[25] Abendmahl (Nachtmahl, Sakrament des Altars, Eucharistie), die allen christlichen Kirchen und Konfessionen, mit Ausnahme weniger Sekten, gemeinsame, aber in Form und Auffassung sehr verschiedene, mit dem Genuß von Brot und Wein verbundene Feier des Todes Christi und der Wirkungen desselben für die Gemeinde. Nach dem ersten Korintherbrief und den synoptischen Evangelien eine Stiftung Jesu, der es bei dem letzten Mahl mit seinen Jüngern (dem Passahmahl) in der Nacht vor seinem Tod eingesetzt haben soll, war das A. ursprünglich eine Gedächtnisfeier Jesu und seines Todes. Die Symbolik der Handlung schließt reiche und tiefe Beziehungen[25] auf die religiöse Bedeutung dieses Todes in sich, während sie an sich einem rituellen Gebrauch bei der Passahmahlzeit der Juden entspricht, nämlich der dem Hausvater obliegenden Austeilung des von ihm zuvor gebrochenen Brotes und des Bechers mit Wein unter bestimmten Gebeten und Lobpreisungen. Feierte das Volk Israel im Passah seine Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, seine Erwählung zum Bundesvolk, so gibt sich das A. einerseits als eine die Stiftung eines neuen Bundes inaugurierende Feier, durch welche der Tod des Stifters als die geschichtliche und fortwirkende Ursache eines neuen Verhältnisses der Gemeinde zu Gott erscheint, anderseits als Feier der Gemeinschaft dieser Jünger untereinander, als spezifisch christliches Liebesmahl (Kommunion). Wenn trotz dieses überall festgehaltenen Grundgedankens die Lehre vom A. im Mittelalter und im Reformationszeitalter der Gegenstand der erbittertsten Lehrstreitigkeiten geworden ist, so erklärt sich dies daraus, daß es sich in den verschiedenen Lehrgebieten um ein tiefgreifendes Auseinandergehen der Auffassungen des religiösen Gutes selbst und seiner Vermittelung handelt.
In der ersten Gemeinde wurde diese Gedächtnisfeier mit den Agapen (s. d.) verbunden. Bald genug wurde das A. aus diesem Verband und überhaupt aus dem Rahmen des jüdischen Bildes gelöst und dafür in Beziehung zu Anschauungen und Bräuchen gesetzt, die den heidnischen Mysterienkulten angehörten, es erscheint daher in den ältesten Kirchenordnungen als eine esoterische Feier, von der alle Ungetauften und unter Kirchenzucht Stehenden ausgeschlossen blieben (s. Sakrament). Desgleichen wurde nach Analogie jüdischer und heidnischer Opfermahlzeiten der Opferbegriff auf das A. angewendet und solches begründet mit dem Opfertode Christi. Dies geschah zuerst aller dings in durchaus schwankender, meist allegorisierender Weise. Ursprünglich bezeichnete das Wort Opfer (oblatio) sogar bloß die Darreichung der Bedürfnisse der Feier, d.h. der Elemente (Brot und Wein), durch die Gemeinde; sofort aber wurden diese Elemente vom Bischof durch ein Dankgebet abermals dargebracht oder geweiht, und so hieß denn bald das ganze A. ebenso Dankgebet (eucharistia) wie Opfer (thysia, sacrificium). Schon im 3. Jahrh. bezeichnete man als dieses Opfer speziell den eucharistischen, d.h. im A. gegenwärtig gedachten wahrhaftigen Leib Christi.
Je höher in der Folge die Vorstellungen von dem Gewicht und Erfolg des priesterlichen Handelns im Kultus stiegen, desto unwillkürlicher und unvermeidlicher setzten sich die mehr oder weniger symbolischen Anschauungen um in den Glauben an geheimnisvolle, aber reale Wirkungen, die von dem eucharistischen Leib und Blut ausgehen. Die Abendmahlsstreitigkeiten des Mittelalters, die im 9. (gegen Ratramnus) und im 11. Jahrh. (gegen Berengar von Tours) spielten, führten 1215 zur Proklamierung des Dogmas von der Verwandlung der Elemente (Brot und Wein) in Leib und Blut Christi (Transsubstantiation). Gleichzeitig trat die sakramentliche Bedeutung des Abendmahls hinter der sakrifiziellen, d.h. die Kommunion hinter der Messe (s. d.), zurück. Die Laien kommunizierten meist nur noch zu Ostern, und in den spätern Jahrhunderten des Mittelalters wurde ihnen auch der Kelch entzogen. Diesen forderten die Hussiten und die Reformatoren mit Erfolg zurück, und die letztern verwarfen auch die Transsubstantiation, ohne es indessen zur Übereinstimmung in den positiven Anschauungen zu bringen. Nur Zwingli ging bewußt und konsequent bis zu dem Gedächtnismahl zurück und gestaltete die Kommunion trotz Beibehaltung einiger an die Messe erinnernder liturgischer Stücke zu einer Gemeinschaftsfeier um; überall, wo der reformierte Typus zum unverkümmerten Ausdruck gelangte, nahmen auch die Teilhaber an der Feier die Elemente selbst in die Hand. Dagegen charakterisiert sich Luthers A., das er als ein wesentliches Glied eines vollständigen Gottesdienstes betrachtete, als geheimnisvolle Austeilung überirdischer Gnadengüter schon