Overbeck

[266] Overbeck, 1) Christian Adolf, Dichter, geb. 21. Aug. 1755 in Lübeck, gest. daselbst 9. März 1821, studierte 1773–75 in Göttingen, wo er mit den Mitgliedern des dortigen Dichterbundes in freundschaftlichen Verkehr trat, wurde 1779 Obergerichtsprokurator in seiner Vaterstadt, dann Syndikus des Domkapitels, Konsulent der Bürgerschaft, Senator und nach 1814 Bürgermeister und Präsident des Obergerichts. Er hat sich durch si unige und zarte Lieder bekannt gemacht (gesammelt, Lübeck 1794 u. 1800), von denen mehrere (z. B. »Blühe, liebes Veilchen«, »Warum sind der Tränen etc.«, »Das waren mir selige Tage«) sich durch den Gesang weit verbreitet haben.

2) Johann Friedrich, Maler, Sohn des vorigen, geb. 4. Juli 1789 in Lübeck, gest. 12. Nov. 1869 in Rom, bildete sich, nachdem er sich schon vorher mit dem Geiste der Romantik vertraut gemacht, seit 1806 auf der Wiener Akademie und fand hier in Pforr, Vogel u.a. gleichgesinnte Freunde, die sich vornehmlich mit dem Studium der alten Niederländer und Italiener befaßten und zu der Akademie in Gegensatz gerieten. 1810 mußten sie die Lehranstalt verlassen und gingen nach Rom, wo sie mit W. v. Schadow zusammentrafen. Im folgenden Jahre gesellte sich Cornelius zu ihnen, noch später Ph. Veit und J. Schnorr, und diese fünf bildeten nun im Verein mit andern jene Kunstbruderschaft, die ihr Atelier im Kloster San Isidoro aufschlug und aus dem Grundsatz heraus, Religion und Moral müßten als Richtschnur künstlerischer Bestrebungen gelten, eine Wiederbelebung der deutschen Kunst auf der Grundlage der italienischen Quattrocentisten (Präraffaeliten) erstrebte. Aus den »Klosterbrüdern von San Isidoro« bildete sich später die noch strengere Richtung der »Nazarener« heraus, deren Haupt O. war. Das Werk, wodurch die neugegründete romantische Malerschule Geltung errang, waren die 1887 nach Berlin übergeführten [266] Fresken aus der Geschichte Josephs, womit der preußische Generalkonsul Bartholdy ein Zimmer des obersten Stockwerks in der Casa Zuccaro bei Trinità de' Monti ausschmückte; O. malte hier 1816 den Verkauf Josephs (Karton im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt a. M.) und die sieben magern Jahre. Von den Fresken, die später Marchese Massimi in seiner Villa ausführen ließ, malte O. fünf, für die er den Stoff aus Tassos »Befreitem Jerusalem« nahm. Bald darauf folgte das vorzüglichste seiner Freskobilder: das Rosenwunder des heil. Franz in Santa Maria degli Angeli bei Assisi. Von seinen wenig zahlreichen Ölgemälden sind hervorzuheben: der Einzug Christi in Jerusalem (in der Marienkirche zu Lübeck); Italia und Germania (in der Neuen Pinakothek zu München); Christus auf dem Ölberg (in Hamburg); die Vermählung der Maria (Sammlung Raczynski im Kaiser Friedrich-Museum zu Posen); der Tod des heil. Joseph (im Museum zu Basel); die Krönung Mariä (in einer Chorkapelle des Kölner Doms); der Triumph der Religion in den Künsten (1840, im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt a. M.); Christus auf dem Berge von Nazareth (im Museum zu Antwerpen). Noch hervorragender sind seine Zeichnungen, darunter die Zyklen: das Leben Jesu Christi, 40 Blatt, gestochen von Keller, Bartoccini, Pflugfelder, Steifensand u.a.; die Passion (14 Stationen, in Buntdruck vervielfältigt) und die sieben Sakramente (1861, Berliner Nationalgalerie), in Holzschnitt von Gaber in Dresden (3. Aufl., Regensb. 1882) vervielfältigt. O. ist unter den Stiftern der romantischen Schule fast der einzige, der mit Entschiedenheit die an sän gliche Richtung der Schule festgehalten hat. Seine Werke zeichnen sich durch eine künstlerisch vollendete Komposition, Einfachheit des Ausdruckes und Anmut der äußern Linienführung aus, die an Perugino, Francia und an die Frühzeit Raffaels erinnert, sind aber hart in der Farbe, oft weichlich in der Empfindung und schwächlich in der Wiedergabe des Körperlichen. Mit seiner künstlerischen Richtung hing auch sein Übertritt zum Katholizismus (1813) zusammen. Die bedeutendsten seiner Schüler waren E. Steinle und Führich. Vgl. Howitt, F. O., sein Leben und Schaffen (deutsch von Binder, Freiburg 1886, 2 Bde.); Valentin in Dohmes. »Kunst u. Künstler des 19. Jahrhunderts« (Leipz. 1883–85).

