Kunstwissenschaft

[821] Kunstwissenschaft, die Kenntnis und die aus ihr erwachsende schriftliche Darstellung des Wesens und der Entwickelung der bildenden Künste. Die wissenschaftliche Tätigkeit zerfällt hierbei in drei gesonderte Stadien; erstens: das vorliegende Material muß gesammelt und jedes einzelne Stück nach seinen Eigenschaften untersucht und nach verschiedenen Gesichtspunkten in eine systematische Übersicht gebracht werden. Diesen ersten Teil der K. wird man passend die Denkmälerkunde benennen. Zweitens ist das chronologisch angeordnete Material auf die für gewisse Zeitalter bezeichnenden Eigenschaften hin, auf ihre Entstehung und Bedeutung, ihre Modifikationen und ihre Verbreitung, ihre Stellung im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Kultur und ihre Wichtigkeit und Wirksamkeit im innern Entwickelungsgang der Kunst und der Menschheit einer Prüfung zu unterziehen. Diese zweite kunstwissenschaftliche Aufgabe fällt der Kunstgeschichte (s. d.) zu. In der Schule der historischen Kunstbetrachtung enthüllt sich dem Kunstforscher die Kunst als eine eigenartige Erscheinung, als eine von andern charakteristisch verschiedene Betätigung des menschlichen Geistes, als ein in dem Wechsel der Erscheinungen noch nicht vollständig erkanntes Moment. Mit den darauf gerichteten Forschungen beschäftigt sich die Philosophie der Kunst oder Ästhetik. Auf jeder dieser drei Stufen bedarf die K. außerdem verschiedener Hilfswissenschaften. Auf den beiden ersten geht die Beschäftigung mit der antiken Kunst und ihren Werken der mit dem Mittelalter und der Neuzeit vorauf und eilt ihr also auch in ihren Ergebnissen voran; daher ist eine abgesonderte Betrachtung der antiken und der modernen K. nötig geworden. Über die erstere s. Näheres bei Archäologie.

Erst geraume Zeit, nachdem die Behandlung der antiken Kunstgeschichte in ein wissenschaftliches System gebracht worden war, sing man an, das Material der mittelalterlichen und modernen K. zu suchen und zu sichten. Die ersten wichtigen Publikationen traten anläßlich der Anhäufung von Kunstwerken in Paris durch Napoleon aus Licht: in H. Laurents »Musée royal« (als Fortsetzung des »Musée français«) waren immer drei Gemälde mit einer Antike verbunden. Am frühesten und eifrigsten regte sich der Lokalpatriotismus der Italiener in dieser Richtung: »Etruria pittrice« (1791–95 ff.), noch früher G. Hamilton, dessen Antikenkabinett d'Hancarville 1766–67 und dessen griechische Vasen W. Tischbein in seinem Prachtwerk »Schola italica picturae« von 1791 an herausgab. Von den Arbeiten der Franzosen sind nächst Crozats frühem Versuch in seinem »Recueil d'estampes« (1729 u. 1742) C. P. Landons »Vies et œuvres des peintres les plus célèbres« (1803–24, 25 Bde.) und seine »Annales du musée« (2. Ausg. 1829) sowie des ältern Duchesne »Musée de peinture et de sculpture« (1829–34) zu erwähnen. Indessen war für die moderne Malerei durch Massenpublikationen in flüchtigen Umrißstichen nichts gewonnen, und sie traten daher zurück. Wirkliche tüchtig durchgeführte einzelne Kupferstiche mußten den Mangel ersetzen, bis in neuester Zeit die Photographie, die bei allen Arten von kunstwissenschaftlichen Abbildungen ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden ist, und die auf ihr beruhenden mechanischen Reproduktionsverfahren gute Nachbildungen von Gemälden, Handzeichnungen, Skulpturen etc. geliefert hat. Von speziellen Sammelwerken