Bienenzucht

[839] Bienenzucht (vgl. Tafel »Bienenzucht« bei S. 834). Zur Gewinnung von Honig und Wachs züchtet man die Bienen in Körben (Stabilzucht) und Kasten (Mobilzucht). Bei der Stabilzucht werden die im Innern der Wohnung aufgeführten Wachswaben an die Wandungen angebaut, bei der Mobilzucht bleiben sie durch besondere Vorkehrungen beweglich (s. unten) und leicht herausnehmbar. Die Stabilzucht wird meist in aus Stroh geflochtenen Körben ausgeübt, doch werden in Rußland noch viele Völker in ausgehöhlten stehenden oder liegenden Baumstämmen, Klotzbeuten (Tafel, Fig. 1) gehalten. Auch in der Schweiz (Wallis) weisen einzelne Bienenstände nur Klotzbeuten auf. Diese sind als ein letzter Rest der frühern Waldbienenzucht zu betrachten, die besonders im Mittelalter, z. B. in den Reichswaldungen Nürnbergs, in hoher Blüte stand. Die Bienenzüchter (Zeidler) jener Zeit schlossen sich zu großen Innungen zusammen, die z. T. weitgehende Privilegien genossen. Natürlich oder künstlich gehöhlte Waldbäume wurden mit Völkern besetzt und Honig und Wachs zu bestimmten Zeiten ausgeschnitten (gezeidelt). Noch jetzt findet man in den Wäldern Westpreußens ältere Bäume (Beutkiefern) mit künstlichen Hohlräumen im Stamm, die zur Aufnahme von Bienen dienten und vorn mit einem Brett verschlossen wurden, vor dem ein größerer Klotz hing. In dem Privatforst, Finckenstein in Westpreußen wird noch heute Bienenwirtschaft in Beutkiefern fortbetrieben. Die reine Korbbienenzucht beschränkt sich im allgemeinen auf die nordwestdeutschen und holländischen Heiden; in Österreich-Ungarn, der Schweiz, Frankreich, England und Belgien findet sie sich meist nur auf kleinen Bienenständen. Die vorbildliche, unteilbare Korbbienenwohnung ist der Lüneburger Stülpkorb (Stülper), bei dem sich das Flugloch in der obern Hälfte beim Anfang der Wölbung befindet (Fig. 5). Die ca. 5 cm dicke Wandung ist aus Stroh geflochten. In den thüringisch-sächsischen Landen ist vielfach noch die Walze (Fig. 2) in Gebrauch und im Odenwalde der unpraktische Kugelstülper, der einem sich unten wieder verengernden Stülpkorb ähnlich sieht. In Ostpreußen hat der nach seinem Verbreiter benannte Kanitzstock (Fig. 9) viel zur Hebung der Volksbienenzucht beigetragen. Er besteht aus einzelnen übereinander gesetzten, 15–20 cm hohen Strohringen (die Abbildung zeigt einen Korb mit zwei Ringen a und b und den Deckel c), deren Anzahl je nach Volksstärke und Honigtracht vergrößert werden kann. Wenn in Deutschland auch die Korbbienenzucht zurückgeht, so übertrifft doch die Anzahl der Korbbienenvölker die der Kastenbienenvölker noch immer (s. unten). Nachdem schon früher mehrfach erfolgreiche Versuche gemacht waren, die Waben in den Bienenstöcken beweglich zu gestalten, diese Versuche aber stets wieder in Vergessenheit geraten waren, gelang es seit 1845 dem Pfarrer Dzierzon in Schlesien, seiner primitiven Wabenmobilisierung Verbreitung zu verschaffen. Dzierzon brachte in seinen Bienenkasten an den Seitenwänden Leisten an, auf die er 2,6 cm breite, 0,65 cm dicke und 26 cm lange Brettchen oder Stäbchen legte (Textfig. 1–3). Die Stäbchen waren in der Längsrichtung mit angeklebten Wabenstreifen versehen (Lehr- oder Richtwachs), und die Bienen bauten in der vorgezeichneten Richtung weiter. Nun war es möglich, jede ausgebaute Wabe, nachdem sie von den Seitenwänden des Stockes gelöst war, an dem Stäbchen herauszuheben, genau zu besehen und wieder einzuhängen. Diese mangelhafte und umständliche Methode wurde durch v. Berlepsch besser ausgestaltet, der durch seine Rähmchen (Textfig. 3) die wirkliche Beweglichkeit der Waben erreichte. Wir haben ihn daher als den Erfinder des eigentlichen Mobilbaues für Deutschland zu betrachten. Die Berlepsche Erfindung verbreitete sich schnell und bewirkte vielfach eine völlige Umgestaltung und neues Aufblühen der B. Fast gleichzeitig und unabhängig von Dzierzon und Berlepsch wurde das mobile Rähmchen in Amerika von Langstroth erfunden. Durch das Rähmchen wurde das Anbauen der Waben an die Seitenwände des Stockes und damit das Zerschneiden der Waben vermieden. Die Figuren 3,4 u. 6 der Tafel zeigen ausgebaute Rähmchen. Durch Vorsprünge (Ohren) an den Dzierzonschen Stäbchen (Textfig. 2) und an den Rähmchen regelte man den genauen Abstand der Waben. Gegenwärtig benutzt man dazu Abstandsklammern, Abstandsstifte etc.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3. Rähmchen.
Fig. 3. Rähmchen.

