wass hail!« und »Drinc hail« sind durch die jetzt üblichen »Come, here's to you« und »I'll pledge you!« ersetzt worden, aber die geröstete Brotschnitte (toast), welche ehemals in England von demjenigen, der eine Gesundheit ausbringen wollte, in den vollen Becher geworfen und, sobald der Becher leer war, gegessen wurde, lässt noch heutigen Tags jeden Trinkspruch als Toast bezeichnen. Auch die Gewohnheit, beim Gesundheitausbringen dasselbe Trinkgeschirr herumzugeben, hat schon längst überall aufgehört; aber der deutsche Brauch, dafür mit den Gläsern anzustossen, ist so allgemein geworden, dass er in Frankreich trinquer (vom deutschen trinken) heisst. (Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 1131, S. 143.)
Böhm.: Kdo sklenice dopívá, vĕku nedožívá. (Čelakovský, 140.)
Lat.: Non est in pota vera salute salus. (Altdorf, 195; Binder II, 2163.)