1. A Stiefmütter git dem Stiefkind dus Erste vün Thee, dus Letzte vün Kawe (Kaffee). (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Von beiden also nicht das Beste sagen. Es ist hier offenbar gemeint, wenn sie ein eigenes Kind hat. Da man nun den Stiefmüttern, so viele brave auch darunter sind, selten etwas Gutes gönnt, so gönnt man ihnen auch dies nicht. In diesem Sinne sagt ein Sprichwort in der Herzegowina: Es hoffte die Stiefmutter auf ein rechtes Kind, und sie blieb unfruchtbar. (Hausfreund, VIII, 49.)
[852] 2. Das ist die beste Stiefmutter, die einen grünen Rock anhat, auf dem die Gänse weiden. – Erklärung, 4.
3. De êrst 'n Stêfmôder hett, kriegt ok boll 'n Stêfvâder, de Düwel hâle se alle gar. (Ostfries.) – Bueren, 290 u. 629; Eichwald, 1388; Frommann, III, 431, 295; IV, 282, 687; Goldschmidt, 111; Kern, 249; Hauskalender, III.
4. Der Stiefmutter Kind bekommt doppelte Bissen.
Selbst dann, wenn es scheint, die Stiefmutter setzte ihr eigenes Kind den Stiefkindern gegenüber zurück. Die Böhmen drücken dies recht hübsch durch das Sprichwort aus: Dem Aennchen nur die Hälfte. Man erzählt zur Erklärung desselben: Eine Stiefmutter, welche ausser drei Stiefkindern auch noch ein eigenes besass, vertheilte drei Kuchen auf folgende Weise unter sie. Hier habt ihr, sagte sie zu den Stiefkindern, jedes einen Kuchen, da ich aber meiner Tochter nichts gegeben habe, so gibt ihr jedes von euch einen halben Kuchen. – Es gibt verschiedene Orte und Verhältnisse, welche nach dieser Stiefmuttermethode ihre Segnungen austheilen.
Böhm.: Andulce po půlce. – Macešino dítĕ dvakrát pokrm dostává. (Čelakovský, 401.)
Poln.: Macaszyne dziecie dwa razy obrok (dwa obrokil) bierze. (Čelakovský, 401.)
5. Die Stieff-Mütter sind am besten in grünen Kleidchen (Röckchen), drei Ellen unterm grünen Rasen. – Erklärung, 4; Körte, 5741; Wurzbach III, 71; Simrock, 9897; Meisner, 93; Lohrengel, I, 212; Masson, 321; Braun, I, 4294.
6. E Stiefmueter macht au e Stiefvater. – Sutermeister, 117.
7. Eine gute Stiefmutter ist oft besser als eine rechte.
Holl.: Stiefmoeder is een kwade naam, nogtans kan ze wel good zijn. (Harrebomée, II, 306a.)
8. Es gibt so viel gute Stiefmütter als weisse Raben.
9. Gute Stiefmütter und weisse Sperlinge sind seltene Vögel.
Böhm.: Kolik vran bilých, tolik macech dobrých. (Čelakovský, 401.)
10. 'Ne Stefmutter is dem Düwel sin Underfutter. – Schambach, II, 158.
11. Stefmoder mähd Stefvader. (Köln.) – Weyden, IV, 14.
12. Stêfmoer hett 'n langen Stêrt, all trät der upp. – Goldschmidt, 112.
Drückt die Schwierigkeit der Stellung einer Stiefmutter aus, die nach sehr vielen Seiten recht thun soll.
13. Stieffmütter geraten selten wol. – Petri, II, 541.
Im Sprichwort kommen Stiefväter, Stiefmütter und Stiefkinder, aber nicht Stiefbruder und Stiefschwester vor. Die Hauptrolle spielt die Stiefmutter. Die Stiefschwester heisst in Tirol »einbändige« Schwester, während die rechte »zweibändige« genannt wird. (Westermann, 25, 619.)
14. Stieffmutter ist ein böse Ruht, Stieffmütter thun selten gut. – Gruter, III, 83; Lehmann, II, 580, 112; Petri, II, 227.
Böhm.: Macocha racocha. – Zlý prut macecha. (Čelakovský, 401.)
Holl.: Die eene stiefmoeder heeft, mag rouwen, zoo lang hij leeft. (Harrebomée, II, 306a.)