Bei der Kastenbienenzucht unterscheidet man Ständer- und Lagerstöcke. Bei den Ständerstöcken (Fig. 4 u. 11) befindet sich über dem Brutnest (Brutraum) a noch ein abgetrennter, den Bienenmeist nur durch schmale Spalten zugänglicher Honigraum b, während die Lagerstöcke (Fig. 6 u. 15) keinen solchen besitzen. Bei letztern ist der Brutraum tiefer, und ein Teil dieses Raumes wird häufig durch Einhängen eines hölzernen Schiedes oder Absperrgitters, das den Arbeitsbienen, aber nicht der Königin den Durchgang gestattet, als Honigraum abgetrennt. Solche Absperrgitter werden überall angebracht, wo man der Königin wie auch den Drohnen den Zugang wehren will. Auch siebt man die Bienen durch solches Absperrgitter, indem man den Schwarm in einen Beutel schüttet, dessen Boden aus Absperrgitter besteht (Bienensieb, Fig. 10). An vielverbreiteten Ständerstöcken sind zu nennen: der Dathekasten (Fig. 11) mit Normalmaßrähmchen (deutsches Normalmaß: 23,3 cm Breite, 18,5 cm Höhe), Berlepschbeute, Rähmchen 28,8 cm Breite. 21 cm Höhe; badische Vereinsstock, Rähmchen 24–21 cm; schweizerischer Bürki-Jeckerstock, Rähmchen 28–36 cm; Wiener Vereinsständer, Rähmchen 23,6–21 cm; ungarischer Vereinsständer, Rähmchen 26–18,5 cm; italienischer Sartoristock, Rähmchen 25,5–20 cm, etc. Die Lagerstöcke sind im ganzen weniger verbreitet als die Ständer. Det Dzierzonsche Zwillingsstock, die typische Form, zeigt stets zwei Wohnungen in enger Vereinigung, die wieder übereinandergestapelt werden können (Fig. 15), damit im Winter ein Volk von der Wärme des andern profitiert. Im Ausland findet man fast ausschließlich Kastenbeuten, die von oben zu öffnen sind, und deren Honigraum je nach Bedarf auf den Brutraum aufgesetzt werden kann (Aufsatzkasten). In Deutschland wird diese Form im wesentlichen durch die Gerstungbeute, Rähmchen 26–41 cm, vertreten, diezugleich bei aufgesetztem Honigraum durch eine im Brutraum befindliche Tür behandelt werden kann (Fig. 7). In der Schweiz, Frankreich und in Amerika findet sich vielfach der modifizierte Dadantstock, Rähmchen 42–26,7 cm (Fig. 3; a Brutraum, b Flugbrett, c Fluglochschieber, d aufsetzbarer Honigraum. g Rähmchen, f Wachstuch zum Bedecken des Brutraumes, e Strohdecke desgl.), dem der englische Stock, Rahmchen bo,5–21,5 cm, im allgemeinen sehr ähnlich[839] ist, wie auch der amerikanische Langstrothstock, Rähmchen 42–22 cm, etc. Bei dem Seitenschieber oder Blätterstock werden die Rähmchen nicht, wie bei den Ständer- und Lagerbeuten, in Nuten oder auf Leisten ruhend von hinten eingeschoben, sondern von der Kante aus eingestellt, so daß jedes einzelne Rähmchen nach Belieben zwischen den übrigen hervorgezogen werden kann wie die losen Blätter eines aufrecht stehenden Buches. Der Albertiständerstock (Fig. 4) veranschaulicht diese Einrichtung. Die Vorteile des Strohkorbes und der Kastenbienenzucht sucht der Gravenhorstsche Bogenstülper (Fig. 6) zu vereinigen. Er teilt mit dem Stülpkorb das gewölbte, zur Überwinterung am besten geeignete Haupt sowie die strohgeflochtenen Wände und besitzt das Wesentlichste des Mobilbaues, das Rähmchen, das hier am obern Ende ebenfalls abgerundet ist. Der Honigraum kann durch ein Schiedbrett vom Brutraum getrennt werden. Man stellt die Kastenbeuten meistens doppelwandig her und füllt die Zwischenräume zur bessern Warmhaltung mit Stroh etc. aus. Nicht selten bestehen die Wände ganz aus gepreßtem Stroh. Die Ausstellung geschieht entweder frei in Stapeln (Fig. 15) oder nebeneinander in Bienenschauern oder Pavillons. Einen Übergang von der Stabil-zur Mobilzucht bietet der sogen. gemischte Betrieb. Fig. 8 zeigt einen Stülpkorb, in dessen Haupte sich eine ca. 10 cm große Öffnung befindet, die gewöhnlich durch einen Holzpflock verschlossen gehalten wird. Bei reicher Honigtracht wird ein Aufsatzkasten aufgesetzt, der mit Rähmchen ausgestattet ist. Durch einen im Boden befindlichen Ausschnitt steigen die Bienen empor und tragen den Honig ein.