für die Skulptur ist der Atlas zu Cicognaras »Storia della scultura« (1823–24) eins der bedeutendsten, ferner des Grafen Clarac »Musée de sculpture« (1826–53), zum größten Teil Antiken enthaltend. Sehr groß ist die Zahl der Denkmälersammlungen für Architektur, die, in der Regel auf einen bestimmten Landstrich oder eine Stadt beschränkt, erschöpfende Darstellungen der Baumonumente einer solchen Region gewähren. Mustergültig sind die »Archives de la Commission des monuments historiques de France«, die »Mitteilungen der k. k. österreichischen Zentralkommission zur Erforschung der Baudenkmale« und die »Monumentos arquitectonicos in España«. Eine große Anzahl trefflicher Spezialwerke rief die in der romantischen Periode erwachte Vorliebe für mittelalterliche Bauformen sowie die Reaktion dagegen hervor: Boisserées »Dom zu Köln«, Puttrichs »Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen«, Lübkes »Mittelalterliche Kunst in Westfalen«, Hübsch' »Altchristliche Kirchen« und viele andre Werke. Ein zusammenfassendes Hauptwerk sind Gailhabauds »Denkmäler der Baukunst aller Zeiten und Länder« (deutsch von Lohde). Systematische Sammlungen von Denkmälern aller Art zum Handgebrauch für das kunstwissenschaftliche Studium sind: Seroux d'Agincourts »Sammlung von Denkmälern der Architektur, Skulptur und Malerei vom 4.–17. Jahrhundert« (deutsch von Quast), »Die Denkmäler der Kunst zur Darstellung ihres Entwickelungsganges« (6. Aufl. von Lübke und K. v. Lützow, Klassikerausgabe, Stuttg. 1897–98).

Als Hilfswissenschaften und Hilfsmittel der Denkmälerkunde sind zu bezeichnen Kunstgeographie und Kunsttopographie, Reise- und andre periëgetische Werke, welche die Kunstwerke eines Landes oder Ortes verzeichnen und beschreiben, wie z. B. Bunsens »Beschreibung der Stadt Rom« (1829–42), die seit 1862 erschienene »Statistik der deutschen Kunst des Mittelalters und des 16. Jahrhunderts« von Wilhelm Lotz und die seit Mitte der 1870er Jahre erscheinenden zahlreichen Inventare von Kunstdenkmälern, die sich auf alle Länder des Deutschen Reiches (nach Provinzen und Kreisen geordnet) erstrecken. Auch Jakob Burckhardts meisterhafter »Cicerone« für Italien gehört nach Plan und Anlage hierher. Ein wichtiger Zweig der Kunsttopographie ist die Museenkunde, deren Haupthilfsmittel die Kataloge der Sammlungen bilden. Epochemachend waren die 1852 erschienene ganz neue Bearbeitung des Katalogs der Louvregalerie, der Katalog des Antwerpener Museums (1857) und der Katalog der Berliner Gemäldegalerie (1883) sowie die Schriften von Waagen, BürgerMusées de la Hollande«, 1858 und 1860), Lermolieff (1880), W. Bode und A. Bredius, denen in neuester Zeit auf dem Gebiete der Bilderkritik Frizzoni, Venturi, C. Ricci, Hofstede de Groot, Berenson u. a. gefolgt sind.

Zur Erklärung der Denkmäler dienen ferner noch einige andre Wissenschaften, wie: die Paläographie zur richtigen Würdigung der Inschriften; die Numismatik[821] zur genauern Bestimmung der von der K. nur auf ihren Kunstcharakter geprüften Münzen, aber auch zur Aufhellung andrer historischer und kunstwissenschaftlicher Fragen; die Ikonographie zur Orientierung über die auf Kunstwerken vorkommenden Bildnisse, besonders auch die der Heiligen wegen der Häufigkeit ihrer Darstellung (für die alte Kunst an Stelle der letztern die Kunst mythologie); die Heraldik zur Bestimmung der Wappen und Embleme etc.

Geschichtliche Entwickelung der Kunstwissenschaft.