3) Johannes Adolf, Archäolog, Neffe des vorigen, geb. 27. März 1826 in Antwerpen, gest. 8. Nov. 1895 in Leipzig, studierte in Bonn, habilitierte sich 1850 daselbst und folgte 1853 einem Ruf als Professor der klassischen Archäologie und Vorstand der archäologischen Sammlung nach Leipzig. Er schrieb außer einer großen Zahl von Aufsätzen und Abhandlungen, deren Mehrzahl in den Schriften der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften publiziert ist: »Katalog des königlichen rheinischen Museums vaterländischer Altertümer« (Bonn 1851);. »Die römische Villa bei Weingarten« (das. 1851); »Die Bildwerke zum thebanischen und troischen Heldenkreis« (Halle 1851–53, mit Atlas); »Kunstarchäologische Vorlesungen« (Braunschw. 1853); »Pompeji in seinen Gebäuden, Altertümern und Kunstwerken« (Leipz. 1855; 4. Aufl. mit A. Man, 1884); »Geschichte der griechischen Plastik« (das. 1857–58, 2 Bde.; 4. Aufl. 1893–94); »Beiträge zur Erkenntnis und Kritik der Zeusreligion« (das. 1861); »Über die Lade des Kypselos« (das. 1865); »Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen« (das. 1868); »Griechische Kunstmythologie« (Zeus, Hera, Poseidon, Demeter und Kora, Apollon, das. 1871–89, 5 Tle. mit Atlas).

4) Franz, prot. Theolog, geb. 16. Nov. 1837 in St. Petersburg, gest. 26. Juni 1905 in Basel, studierte Theologie in Leipzig und Göttingen, habilitierte sich 1864 in Jena und wurde 1870 außerordentlicher, 1872 ordentlicher Professor der Theologie in Basel. Als Theolog radikal gerichtet und mit dem kirchlichen Christentum zerfallen, hat er die kritische Erforschung des Urchristentums und der alten Kirche durch wertvolle Beiträge bereichert. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: »Quaestionum Hippolytearum specimen« (Jena 1864); die Neubearbeitung von De Wettes »Erklärung der Apostelgeschichte« (4. Aufl., Leipz. 1870); »Entstehung und Recht einer rein historischen Betrachtung der neutestamentlichen Schriften« (Basel 1871); »Über die Christlichkeit unsrer heutigen Theologie« (Leipz. 1873, 2. Aufl. 1903); »Studien zur Geschichte der alten Kirche« (Chemn. 1875, Heft 1); »Über die Auffassung des Streits des Paulus mit Petrus in Antiochien bei den Kirchenvätern« (Basel 1877); »Zur Geschichte des Kanons« (Chemn. 1880); »Die Anfänge der Kirchengeschichtschreibung« (Basel 1893); »Die Bischofslisten und die apostolische Nachfolge in der Kirchengeschichte des Eusebius« (das. 1898). Nach Overbecks Tod erschienen »Briefe an Peter Gast« und »Erinnerungen an Friedrich Nietzsche« (s. d.), mit dem er eng befreundet war (beides hrsg. von Bernoulli in der »Neuen Rundschau«, 1906). Vgl. C. A. Bernoulli, Franz O. im »Basler Jahrbuch«, 1906.

5) Fritz, Maler und Radierer, geb. 15. Sept. 1869 in Bremen, studierte seit 1889 auf der Düsseldorfer Akademie unter Peter Janssen, Forberg und E. Dücker. 1892 ging er zuerst nach dem Moordorf Worpswede in der Nähe von Bremen, wo er sich 1895 dauernd niederließ. Seit 1905 lebt er in Bröcken bei Vegesack. O. gehört zu der Gruppe Worpsweder Künstler, die seit der Mitte der 1890er Jahre durch ihre meist von schwermütigem Ernst erfüllten, tiefes Naturgefühl ausströmenden Bilder aus der dortigen Gegend Aufsehen erregten. Von seinen Landschaften gelangte Am Weyersberg (1897) in das Museum zu Solothurn, Frühling (1898) in das Museum zu Breslau, Ein stürmischer Tag (1902) in die Bremer Kunsthalle, Im Moor (1904) in die Münchener Pinakothek. 1897 erhielt er in München und in demselben Jahr in Dresden die kleine goldene Medaille.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 266-267.
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