dadurch, daß der Geistliche die Elemente jedem einzelnen zum Altar hinzutretenden Gast unter steter Wiederholung einer die Gegenwart des wahrhaftigen Leibes Christi bezeugenden Spendeformel darreicht. Schon von seiner mönchischen Vergangenheit her haftete in ihm das Bedürfnis nach einem mündlichen Genuß des wahren Leibes und Blutes Christi, welche himmlischen Dinge der Konkordienformel gemäß kraft der Einsetzungsworte in, mit und unter den Elementen zum Genuß vorhanden sind und Gottlosen wie Frommen gespendet werden. Calvin nahm eine Mittelstellung ein, indem er Christi verklärte Leiblichkeit vom Himmel herab in geheimnisvoller Weise auf die gläubigen Abendmahlsgenossen einwirken und von ihnen geistlich genossen werden ließ (s. Ubiquität). Während seit den Zeiten der Aufklärung selbst supernaturalistische Lutheraner mehr in der Weise Calvins lehrten, hat der Rationalismus die Betrachtungsweise Zwinglis wieder aufgenommen, und wo die Union (s. d.) und mit ihr Abendmahlsgemeinschaft zwischen gebornen Lutheranern und Reformierten eingeführt ward, da ging man von den Grundsätzen aus, daß einmal die im A. statthabende Vereinigung mit Christus und die Aneignung der in ihr beschlossenen Heilsgüter eine Tatsache seien, die von den bestehenden Unterschieden der Vorstellung über den Hergang dabei nicht berührt werde, und daß zweitens eine Hauptbedeutung der Feier in ihrem sozialen Charakter beruhe. Vgl. D. Schulz, Die Lehre vom A. (2. Aufl., Leipz. 1831); Ebrard (reformiert), Das Dogma vom A. und seine Geschichte (Frankf. 1845); Kahnis (luther.), Die Lehre vom A. (Leipz. 1851); Rückert, Das A. (das. 1856); H. Schultz, Zur Lehre vom heil. A. (Gotha 1886); Grase, Die neuesten Forschungen über die urchristliche Abendmahlsfeier (Freib. 1895).
Wegen seiner großen geschichtlichen und rituellen Bedeutung ist das A. auch einer der wichtigsten Darstellungsgegenstände der christlichen Kunst geworden. Erst reihte man seine Darstellung in die Zyklen der Heils- und Passionsgeschichte ein; nachdem das Sakrament in der höchsten Steigerung des kirchlichen Begriffs anerkannt war, begann man es in großartiger Selbständigkeit auszuführen, indem man von zwei ganz verschiedenen Momenten ausging, entweder von der Einsetzung des Sakraments (so Signorelli im Chor des Doms zu Orvieto, wo aber der übliche Tisch entfernt ist und Christus durch die prächtig bewegte Gruppe der Jünger schreitet) oder von dem Augenblick, wo Christus die Gewißheit des Verrats ausspricht. Letzterer Moment konnte wieder nach den Worten der Schrift teils so gefaßt werden, daß sich durch gleichzeitiges Ergreifen des einzutauchenden Bissens der Verräter kenntlich machte (so Andrea del Sarto im Kloster San Salvi), teils in der Weise, daß das Wort Christi allein die geistige und physische Bewegung hervorruft (s. Leonardo da Vinci). Hierbei luden die reichen psychologischen Motive (besonders der Charakter des Judas Ischariot) zu individualisierender Behandlung ein. Als Bahnbrecher erscheinen nach den mancherlei Versuchen des Mittelalters Duccio[26] di Buoninsegna mit seinem Bild im Dom zu Siena und Giotto mit seinem Fresko in der Kirche der Madonna dell' Arena zu Padua, beide zu Anfang des 14. Jahrh.; sie folgen in ihrer schon ziemlich bewegten Darstellung dem biblischen Berichte. Dagegen hat Fra Angelico da Fiesole (im 15. Jahrh.) in dem großen Bilde des Klosters San Marco zu Florenz das A. einfach als eine kirchliche Kommunion aufgefaßt, an der er auch die Jungfrau Maria teilnehmen läßt. Eine Lieblingsdarstellung ward das A. für die Refektorien der Klöster, und für diesen Zweck hat Leonardo da Vinci das überhaupt bedeutendste Bild des Abendmahls, dessen Motiv die Ankündigung des Verrats ist, gegen Ende des 15. Jahrh. in dem Dominikanerkloster der Maria delle Grazie zu Mailand gemalt. Unter den Deutschen haben Dürer, Cranach der ältere, Holbein der jüngere, in neuerer Zeit Overbeck, Schnorr, Cornelius (Glaubensschild Friedrich Wilhelms IV.), Heinr. Heß, Wach, Pfannschmidt, E. v. Gebhardt, F. v. Uhde, E. Zimmermann u.a., in Frankreich Dagnan-Bouveret hervorragende Darstellungen des Abendmahls geschaffen. Rubens malte das A. für die Romualdskirche in Mecheln (jetzt in der Brera zu Mailand) und Nicolas Poussin in seiner Darstellung der sieben Sakramente. Vgl. Riegel, Über die Darstellung des Abendmahls, besonders in der toskanischen Kunst (Hannov. 1869); Dobbert, Die Darstellung des Abendmahls durch die byzantinische Kunst (Leipz. 1872); Derselbe, Das A. Christi in der bildenden Kunst bis gegen Schluß des 14. Jahrhunderts (»Repertorium für Kunstwissenschaft«, Bd. 13 ff.).
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