Poln.: Macocha psí socha. (Čelakovský, 401.)
15. Stieffmutter, (machen) Stieffuatter. – Latendorf II, 25; Petri, II, 541.
»Stieffmutter, Stieffvater heisst das kurze Sprichwort.« (Mathesy, 265a.) Auch russisch Altmann VI, 484.
Holl.: Stiefmoeder, stiefvaâr. (Harrebomée, II, 306a.)
16. Stiefmueter oder Stiefätti, as si der Tüfel hätti. – Sutermeister, 117; Simrock, 9897a.
17. Stiefmütter haben harte Hand.
Dän.: Der er haardt i stivmoders haand. (Bohn I, 356.)
18. Stiefmutter ist des Teufels Unterfutter.
In Steiermark: Stuifmuidar is an Taifl Intafuida. (Firmenich, II, 770, 174.)
Frz.: Qui narrâtre a le diable en l'âtre. ( Masson, 321.)
19. Stiefmutter und Stiefkinder sind gleich lieb.
Die gegenseitige Liebe ist von gleichem Werth.
Böhm.: Hořko od macechy pastorkovi, a téže nesladko od pustorka maceše. (Čelakovský, 410.)
20. Wer e Stiefmueter het, het au e Stiefvater. – Sutermeister, 117.
[853] 21. Wer ein Stieffmutter daheimen hat, der find selten kindlich Genad; dann wil der Vatter gute Tage han, muss er seim Kind auch werden gram. – Gruter, III, 106; Lehmann, II, 872, 178.
22. Wer eine Stiefmutter hat, der hat (kriegt) auch einen Stiefvater. – Pistor., X, 39; Petri, II, 705; Grimmelshausen, Vogelnest, I; Blum, 684; Eiselein, 580; Eisenhart, 161; Sailer, 254; Simrock, 9898; Körte, 5742; Graf, 165, 158; Braun, I, 4295.
»Man sagt, wer ein stieffmutter hat, der kriegt auch ein stiefuatter Drat.« (Waldis, IV, 70.) Theils hat der Widerwille unserer Vorfahren gegen die andere Ehe zu diesem Sprichwort Gelegenheit gegeben, theils die betrübende Erfahrung, dass die Väter, so zur andern Ehe schreiten, sich von ihrer neuen Gattin leicht gegen die Kinder der ersten Ehe einnehmen lassen. Aber das Sprichwort ist keine ausnahmlose Regel, denn tausend Fälle beweisen das Gegentheil. Vielleicht gibt es ebenso viel brave, treue Stiefmütter, als gewissenlose rechte. Bei Tunnicius (370): De eine stefmoder heft, de kricht ôk wol einen stefvader. (Privignos agitat teneros cum patre noverca.)
23. Wo eine Stiefmutter im Haus, da sieht wenig Fried' und Freud' heraus.
Böhm.: V lese medrĕd a v domĕ macecha. – Z lesa honi medvĕd, s a z domu macecha. (Čelakovský, 401.)
*24. An der Stiefmutter Grabe weinen. – Wurzbach III, 72; Körte, 5743b; Braun, I, 4297.
Von erheuchelten Thränen.
*25. Er braucht keine Stiefmutter. – Parömiakon, 1466.
Er ist sehr streng gegen sich selbst, oder: er behandelt sich selber stiefmütterlich.
*26. Etwas seiner stieffmutter klagen. (S. ⇒ Henker 23.) – Franck, II, 16a; Egenolff, 18a; Körte, 5743c; Eiselein, 530; Wurzbach III, 72; Braun, I, 4296.
Holl.: Klaag het uwe stiefmoeder. (Harrebomée, II, 306a.)
Lat.: Apud novercum queri. (Eiselein, 580.)
*27. Um die Stiefmutter weinen. – Eiselein, 580.
Holl.: Hij schreit op zijn stiefmoeders graf. (Harrebomée, II, 306b.)
Lat.: Ad novercue tumulum fiere. (Eiselein, 580.)
28. Eine Stiefmutter ist den Kindern so heilsam wie Salz kranken Augen.
29. Stiefmutter im Haus theilt das Brot mit Murren aus.
It.: La matrigna la dà il pane e rigna. (Giani, 1032.)
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