Betriebsweise. Die Ausstellung der Völker geschieht am besten an zug- und windgeschützten Plätzen, die Fluglöcher nach Südosten gerichtet, damit die Frühsonne die Wohnungen bis Mittag wärmt, diese aber bei der versengenden Nachmittagsglut im Schatten stehen. Das überwinterte Volk, im Durchschnitt ca. 20–25,000 Arbeitsbienen und eine Königin, macht im Februar (seltener schon im Januar) an einem günstigen Tage bei 7–8° Wärme im Schatten den ersten Ausflug, und gewöhnlich beginnt dann die Königin mit der Eiablage. Tritt andauernd günstiges Flugwetter ein und gewähren die Haselnußkätzchen, Schneeglöckchen, Erlen, Weiden, Pappeln, Krokus etc. den ersten Blütenstaub, so höseln die Bienen fleißig (s. Bienen, S. 836), da die Brut viel Futterbrei benötigt. Das Volk erstarkt allmählich durch die fortdauernd aus den Zellen schlüpfenden jungen Bienen, der Wintervorrat an Hanig (ca. 6–10 kg) nähert sich seinem Ende, und wenn die Natur keine Frühtracht gewährt, muß der Bienenvater helfend eingreifen und einen Futternapf mit Honig oder Zuckerwasser an die Waben schieben oder (bei Mobilbau) vorrätig gehaltene Honigwaben einhängen. Da die Fütterung die Bienen stark aufregt, geschieht sie abends, und frühmorgens werden die Futtergefäße wieder entfernt, um keine Näscherei hervorzurufen. Andernfalls dringen die aufgeregten Bienen in die Nachbarstöcke, versuchen dort zu naschen, werden abgestochen, oder sie überwältigen ein schwächeres Volk. Aus den Näschern entwickeln sich oft berufsmäßige Räuber, die dauernd versuchen, ihre Sammelinstinkte auf diese Weise zu befriedigen. Es fällt dann oft schwer, der Räuberei Einhalt zu tun, doch hört sie oft von selbst auf, wenn die Natur ihre Nektarquellen öffnet. Im April und Mai, bei reicher Tracht, gehen die Bienen zum Bau von Drohnenzellen über, in welche die Königin unbefruchtete Eier legt. Bald darauf werden auch Weiselzellen oft in großer Zahl angelegt, und die Königin bestiftet sie mit je einem befruchteten Ei. Sowie die erste dieser Zellen am neunten Tage nach der Bestiftung zur Bedeckelung gelangt, zieht die alte überwinterte Königin mit ungefähr der Hälfte des Volkes als Vor- oder Erstschwarm zum Stocke hinaus. Nach längerm Umherkreisen setzt sich der Schwarm in Gestalt einer Traube (s. Tafel »Bienen«, Fig. 1) an einen Ast und wird nun von dem Züchter eingefangen. Ist der Bienenvater beim Ausziehen des Schwarmes zugegen und sieht die ersten Schwarmbienen zum Flugloch hinausstürzen, so befestigt er schnell das Schwarmnetz (Fig. 12) vor dem Flugloch, und der Schwarm ist sofort gefangen. Das vortreffliche Ortsgedächtnis der Bienen wird durch die Aufregung des Schwärmens (Schwarmdusel) ausgelöscht, und die Schwarmbienen bleiben überall dort, wo sie eine Wohnung finden, oder wo der Züchter ihnen eine solche gibt; sie haben die alte Wohnung. die sie sonst aus einer Entfernung von 3–4 km wiederfinden, vergessen und kehren dahin nur in der Weiselunruhe zurück, d. h. wenn kurze Zeit nach dem Ausschwärmen die Königin verloren geht. Ein völliges Auslöschen des Orts gedächtnisses für immer erreicht der Züchter durch Betäuben der Bienen mittels Salpeter, Bovist, Äther etc. Solche betäubt gewesenen Bienen können jedem Volke z. B. zur Verstärkung beigegeben werden, sie fliegen niemals wieder zum Mutterstock zurück.