Die Entwickelung der deutschen K. läßt sich in drei Perioden gliedern. An der Spitze der ersten Periode steht Winckelmanns »Geschichte der Kunst des Altertums«, der die gleichzeitigen archäologischen Untersuchungen Lessings wegen ihrer kritischen Methode an die Seite zu setzen sind. Goethe und neben ihm J. H. Meyer, K. A. Böttiger und Karl Fernow machten sich durch ihre Gelegenheits- und periodischen Schriften um die Verbreitung des Kunstverständnisses verdient; indessen behandelten sie die kunstgeschichtlichen Stoffe noch vom Standpunkt eines schöngeistigen Dilettantismus. Murr trug in seinem »Journal für Kunstgeschichte« nur Material zusammen, das sich auf die deutsche Kunst, besonders die Nürnbergs, bezog. Den ersten Versuch einer umfassenden Darstellung machte Fiorillo mit seiner »Geschichte der zeichnenden Künste« (1798), die aber überwiegend aus literarischen Quellen geschöpft war. Auch die Arbeiten Hirts tragen noch einen durchaus dilettantischen Charakter, ebenso wie das von Hans Rudolf Füßli begonnene und von seinem Sohn 1821 vollendete »Allgemeine Künstlerlexikon«, das bald durch das Naglersche Werk (»Neues allgemeines Künstlerlexikon«, 1835–52) verdrängt wurde. Inzwischen war in dem von Schorn seit 1817 geleiteten Stuttgarter »Kunstblatt« (anfangs Beilage zum Cottaschen »Morgenblatt«) ein eignes Organ für die K. entstanden, und in diesem veröffentlichte Baron K. F. v. Rumohr seit 1818 seine Studien über Kunstwerke in Italien, die als Buch u. d. T.: »Italienische Forschungen« (1826–31) erschienen. Mit diesem Werk, das zum erstenmal die Kunstdenkmäler selbst zum Gegenstand kritischer Betrachtung macht, hebt die zweite Periode der deutschen K. an. Dadurch erhielt der ästhetisierende Dilettantismus sowohl als die literarische Kompilation, die bis dahin die kunstgeschichtliche Literatur beherrscht hatten, einen empfindlichen Stoß. Der nächste, der den Fußstapfen Rumohrs folgte und die Autopsie der Kunstdenkmäler zum Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen Tätigkeit nahm, war G. F. Waagen (s. d.). Durch zahlreiche Reisen erwarb er sich eine umfassende, von keinem Zeitgenossen erreichte Denkmälerkenntnis. In gleicher Weise empirisch verfuhren Franz Kugler (s. d. 1) und Karl Schnaase (s. d.), die man mit Waagen als die Nestoren der modernen K. bezeichnet. Während Schnaase 1834 in seinen »Niederländischen Briefen« ein noch heute gültiges Muster kritischer Analyse und philosophisch-historischer Kunstbetrachtung mit steter Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Verhältnisse aufstellte, veröffentlichte Kugler seine Reisestudien in Zeitschriften. Seit 1850 erhielt Berlin, nachdem das Stuttgarter »Kunstblatt« eingegangen war, in dem von Fr. Eggers ins Leben gerufenen »Deutschen Kunstblatt« (1850–58) ein Organ, in dem sich die Koryphäen wie die Jünger der K. vereinigten. Von Kuglers Schriften galt das »Handbuch der Geschichte der Malerei von Konstantin d. Gr. bis auf die neuere Zeit« 30 Jahre lang als der sicherste Führer in diesem Zweig der Kunstgeschichte. Ebenfalls epochemachend war sein »Handbuch der Kunstgeschichte« (1841–42). 1843 begann Schnaase sein monumentales Werk, die »Geschichte der bildenden Künste« (1864 vollendet, 2. Aufl. 1865–77). Kugler ließ auf seine Spezialgeschichte der Malerei noch eine solche der Baukunst folgen, von der er jedoch nur drei Bände vollendete, die bis zum Ausgang des Mittelalters reichen. Die italienische Renaissance behandelte zur Fortsetzung des Kuglerschen Werkes der Historiker Jakob Burckhardt (s. d. 3), der Verfasser des »Cicerone«, in mehr systematischer Weise, die Geschichte der deutschen und französischen Renaissance Wilhelm Lübke (s. d.). Den Schluß bildete die »Geschichte des Barockstils, des Rokoko und des Klassizismus« von C. Gurlitt. Von umfassenden, auf alle Zweige der Kunst gerichteten Spezialstudien ausgehend, strebte Lübke vor allen danach, die Resultate seiner Forschungen in allgemein verständlicher Form dem gebildeten Publikum zugänglich zu machen.

