1. An Martini (10. Nov.) Sonnenschein tritt ein kalter Winter ein. – Orakel, 895.
2. An Sanct Martin's Tag lobe unsrer Frauen Fasten.
3. Auf Sanct Martin kommt der Winter.
Frz.: A la sainct Martin l'hiver en chemin. (Leroux, I, 80; Kritzinger, 443b.)
4. Bleibt vor Martin Schnee schon liegen, wird man gelinden Winter kriegen.
5. Der heilige Martin mocht' es wol wissen, warum er seinen Mantel entzweigerissen.
Bezieht sich auf die bekannte Legende von dem Heiligen, der, als er einen nackten Bettler erblickte, seinen Mantel mit ihm theilte.
Poln.: Wiedział święty Marcin, za co dał plaszcza uciąc. (Wurzbach I, 226, 112.)
6. Der heilige Martin treibt den alten ans Kamin.
Poln.: Swię tego Marcina stary do komina. (Boebel, 51.)
7. Du heiliger Sanct Martin, sie opfern dir einen Pfennig und stehlen dir ein Pferd. – Eiselein, 452; Simrock, 6841a.
8. Giet et vör Sünte Märten starken Fuorst, dann wärt de Winter gelinne. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 61, 66.
9. Heb' an Martini, trink Wein per circulum anni. – Boebel, 53.
In Lübeck hat man den Reim: Marten, Marten Gôsman het'n rôden rock an: giv mi appel un Bären, de mag ik so gären; giv mi Nöt' to knacken, wil dî ôk wat backen. (Deeke, 10.)
Frz.: A la sainct Martin boit-on le bon vin. – A la saint Martin faut gouster le vin, Nostre Dame après pour boire il es près. (Leroux, I, 80.)
10. Heilige Sant Marti, da lebig Opfer gib i der, het die Frau g'seit, wo-n ere de Habik de Güggel holt. – Sutermeister, 41.
11. Heiliger Sanct Martin, dies lebendig Opfer geb' ich dir, sprach die Frau, als ihr ein Falke den Hahn wegtrug. – Eiselein, 452.
12. In die Woche auf Martin fallen in der Regel Zahltermin'.
13. Ist es um Martini trüb', wird der Winter auch nicht lieb. – Bair. Hauskalender.
14. Ist Martin trocken und kalt, im Winter die Kälte nicht lang anhalt. – Boebel, 52.
15. Ist Martini nass und kalt, kommt die Frucht zur Theurung bald. (Koblenz.) – Boebel, 33.
16. Ist um Martin der Baum schon kahl, macht der Winter keine Qual. – Oesterr. Volkskalender, 1869.
17. Ist vor Sanct Martin starker Frost, dann wird der Winter gelind. (Westf.)
18. Ist zu Martini das Laub noch nicht von den Bäumen und Reben gefallen, dann soll ein strenger Winter folgen.
19. Ist's an Martini trübe, so wird ein leidlicher, ist's aber hell, ein kalter Winter folgen.
20. Kommt Martini heran, so hat der gute Wirth das Dreschen gethan. – Boebel, 52.
Nach Martini soll auch, wie man in Oberösterreich sagt, nicht mehr im Acker gefahren werden, sonst fährt der Bauer sein Weib ein. (Baumgarten, I, 53.)
[471] 21. Kommt Sanct Martin mit Winterkält', ist's gut, wenn bald ein Schnee einfällt. – Orakel, 905.
22. Marten kack to, dat Lücht brannt op de Stêrt. (Ostfries.) – Bueren, 857; Kern, 155; Hauskalender, II.
Geht zu Ende.
23. Martin ist der Grundzinstag, drum nimm das Geld auch aus dem Sack. (Wohlau.) – Boebel, 53.
24. Martin ist kein dummer Hans, ihm schmeckt die frisch gemäst'te Gans. (Wohlau.) – Boebel, 53.
25. Martini Eis, Weihnachten Scheiss. (Dönhofstädt.)
26. Martini zeigt die Witterung auf den ganzen Winter an. – Orakel, 893.
27. Martinke fröst't, Kathrinke pösst. (Samland.) – Frischbier2, 2547.
28. Merten es ennen harden Mann. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 223.
29. Nach Martini scherzt der Winter nicht. – Orakel, 906-907.
Die Czechen: An Sanct-Martin scherzt der Winter nicht bald, Schnee und Frost kommen mit Gewalt.