Aus der ältesten Weiselzelle schlüpft ungefähr 7–8 Tage nach Abzug des Vorschwarmes eine junge Königin aus und stößt, indem sie den Kopf auf die Wabe preßt, helle Töne aus, die wie »tüht, tüht« klingen. Die reifste der in den andern Weiselzellen befindlichen Königinnen antwortet mit tiefen, sich wie »quahk, quahk« anhörenden Lauten. Ist das Volk noch stark zum Schwärmen, so verhindern die Bienen durch dichtes Belagern aller Weiselzellen, daß die eifersüchtige Königin die Zellen zerstört und die Nebenbuhlerinnen tötet. Die tühtende Königin zieht nun mit einem Teil des Volkes als sogen. Nachschwarm aus. Verhindert widriges Wetter den Auszug, so beißen die quahkenden Königinnen einen Schlitz in ihre Zellen und strecken den Rüssel heraus, um von den Arbeiterinnen gefüttert zu werden. Herauszukriechen wagen sie instinktmäßig nicht, da sofort ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den Nebenbuhlerinnen entbrennen würde. Das Schwärmen geht, wie geschildert, weiter, bis oftmals bei schwarmlustigen Bienen (Heidebiene, Krainerrasse etc.) ein zweiter, dritter, ja vierter und fünfter Nachschwarm erfolgt. Will das Volk nicht mehr schwärmen, so bleibt die tühtende Königin Alleinherrscherin, und alle andern Weiselzellen werden zerstört. Ein Schwarm, den der Vorschwarm noch in demselben Jahr abgibt, wird Jungfernschwarm genannt. Vor dem Ausziehen des Vorschwarmes entsendet das schwarmlustige Volk Spurbienen (Quartiermacher). Diese erkunden geeignete Wohnplätze in hohlen Bäumen etc. und führen den Schwarm, nachdem er sich angelegt und vom Schwarmtumult erholt hat, dorthin. Beeilt sich der Züchter daher nicht mit dem Einfangen, so »reißen« die Schwärme aus, häufig auf Nimmerwiedersehen.

Die Drohnen werden meist nur im Stocke geduldet, solange die Schwarmlust rege ist (s. Bienen, S. 836 f.). Nach Erlöschen des Schwarmtriebes füttern die Bienen die Drohnen noch weiter mit Futterbrei, sofern die Honigtracht sich andauernd günstig gestaltet. Geht aber die Tracht zu Ende oder tritt andauernd[840] schlechtes Wetter ein, so hört die Fütterung auf, und da Honig allein zur Ernährung nicht ausreicht, ziehen sich die Drohnen matt in den Ecken und am Boden der Wohnung zusammen, kriechen schließlich zum Flugloch hinaus und kommen draußen um. Oft auch vertreiben die Arbeiterinnen die Drohnen von den Waben, »reiten« sie zum Stock hinaus und erstechen die sich wieder Einbettelnden sowie alle sich im Stock Umhertreibenden (Drohnenschlacht).