Während der 1850er Jahre war Berlin der Hauptsitz der K. Daneben kam noch München in Betracht, wo der Maler und Schriftsteller Ernst Förster, der seit 1842 auch an der Redaktion des »Kunstblattes« beteiligt war, durch zahlreiche für das große Publikum berechnete Schriften für die Ausbreitung kunstgeschichtlicher Kenntnisse wirkte. Nachdem so durch Kugler, Schnaase und Lübke das Gebäude aufgezimmert war, konnten die nachstrebenden Jünger der K. an den innern Ausbau gehen. Nach dem Eingehen des »Deutschen Kunstblattes« wurde 1862 in Wien durch K. v. Lützow (s. d.) ein neues periodisches Organ in den »Rezensionen und Mitteilungen über bildende Kunst« gegründet.

In diesem fanden sich zuerst die Männer zusammen, welche die dritte Periode der K., die überwiegend kritische und spezialistische, begonnen haben, neben dem Herausgeber der ausgezeichnete Bilderkenner O. Mündler, Julius Meyer, Anton Springer, Alfred Woltmann, R. v. Eitelberger, J. Falke, M. Carrière, der die Kunst im Gegensatz zu den jüngern als Gegenstand des philosophischen Erkennens behandelte, Albert v. Zahn, R. Bergau, R. Marggraff, H. Hettner, H. Grimm, M. Thausing u. a. Die vorwiegend kritische Haltung dieses Organs ist für die neue Periode der K. charakteristisch. Durch die Untersuchungen von Crowe und Cavalcaselle auf dem Gebiete der niederländischen und italienischen Malerei wurde sie nur noch mehr bestärkt, auf dem betretenen Weg weiter zu schreiten. Alfred Woltmann eröffnete mit seiner Monographie »Holbein und seine Zeit« 1866 die Reihe der Spezialwerke, aus denen sich bis jetzt schon eine äußerst umfangreiche Literatur gebildet hat. Aus den »Rezensionen etc.« entwickelte sich 1866 wiederum unter der Leitung K. v. Lützows die »Zeitschrift für bildende Kunst«, seit 1884 mit der Beilage »Kunstgewerbeblatt«, die in Deutschland zuerst die Radierung als reproduzierende Kunst zu Ehren brachte, während die vorwiegend kritische Richtung der »Rezensionen« 1868–73 in den von A. v. Zahn herausgegebenen »Jahrbüchern für K.« fortgesetzt wurde, an deren Stelle seit 1875 das »Repertorium für K.«, anfangs unter der Leitung von Schestag, von A. Woltmann, H. Janitschek, jetzt von H. Thode und H. v. Tschudi getreten ist. Wien blieb bis in die Mille der 1870er Jahre der Hauptort für die kunstwissenschaftlichen Studien. Hier entstand M. Thausings Biographie Dürers, hier wurden unter R. v. Eitelbergers Leitung die »Quellenschriften für Kunstgeschichte«[822] herausgegeben, und in den »Mitteilungen der k. k. Zentralkommission zur Erhaltung und Erforschung der Kunstdenkmäler« hatte man für den österreichischen Kaiserstaat ein Spezialorgan, dem 1883 das »Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses« zur Seite trat. In Leipzig waren vorzugsweise Anton Springer (s. d.) und eine Zeitlang Max Jordan (s. d. 5) tätig. In München haben Fr. Reber (s. d.) durch eine Anzahl von umfassenden Darstellungen, W. Schmidt, A. Bayersdorffer u. a. durch zahlreiche Abhandlungen die K. neu begründet, während die archäologische Wissenschaft, die früher in Fr. Thiersch ihren Hauptvertreter sah, später in H. Brunn (»Geschichte der griechischen Künstler«) eine Säule fand und jetzt durch Furtwängler vertreten wird. Auf dem Gebiete der künstlerischen Tageskritik war Fr. Pecht tätig, der auch bis zu seinem Tod an der Spitze der 1885 gegründeten Zeitschrift »Die Kunst für Alle« stand. Neben ihm ist noch R. Muther (seit 1894 in Breslau) zu nennen. Die Archäologie hatte in den 1830er, 1840er, 1850er und 1860er Jahren in Berlin durch