30. Nebliger Martin, Winter gelind; heller Martin, Winter streng. – Boebel, 52.
31. O Martein, Martein, der Korb muss verbrannt sein, das Geld aus der Taschen, der Wein in der Flaschen, die Gänse am Spiess, da sauf' und friss.
32. Sanct Martein gübt guten Wein, kann aber den Bawren und Zinsleuten schrecklich sein. – Fischart in Kloster, VIII, 640.
Lat.: Post Martinum bonum vinum. (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 79.)
33. Sanct Martin, du vol Liebe, du wonst vnter Diebe, die geben dir ein Pfennig vnd stelen dir ein Pferd; wer die Diebe hengte, dess weren sie wol werth. – Petri, II, 517.
34. Sanct Martin führt die Schlüssel zu jeder Seele auf dem Pfad zum letzten Urtheil. – Graf, 404, 30.
Bezieht sich auf die drei grossen Gerichtszeiten (Dinge) im Jahr. Eins dieser Dinge fiel in die Zeit um Ostern (Frühling), das andere in den Anfang des Herbstes (s. ⇒ Gericht 13); und als drittes echtes Ding war der Martinstag bezeichnet. Nachdem das Christenthum Eingang gefunden, wurde der Sonne rechtseinschliessende Kraft auf die Heiligen übertragen. Die Dreizahl bildet die Regel beim echten Dinge. (S. ⇒ Ding 45.)
Altfries.: Sinte Martine da sloetelin feert to iwer siele in dat paed ti da lesta ordele. (Richthofen, 430, 16.)
35. Sanct Martin gab den Mantel; ein Spieler gibt Hosen, Wams und Hemd, darum weil er wol heiliger ist, wenn er nackt seinem Herrn, dem Teufel, nachrennt. – Eiselein, 452.
36. Sanct Martin macht Feuer im Kamin. – Eiselein, 452; Simrock, 6843; Körte, 4136; Boebel, 52; Winckler, XVII, 96; Auerbach, Neues Leben, II, 262.
37. Sanct Martin macht Feuer ins Kamin; dann, o Mädel, greif' zum Rädel. (Nassau.) – Kehrein, VIII, 234.
In Venedig: An Sanct-Martin der Winter im Kamin. In Mailand: An Sanct-Martin lege Holz ins Kamin. (Orakel, 902-903.)
38. Sanct Martin Miss is de Winter wiss. – Boebel, 52.
39. Sanct Martin setzt sich schon mit Dank am warmen Ofen auf die Bank. – Bair. Hauskalender.
40. Sanct Martin war ein milder Mann, trank gerne cerevisiam; und hatt' er nicht pecuniam, so liess er seine tunicam. – Eiselein, 452; Braun, I, 2576.
Frz.: Saint-Martin boit le bon vin et laisse l'eau courre au molin. (Leroux, I, 32.)
41. Sanct Martin weiss nichts mehr von heiss. – Bair. Hauskalender.
42. Sanct Martins breckt dat Is, man find he gên, so mâkt he ên. – Bueren, 1037.
43. Sanct Martinus zu Pährd macht de Bauer allährd1. (Trier.) – Laven, 192, 110; Firmenich, III, 548, 64; Schmitz, 173, 60.
1) Munter, flink, rührig, vom französischen alerte. Auf den Martinstag, trierisch Meerdestag, fallen gewöhnlich für den Landmann die Zahltermine von gepachteten Grundstücken und geliehenen Kapitalien.
[472] 44. Steht an Martin noch das Laub, gar manches wird des Winters Raub. – Boebel, 52.
