1. Die Minne beut der Weise, das Recht, wenn es sich heischet. – Graf, 423, 168.
Der Weise beschreitet erst dann den Rechtsweg, wenn eine friedliche Ausgleichung unmöglich ist.
2. Die Minne hat mich, und ich hab' sie.
3. Die Minne thut kalt und heiss, mehr denn der vierttägige Rito (Fieber).
4. Die minne überwindet alle ding. Du liugest, sprach der pfenning. (S. ⇒ Mir.) – Wackernagel, Altd. Lesebuch, 1027.
Gehört zu den ersten Anfängen apologischer Sprichwörter in unserer Sprache. (Hagen, 106.)
5. Die Minne verkehrt die Sinne. – Braun, I, 2716.
6. Eine Minne die andere sucht, ein Fluch den andern ruft. – Braun, I, 2717.
7. Minn' aus rothen Münden kann bald das Herz entzünden.
8. Minne, Schatz und gross Gewinn verkehren guten Mannes Sinn.
Lat.: Lucrum pudori praestat. (Plautus.) – Laudato justa, caeterum lucro haereas. (Soph.) – Pol pudere, quam pigere praestat totidem literis. (Plautus.)
9. Minne thut Zeichen, kann röthen und bleichen.
10. Minne und Hass können beieinander nicht besitzen ein Fass.
11. Wen Minne blendet, wie kann der sehen!
Mnd.: Minne manigen toren git. (Wizlaw von Ettmüller, XII, 41.)
12. Wer Minne fleucht, dem folget sie, und der sie jagt, dem fehlt sie nie. – Braun, I, 2718.
Engl.: Love like a shadow flies, when substance love pursues: Pursuing that so flies, and flying what pursues.
Frz.: Les extrêmes se touchent.
Lat.: Aversum insequitur, rursus aversatur amantem. – Magna ingenia conspirant. – Se eos, qui contra ipsum non essent suos putare. (Eiselein, 460.)
*13. Die Minne trinken.
Diese Redensart führt auf die Feier des Julfestes seitens der alten Germanen zurück. Dies Fest gehörte zu den drei »Hochgeziten« oder Hauptfesten unserer heidnischen Vorfahren. Es begann den 14. December und dauerte drei Tage. Während dieser Zeit ruhte bei schwerer Strafe jede Arbeit, und jung wie alt gab sich der ungetheilten Freude hin. Heller Festjubel erscholl auf Markt und Strassen. Das Gastrecht stand zu keiner Zeit höher; am meisten liessen es sich jedoch die freien Gutsbesitzer angelegen sein, ihre Bekannten und Freunde im Hause zu empfangen. Grosse Tonnen voll schäumenden Bieres wurden gebraut, Brote in Eberform gebacken. Es wurden zugerichtete Juleber geschlachtet und dem Freyr, dem Sonnengotte, dem Verleiher des Feldsegens und jeglicher Fruchtbarkeit, geweiht. Das heilige Opferthier (sonargaultr, d.i. Sühneber) ward geschlachtet. Vorzüglich waren es [664] weisse Rosse und Eber. Während der Priester das Thier auf dem Stein zertheilte und das Haupt sammt den edeln Theilen den Göttern darbrachte, wurde das Blut in Kesseln aufgefangen; dann Tempelwände und Götterbilder damit bestrichen, wie das andächtig herumstehende Volk mit eigenen Sprengwedeln besprengt. Hierauf wurden mächtige Feuer angezündet und in grossen Kesseln das Fleisch der geschlachteten Thiere gekocht. Das Volk lagerte sich nun herum, und die bisher ernste gottesdienstliche Scene verwandelte sich nun in ein heiteres Festgelage. Das gesottene Fleisch und Fett wurde vertheilt, dazu trank man die Brühe und ass das in Eberform gebackene Brot. Nach dem Mahl aber wurden die Trinkhörner mit Meth und braunem Gerstensaft gefüllt; und nun begann ein nicht endenwollendes Zuschwenken der Becher, begleitet von Trinksprüchen, zu Ehren der Götter, und gegenseitigen Glücks- und Segenswünschen. Das nannte man »die Minne trinken«, die uralte, aus geweihtem Becher den Asen insgesammt oder einem einzelnen gebrachte Opferspende. Den grossen Minnetrunk erhielt nach alter Sitte der Göttervater Odhin, weil ihn die Einführung des Jul-(unsers Weihnachts-)festes zugeschrieben wurde; den zweiten Stiördhr, der Verleiher und Mehrer des Reichthums, den dritten Freyr, dem vorzugsweise die Feier galt. (Vgl. darüber den vollständigen Artikel Das Julfest der alten Germanen, von Ludw. von Hörmann, in der Illustrirten Zeitung, Nr. 1436, S. 467.)