Tölken, Panofka, E. Gerhard, dann durch Curtius und Friederichs ihre Hauptpflege genossen. Als dann in der Mitte der 1870er Jahre durch die Reorganisation der Berliner Museen, durch ihre ansehnlichen Erweiterungen und durch die Besetzung der Direktorenstellen mit Gelehrten das Interesse für die alte Kunst in Berlin einen großen Aufschwung nahm, wurde Berlin auch wieder der vornehmste Sitz der Archäologie und K. Die letztere hatte eine Zeitlang, nur durch Eggers, Guhl, H. Grimm und einige jüngere gehalten, ein bescheidenes Dasein gefristet, bis auch sie durch Berufung von auswärtigen Gelehrten, wie Julius Meyer, W. Bode, Fr. Lippmann (Spezialist auf dem Gebiete des Kupferstichs und Holzschnittes, das bis dahin durch A. Bartsch, Passavant, Heller, Sotzmann, Naumann, Andresen, Nagler, Wessely u. v. a., stark gepflegt worden ist), A. Conze (Archäolog) u. a., zu neuer Blüte gebracht wurde. An der Universität wurde die K. durch Herman Grimm (s. d. 8) vertreten, jetzt durch H. Wölfflin, K. Frey u. a. Neben Conze ist jetzt besonders R. Kekule von Stradonitz (s. d. 2) auf dem Gebiete der Archäologie tätig. R. Dohme versammelte in seinem großen Werke »Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit« fast alle Fachgenossen um sich. Außerdem fanden die Museumsbeamten seit 1879 ein Zentralorgan in dem »Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen«. Ferner sind in Berlin tätig: L. Pietsch (s. d.) auf dem Gebiete der Kritik über moderne Kunst, A. Rosenberg (s. d.) auf dem Gebiete der ältern und neuern Kunstgeschichte, G. Voß (seit 1900 Konservator der Kunstdenkmäler Thüringens) und J. Lessing (s. d.), dieser vorwiegend auf dem Gebiete der kunstgewerblichen Literatur, die, als Zweig der K., vorzugsweise durch Bucher (»Geschichte der technischen Künste«), Falke, Ilg in Wien, Stockbauer in Nürnberg und Brinckmann in Hamburg bereichert worden ist. Von den jüngern sind P. Jessen und R. Borrmann in Berlin, O. v. Falke in Köln, K. Berling in Dresden, R. Graul (s. d. 2) in Leipzig und G. Pazourek in Reichenberg i. B. zu nennen. Von Wien ist auch die Publikation der Wiener Belvederegalerie durch K. v. Lützow ausgegangen, die für andre Publikationen ähnlicher Art mustergültig geworden ist. In Wien erscheinen auch »Die graphischen Künste«, das Organ der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Hier fand auch 1873 der erste kunsthistorische Kongreß statt, der jedoch erst wieder auf Anregung K. v. Lützows 1893 in Nürnberg und 1894 in Köln Nachfolger fand und seitdem eine dauernde Einrichtung geworden ist. Durch ihn ist die Gründung des Kunsthistorischen Instituts (s. d.) in Florenz, der »Gesellschaft für photographische Publikationen«, die seit 1896 erscheinen, und der »Gesellschaft für ikonographische Studien« veranlaßt worden. In Leipzig ist jetzt A. Schmarsow tätig, in Bonn Karl Justi und P. Clemen, in Heidelberg H. Thode, in Straßburg G. Dehio und A. Michaelis (Archäolog). In Dresden wird die K. vornehmlich durch K. Woermann, W. v. Seidlitz, G. Treu (Archäolog), K. Lehrs (seit 1905 als Nachfolger Lippmanns in Berlin) und H. W. Singer (letztere beide Spezialforscher auf dem Gebiete der graphischen Künste) vertreten. Von österreichischen Vertretern der K. sind F. Wickhoff und Th. Frimmel (Wien) und H. Strzygowski (Graz) hervorzuheben. Die Kostümkunde, die ebenfalls als Zweig der K. betrachtet wird, wurde durch H. Weiß (»Kostümkunde«, 1860 bis 1872) begründet und hat später in dem Maler A. v. Heyden (s. d. 4) und J. Falke verständnisvolle Bearbeiter gefunden.