45. Sünne Martin Füer int Kamin. – Boebel, 52.
Sogar in Italien. In Mailand räth man: An Sanct-Martin lege Holz aufs Kamin. Am Tage Allerheiligen kleiden sich die Grossen warm, an Sanct-Martin thut es Gross und Klein. In Venetien: Um Sanct-Martin pflegt der Winter einzuziehen. Von Martini bis zum Weihnachtsfest geht's allen armen Leuten schlecht. (Reinsberg VIII, 189.)
46. Um Martin schlachtet der Bauer sein Schwîn, das muss bis zu Lichtmess gefressen sîn.
47. Um Sanct Martin ist der Schnee auf dem Kamin. (Brusiothal.) – Schweiz, I, 234, 2.
48. Upp Martin slachtet der arme Mann sîn Swîn, un Lichtmessen het't all weër (wieder) uppefressen. (Eimbeck.) – Schambach, II, 383; Firmenich, III, 142, 18.
Des Reims wegen steht das hochdeutsche fressen für frêten.
49. Was Martin nicht verzehrt, sein Esel begehrt.
Frz.: Ce que ne veut Martin veut son âne. (Leroux, II, 44.) – Ce que saint Martin ne manjue se manjue sis anes. (Leroux, I, 32.)
50. Wenn auf Martini Nebel sind, so wird der Winter lind. (Eifel.) – Orakel, 900.
51. Wenn auf Martini Regen fällt, ist's mit dem Weizen schlimm bestellt. (Duisburg.) – Boebel, 53.
52. Wenn Martini Nöbel findt, wird da Winta ganz gelind. (Oberösterreich.) – Baumgarten, I, 53; für Eifel: Schmitz, 166, 3.
53. Wenn Sanct Martin einem ein Ganss schenckt, soll man jhn zu danck dazu zu gast laden, so schenckt er übers Jahr wider. – Lehmann, 118, 12.
54. Wenn um alt Martini1 nasses Wetter ist, folgt ein unbeständiger, ist helles Wetter, ein harter Winter. – Orakel, 908.
1) Nach dem jetzigen Kalender, den 21. Nov., Mariä Opfer(ungstag).
55. Wenn vor Martini die Gans auf dem Eise ausglitscht, kann sie sich nach Sanct Martin ins Wasser tauchen. – Orakel, 889.
56. Wenn zu Martini die Gäns' auf dem Eis stehn, so müssen sie zu Weihnacht im Kothe gehn. – Bair. Hauskalender.
57. Wenn zu Martini die Gans geht auf Eis, so geht das Christkind auf Dreck. – Boebel, 51.
58. Wenn's vor Martini g'frürt, 'ass 's Ysch e Gans treit, so isch der Winter verfrore. (Solothurn.) – Schild, 117, 152.
Es soll dann ein milder Winter folgen.
59. Wer weiss, was Münch Merten wird dazu sagen.
Herberger im Anhange zur Epistolischen Hertzpostille (203b) in der zweiten Predigt auf Martine sagt, indem er von den Ahnungen eines Reformators redet: »Kurtz für Lutheri Zeiten hat man ein gemein Sprüchwort gehabt: Wer weiss, was Münch Merten wird dazu sagen.«
60. Zu Martin kommt der Winter auf einem Schimmel geritten. (Oels.) – Boebel, 53.
Böhm.: Ví sv. Martin, zač dává plášt'. (Čelakovský, 44.)
Dän.: Hellermisse maa du mig vente; Mortensmisse om jeg tør kommer jeg end ikke før saa kommer jeg St.-Karens dag, og legger mig for din dør. (Prov. dan., 278.)
*61. Auf Sanct Martini, wenn die Störche kommen, zu Weihnachten in der Ernte, zu Pfingsten auf dem Eise. – Schottel, 1124a; Körte, 4135b; Sailer, 106; Masson, 356.
Ergänzend: wird es geschehen, wird er zahlen, werde ich dies oder jenes thun u.s.w., d.h. nie, weil die Störche und Schwalben zu dieser Zeit fortziehen. (S. ⇒ Nimmerstag.)