Füllen sich die Waben bei reicher Tracht mit Honig und haben die Bienen die gefüllten Zellen mit dünnen Wachsdeckeln versehen, so bringt man die Rähmchen nach Abschneiden der Zellendeckel mittels eines flachen Messers in die Honigschleuder (Zentrifuge, Fig. 13). Durch die schnelle Umdrehung wird der Honig aus den Zellen herausgeschleudert (Schleuderhonig), und die entleerten Waben können dem Volke zu erneuter Füllung zurückgegeben werden.

Es gibt Gegenden, die nur Frühtracht (Löwenzahn, Obstbaumblüte etc.) und Sommertracht (Linde, Akazie, Klee, Thymian etc.) oder nur Hochsommer-, resp. Herbsttracht (Buchweizen, Heide, Hederich etc.) aufweisen, und je nach der Tracht muß der Bienenzuchtbetrieb eingerichtet werden. Selten sind alle Honigtrachten in einer Gegend vereinigt. Der rationelle Züchter wandert daher mit seinen Bienen dorthin, wo es Tracht gibt (Wanderbienenzucht). Schon die alten Ägypter führten die Bienen auf besondern Schiffen vom Delta nilaufwärts den Katarakten entgegen. Heutzutage wandert besonders der Korbimker oft tageweite Strecken. Am Orte der Bestimmung, z. B. der Heide, angelangt, wird aus einigen Bodenbrettern u. Strohmatten, die Schutz gegen die Witterung bieten, der Wanderbienenstand (Wanderlagd, Heidelagd) errichtet (Fig. 14). Häufig werden die Korbvölker ohne weitere Vorkehrungen auf den Sand gesetzt und mit Heideplaggen (Heiderasenstücken) zugedeckt. Die Wanderbienenzucht steht besonders in den nordwestdeutschen Heiden wie auch im Marchfelde bei Wien in hoher Blüte. Zur Hauptwanderzeit werden auf den hannoverschen Bahnen »Bienensonderzüge« abgelassen, die nur des Nachts fahren. Heidehonig läßt sich wegen seines hohen Dextringehaltes nicht schleudern. Die Korbimker der Heiden schwefeln daher einen Teil ihrer Völker im Herbst ab, brechen die Waben aus und sondern Honig und Wachs durch die Presse. Der Mobilimker läßt seinen Völkern als Wintervorrat je 7–10 kg Honig. In schlechten Jahren wird bis zu diesem Quantum mit Honig oder Zucker ausgefüttert. Vor der Einwinterung entnimmt der Bienenvater alle überflüssigen, von den Bienen nicht belagerten Rähmchen, schiebt die innere Tür oder ein Holzschied bis dicht an den Sitz der Bienen, stopft den Honigraum und alle freien Räume außerhalb der innern Tür etc. mit Holzwolle, Moos, Stroh etc. aus und überläßt nun seine Völker ungestörter Ruhe bis zum Frühjahr.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der B. beruht auf dem Nutzen durch Einnahmen aus Honig und Wachs und auf dem vielleicht noch höher anzuschlagenden indirekten Nutzen, den die Befruchtung der Blüten (Rübsen, Raps, Obstblüte etc.) gewährt. B. fand sich bereits bei den alten Ägyptern und Juden. In Griechenland gab es zur Zeit des Perikles auf Attika 20,000 Bienenvölker, und auch die Römer trieben ausgebreitete B. Vergil besingt die Bienen im 4. Buch seiner »Georgica«. Auch die Germanen kannten die B. vor der Unterjochung durch die Römer, und Pytheas fand Met an der Mündung der Ems. Die Bienenprodukte hatten in Deutschland bis Anfang des 15. Jahrh. hohen Wert. Karl d. Gr. und die salischen Kaiser beförderten die B., Köln, Nürnberg, Breslau, Prag hatten im Mittelalter besuchte Honigmärkte. Im 17. Jahrh. verfiel die B., und erst nach Beendigung der großen Kriege suchte man sie wieder zu heben. Seit Mitte des 19. Jahrh. hat sie durch wissenschaftliche Forschungen und durch Begründung des Mobilbaues große Förderung erfahren, und gegenwärtig nimmt Deutschland in Theorie und Praxis den ersten Rang ein. Die B. wird in Deutschland durch reiche Vereinstätigkeit gefördert. Dem Deutschen bienenwirtschaftlichen Zentralverein sind mehrere Zentralvereine kleinerer Gebiete angeschlossen. Außerhalb des Zentralverbandes stehen der Bayrische Landesverein, der Pfälzer, Westfälische, Elsaß-Lothringische, Württembergische, Badische, Märkische Verein und der Verein für Bienen- und Seidenzucht der Rheinprovinz sowie verschiedene kleinere. Der Deutsche bienenwirtschaftliche Zentralverein veranstaltet zusammen mit der Wanderversammlung deutsch-österreichischer und ungarischer Bienenwirte Wanderversammlungen mit Ausstellungen abwechselnd in Deutschland und Österreich-Ungarn. Viele größere Vereine halten Wanderlehrer und veranstalten regelmäßige Kurse für Anfänger. Besonders erwähnt seien die Imkerschule von Dathe, Eystrup (Provinz Hannover) und die badische Imkerschule in Durlach. Österreich besitzt eine Imkerschule in Wien und Ungarn eine staatlich errichtete Musterlehranstalt in Gödöllö.