An der Spitze der Geschichte der italienischen K. steht das umfangreiche Biographienwerk des Malers Giorgio Vasari: »Le vite dei più eccellenti pittori, scultori ed architetti«, das häufig aufgelegt, übersetzt und kommentiert wurde (beste Ausgaben von Lemonnier und Milanesi). Von da ab entwickelte sich eine sehr reiche Kunstliteratur, die sich teils mit biographischen Zusammenstellungen, teils mit lokalgeschichtlichen, später urkundlichen Forschungen beschäftigte. Aus dem 16. Jahrh. sind noch der sogen. Anonymus des Morelli (wahrscheinlich der venezianische Patrizier Marcantonio Michiel), Fr. Sansovino, Condivi, aus dem 17. Baglione, Passeri, Bellori, Graf Malvasia, aus dem 18. Baldinucci zu nennen Im 19. Jahrh. und in der neuesten Zeit haben sich besonders der Däne Gaye, Ticozzi, Pungileoni, Bottari, Gualandi, Gotti, Milanesi, Bertolozzi, Cavalcaselle, der Deutsch schreibende Morelli (Lermolieff), G. Frizzoni, A. Venturi, C. Ricci u. a. um die italienische K. verdient gemacht. Für die Geschichte der niederländischen und deutschen Künstler sind die Sammelwerke von Karel van Mander, Joachim v. Sandrart, Houbraken, Descamps die ersten Quellen gewesen, bis die urkundlichen Forschungen von Rombouts und van Lerius, van der Willigen, Vosmaer, Rooses, van den Branden, Génard, Obreen, Bredius, Hofstede de Groot u. a. den Boden für eine wissenschaftliche Behandlung der niederländischen Kunstgeschichte bereiteten, deren Resultate in mehreren Fachzeitschriften niedergelegt wurden. In Frankreich reicht die Geschichte der K. in das 17. Jahrh. zurück, wo unter andern Félibien und Roger de Piles tätig waren. Aus dem 18. Jahrh. ist besonders Mariette zu nennen; doch nahm die literarische Beschäftigung mit der Kunstgeschichte bald eine belletristische Färbung an und hat sie bis auf die Gegenwart behalten. Eine große Anzahl gewandter Schriftsteller ist bestrebt, die Ergebnisse kunstwissenschaftlicher Forschungen dem Publikum in populären, meist reich illustrierten Büchern mundgerecht zu machen. Clément, P. Mantz, Chesneau, Guiffrey, Havard, Gonse, Clarétie, Ch. Blanc, Lafenestre sind besonders zu nennen. Am wertvollsten durch wissenschaftliche Methode sind die Arbeiten von E. Müntz und E. Michel. Das Zentralorgan der französischen Kunstschriftsteller ist die »Gazette des beaux-arts«, neben der noch »L'Art«[823] (seit 1875) und »Les Arts« (seit 1902) zu nennen sind. Von englischen Kunstgelehrten sind aus älterer Zeit Ch. Perkins, J. A. Crowe und W. J. Weale, aus neuerer Zeit W. Armstrong, Cl. Phillips, B. Berenson, H. Cook, L. Cust, Symonds, A. Dobson, Lord Ronald Sutherland Gower und Maud Cruttwell zu erwähnen.