*62. Der Marti will syn Esel heue. (Solothurn.) – Schild, 117, 153.
Schönes Wetter am Martinstag soll einen schönen Nachsommer verkünden.
*63. Der Martin kommt auf dem Schimmel geritten. – Orakel, 904.
Wird von den Landleuten meist auf den ersten um die Zeit des 11. November eintretenden Schneefall bezogen. Aber abgesehen davon, sagt R. Drescher (vgl. Schles. Provinzialbl., Breslau 1866, S. 658), dass diese Deutung der Witterung in der Regel selbst widerspricht, liegt dem Spruch ein viel bedeutsamerer und weit tieferer Sinn zu Grunde. Auf Sanct-Martin, dem [473] milden wohlthätigen Reitersmann mit dem grossen Mantel, sind nämlich vom deutschen Volke mehrere volksthümliche Begriffe und Anschauungen übertragen worden, die meist in heidnischer Zeit dem göttlichen Schimmelreiter Wuotan galten. Er trat in der ältern Volksanschauung völlig an die Stelle dieses Gottes, und in zahlreichen Sagen erscheint er als wunderthätiger Helfer, bald in Gestalt des Schimmelreiters mit langem Mantel und Speer, bald in der eines Viehhirten mit langem Mantel und Stab, ganz wie in ältern Ueberlieferungen der heidnische Gott. (Vgl. Simrock, Myth., 533, 540 u. 574.)
*64. Du eselhafter Martin.
Eine scherzhafte Anrede, die aus einem lustigen Gegellschaftsliede sprichwörtlich geworden ist. Der Begriff der Eselhaftigkeit hängt sich gern an den Namen Martin an, wozu der Grund noch nicht nachzuweisen ist. (S. ⇒ Esel 252.) (Ule, Die Natur, Halle 1867, Nr. 7, S. 53.)
*65. Marten, bît mi nich, ik will di ok êne Bêre geven. – Schütze, I, 107; Richey, 16.
Verächtlich zu einem Menschen, der sehr sauer sieht oder zornig auffährt.
*66. 'N Mört'n lob'n. – Baumgarten, Progr., 3.
An Martinitage war (oder ist noch?) in oberösterreichischen Bauernhäusern, besonders in den Bergen, Mahl und Tanz üblich. Man nannte dies: den Märten loben.
*67. Sanct Martin feiern.
Ein gutes Mahl bereiten, geniessen.
Frz.: Faire la Saint-Martin. (Kritzinger, 443b.)
68. Find't um Martini die Gans kein Wasser mehr, wad't sie im Winter im Schmuz umher. – Payne, 35.
69. Kehrt Martin ein, ist jeder Most schon Wein.
It.: A San Martino, ogni mosto è vino. (Giani, 1019.)
70. Regnet es auff Martini zu hand, zeiget an dess Winters Vbelstandt. – Lins, Wintermonat.
71. Sandt Martin vnd sant Jörg seynd die edelsten vnd die achtbarsten Heiligen; die reitten, müssen die ander zu fuss geen. – Haupt, III, 29.
Die Legende, dass Sanct-Martin Krieger gewesen, ist wol nur aus seinem Namen entsprungen, welcher der »Ritterliche« bedeutet, und Martinus, der zuerst auf romanischem Boden zu Hause war, ist dort nichts als ein christianisirter Mars. Wie Sanct-Georg in Frankreich, so wurde Sanct-Martin am Rhein, namentlich in Mainz, als dessen Schutzheiliger er gilt, Patron eines ritterlichen Bundes. Die Beziehungen zu Wodan liegen nahe, der als Gott des Sturmes auch Schlachtengott ist. (Vgl. Wodan als Jahresgott in Grenzboten, Leipzig 1871, I, 300.)
*72. Er ist nicht wie Sanct-Martin, der auch den Mantel gab dahin.
Holl.: Hij doet niet gelijk Sint Maarten, die aan den duivel zelfs gaf. – Hij gelijkt naar den milden Sint Maarten. (Harrebomée, II, 268b.)
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