Die Zahl der Bienenvölker betrug im Deutschen Reiche: 1900: 2,605,350,1892: 2,034,479,1883: 1,911,797; davon in Wohnungen mit beweglichen Waben: 1900: 1,151,771,1892: 637,690 und 1883: 368,296.

Man schätzt den Verbrauch Deutschlands an Honig durchschnittlich auf etwas über 20 Mill. kg im Jahre; hiervon erzeugt Deutschland nur etwa 18 Mill. im Werte von ca. 30 Mill. Mk. Es wurden eingeführt in Deutschland hauptsächlich aus Chile, Cuba, Puerto Rico:

Tabelle

Vgl. v. Berlepsch, Die Biene und ihre Zucht mit beweglichen Waben (3. Aufl., Quedlinb. 1873); Derselbe, Die B. nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt (4. Aufl. von Lehzen, Berl. 1899); Dzierzon, Rationelle B. (Brieg 1861, neue Ausg. 1878); Derselbe, Der Zwillingsstock (Kreuzburg 1890); Vogel, Handbuch der B. (2. Aufl., Leipz. 1879); Derselbe, Die Honigbiene und die Vermehrung der Bienenvölker nach den Gesetzen der Wahlzucht (Quedlinb. 1880); Dathe, Lehrbuch der B. (5. Aufl., Bensheim 1892); Lehzen, Hauptstücke der Lüneburger B. (2. Aufl., Hannov. 1899); Beßler, Illustriertes Lehrbuch der B. (2. Aufl., Stuttg. 1896); Derselbe, Geschichte der B. (Ludwigsb. 1885); Huber, Die neue, nützlichste B. (13. Aufl., Lahr 1900); Gravenhorst, Der praktische Imker (5. Aufl., Braunschw. 1897); Gerstung, Der Bien und seine Zucht (Freiburg 1902); Alberti, Die B. im Blätterstock (2. Aufl., Berl. 1901); Roth, Badische Imkerschule (2. Aufl., Karlsr. 1897); Witzgall, Das Buch von der Biene (Stuttg. 1898); Glock, Symbolik der Bienen etc. (Heidelb. 1891); Krancher, Kleines Lexikon der B. (Leipz. 1902); »Bienenzeitung« (2. Ausg., Nördling. 1861–62, 2 Bde.); »Bienenwirtschaftliches Zentralblatt« (Hannover, seit 1865). Die besten Schriften der alten Schule sind: Ehrenfels, Die B. nach Grundsätzen der Theorie und Erfahrung (Prag 1829; 2. Aufl. hrsg. von[841] Denteler und Rufer, Nördling. 1898); Klopfleisch und Kürschner, Die Biene und die B. (Jena 1836).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 839-842.
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