Nähere Angaben zur Kunstliteratur findet man bei den Artikeln über die einzelnen Zweige der Kunst (Architektur, Bildhauerkunst, Malerei, Kupferstecher- und Holzschneidekunst, Kunstgewerbe etc.). Hier erwähnen wir nur als die bekanntesten zusammenfassenden Hand- und Lehrbücher der Kunstgeschichte: Lübke, Grundriß der Kunstgeschichte (12. Aufl. von M. Semrau, Stuttg. 1899–1905); H. Riegel, Grundriß der bildenden Künste (4. Aufl., Frankf. 1895); Schmarsow, Grundbegriffe der K. am Übergang vom Altertum zum Mittelalter etc. dargestellt (Leipz. 1905); A. Schultz, Allgemeine Geschichte der bildenden Künste (Berl. 1894 ff.); A. Spring er, Handbuch der Kunstgeschichte (7. Aufl., Leipz. 1904, 4 Tle.); A. Kuhn (Benediktiner), Allgemeine Kunstgeschichte (Einsiedeln 1891 ff.), Frantz, Handbuch der Kunstgeschichte (Freib. i. Br. 1900) und Fäh, Geschichte der bildenden Künste (2. Aufl., das. 1903), diese drei Werke vom katholischen Standpunkt; F. X. Kraus, Geschichte der christlichen Kunst (das. 1895–1900, 2 Bde.); Woermann, Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (Leipz. 1900 ff.); Goeler v. Ravensburg, Grundriß der Kunstgeschichte (2. Aufl. von M. Schmid, Berl. 1902); Knackfuß, Zimmermann u. Gensel, Allgemeine Kunstgeschichte (Bielef. 1896–1903, 3 Bde.); A. Rosenberg, Handbuch der Kunstgeschichte (das. 1902); M. Schmid, Kunstgeschichte (Neudamm 1903). Allgemein orientierende Werke über Kunst in lexikalischer Form, außer dem bereits genannten Künstlerlexikon von Nagler: »Allgemeines Künstlerlexikon« (3. Aufl. von Singer, Frankf. a. M. 1894–1901, 5 Bde.); Müller und Mothes, Illustriertes archäologisches Wörterbuch (Leipz. 1878); Spemanns »Kunstlexikon« (Stuttg. 1904); Bucher, Reallexikon der Kunstgewerbe (Wien 1883); das »Dictionnaire de l'Académie des beaux-arts« (Par., seit 1858); Siret, Dictionnaire historique et raisonné des peintres (3. Aufl., Brüssel 1883, 2 Bde.); Bellier de la Chavignerie und Auvray, Dictionnaire général des artistes de l'école française (Par. 1882–85, 2 Bde.; Supplement 1887); S. Redgrave, Dictionary of artists of the English school (2. Aufl., Lond. 1878); Bryan, Dictionary of painters and engravers (neue Ausg. von Graves u. Armstrong, das. 1898, 2 Bde.); Bosc, Dictionnaire de l'art, de la curiosité et du bibelot (Par. 1883); Mollett, An illustrated dictionary of words used in art and archaeology (Lond. 1883); Adeline, Lexique des termes d'art (Par. 1884). Von Zeitschriften und sonstigen periodischen Erscheinungen sind außer den bereits erwähnten noch zu nennen: »Die Kunst für alle« (Münch., seit 1886; seit 1899 u. d. T.: »Die Kunst«); »Die Kunst unsrer Zeit« (das., seit 1890); »Kunst und Kunsthandwerk« (Wien, seit 1898); »Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel« (Münch., seit 1900); »Kunstgeschichtliche Anzeigen« (redigiert von J. Wickhoff, Innsbr., seit 1904); »The Art Journal« (Lond., seit 1849); »The Magazine of Art« (das.); »The Portfolio« (das., seit 1870); »The Studio« (das., seit 1893); »L'Arte« (hrsg, von Venturi, Rom, seit 1901); »Jahrbuch der bildenden Kunst« (hrsg. von Martersteig, Berl., seit 1902); »Internationale Bibliographie der K.« (hrsg. von Jellinek, das., seit 1902); »Museumskunde« (hrsg. von Kötschau, das., feil 1905); »Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur« (hrsg. von Jaffé und Sachs, das., seit 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 821-824.
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