[299] Lebrun (spr. löbröng), 1) Charles, franz. Maler, geb. 24. Febr. 1619 in Paris als Sohn eines Bildhauers, gest. daselbst 12. Febr. 1690, wandte sich früh der Malerei zu, war Schüler von F. Perrier und S. Vouet und studierte daneben in Fontainebleau die italienischen Meister, so daß er bereits im 15. Jahr für den Kardinal Richelieu Arbeiten ausführen konnte. Der Kanzler Séguier ermöglichte ihm den Aufenthalt in Rom, wo L. 1642 eintraf und bei Poussin arbeitete, daneben die Antike und die alten Meister studierend. 1646 nach Frankreich zurückgekehrt, schuf er eine Menge Bilder und stieg rasch von einer Ehrenstelle zur andern. Er half die Akademie mit gründen, wurde Professor, Kanzler und 1683 Direktor der Akademie. Colbert ernannte ihn 1660 zum Direktor der Gobelinsmanufaktur, und im gleichen Jahre bestellte Ludwig XIV. bei ihm die Alexanderschlachten (im Louvre), die G. Audran gestochen hat. 1662 ernannte ihn der König zu seinem ersten Hofmaler, adelte ihn und übertrug ihm die Aussicht über seine Bilder- und Handzeichnungensammlung. Damals war L. auch für die Ausschmückung der Apollo-Galerie im Louvre tätig. 1668 begleitete er Ludwig XIV. ins Feld und leitete dann die Arbeiten für das Schloß von St.-Germain. Auch malte er das Schloß von Sceaux aus, machte die Zeichnungen für die Fontänen und Statuen des Parks, schmückte das Treppenhaus von [299] Versailles und begann 1679 die Bemalung und Dekoration der großen Galerie von Versailles mit den Taten Ludwigs XIV. Eine große Anzahl von Gemälden seiner Hand findet sich noch im Louvre; sie zeichnen sich alle durch reiche Erfindungsgabe und leichte Behandlung im Sinne der gleichzeitigen italienischen Maler aus, leiden jedoch durch das Streben nach äußerlichem Prunk, durch oberflächliche Zeichnung und ein unwahres Kolorit. Eine große Bildnisgruppe: der Kölner Bankier Jabach und seine Familie, besitzt das Berliner Museum. Er übte eine despotische Herrschaft über die gleichzeitige französische Kunst aus. Man besitzt von ihm auch sieben Radierungen und einige oft ausgelegte Schriften, wie: »Traité sur la physiognomie« und »Méthode pour apprendre à dessiner les passions«. Vgl. Genevay, Le style Louis XIV; Charles L., décorateur (Par. 1885); Jouin, C. L. et les arts sous Louis XIV (das. 1890).
2) Ponce Denis Ecouchard, genannt Lebrun-Pindare, franz. Dichter, geb. 11. Aug. 1729 in Paris, gest. daselbst 2. Sept. 1807, war Sekretär des Prinzen Conti und wandte sich zuerst der Lyrik, dann, in seiner Empfindlichkeit verletzt und verbittert durch häusliches Unglück (seine von ihm roh behandelte Frau hatte sich 1774 von ihm scheiden lassen, und 1783 hatte er sein ganzes Vermögen verloren), der Satire und dem Epigramm zu. Aber der Not war sein Charakter nicht gewachsen. Mit der Luft an giftigen Bosheiten verband er niedrige Schmeichelei gegen seine Gönner und Wohltäter; der Minister Calonne, der ihm eine Pension aussetzte, Robespierre, der dem fast Erblindeten eine Wohnung im Louvre verschaffte, Napoleon, der ihm 6000 Frank Pension zuwies, sie wurden ebenso übermäßig gelobt wie in den Staub gezogen, sobald der Wechsel der Gönnerschaft die Verunglimpfung der früher Verherrlichten vorteilhaft erscheinen ließ. Als Lyriker ist L. trocken und gesucht und verdient keineswegs den ihm von Chénier gegebenen Namen Pindare; es fehlt ihm an Ideen, und trotz der Eleganz der Form sind seine Perioden selten abgerundet. Seine besten Oden sind an Buffon gerichtet und atmen zwar natürliches Gefühl, enthalten aber zu viel Mythologie. Vorzüglich ist L. im Madrigal und in seinen Epigrammen, deren er mehr als 600 hinterlassen hat, und die meist auf seine literarischen Streitigkeiten Bezug haben. Ginguené gab 1811 in 4 Bänden eine Sammlung seiner Werke heraus. Seine »Œuvres choisies« erschienen Paris 182228, 2 Bde.
3) Charles François, Herzog von Piacenza, franz. Staatsmann, geb. 19. März 1739 in St.-Sauveur-Laudelin bei Coutances, gest. 16. Juni 1824, war Erzieher der Kinder des spätern Kanzlers Maupeou, in dessen Streit mit den Parlamenten er mehrere Flugschriften im Interesse des Hofs erscheinen ließ. Seine kurz vor dem Ausbruch der Revolution veröffentlichte Schrift »La voix du citoyen« erwarb ihm einen Sitz in der Nationalversammlung. Hier tat er sich durch Mäßigung und große Sachkenntnis in Finanz- und Verwaltungssachen hervor. Die Ereignisse vom 10. Aug. 1792 brachten ihn in Hast, aus der ihn erst der Sturz der Schreckensherrschaft im Juli 1794 rettete. 1795 trat er in den Rat der Fünfhundert, dessen Präsident er 20. Febr. 1796 wurde. In dieser Stellung leistete er Bonaparte bei der Revolution vom 18. Brumaire große Dienste, und dieser wählte ihn dafür zum dritten Konsul. Als solcher erwarb er sich Verdienste um die Herstellung der Finanzen und errichtete den Rechnungshof. Bei Errichtung des Kaiserthrons wurde er zum Erzschatzmeister des Reiches, sodann zum Generalgouverneur von Ligurien und bald darauf zum Herzog von Piacenza ernannt. Nach der Abdankung Ludwig Bonapartes 1810 wurde er als Gouverneur nach Holland gesandt, wo er sich mit kluger Mäßigung benahm. Während der Hundert Tage nahm er vom Kaiser den Titel eines Großmeisters der Universität von Paris an und verlor infolgedessen bei der zweiten Restauration seine politische Stellung. Erst im März 1819 wurde er wieder in die Pairskammer aufgenommen und hielt sich in ihr zur konstitutionellen Partei. L. war Mitglied des Instituts. Er machte sich auch durch geschmackvolle Übersetzungen von Tassos »Befreitem Jerusalem«, Homers »Ilias« und »Odyssee« bekannt. In Coutances ward ihm 1847 eine Statue errichtet. Seine »Mémoires« (Par. 1829) wurden von seinem Sohn Anne Charles L., Herzog von Piacenza, herausgegeben, der, geb. 1775, unter Napoleon I. Divisionsgeneral war und 1859 als Senator starb.
4) Pierre, franz. Dichter, geb. 29. Nov. 1785 in Paris, gest. daselbst 27. Mai 1873, erwarb sich vom Kaiser durch die »Ode à la Grande armée« (1805) eine jährliche Pension von 1200 Frank und durch die »Ode sur la campagne de 1807« die Stelle eines Haupteinnehmers bei den indirekten Steuern. Die Restauration nahm ihm sein Amt, und infolge seines »Poeme lyrique sur la mort de Napoléon« (1822) verlor er auch seine Pension. Später bereiste er Italien und Griechenland. Das Gedicht »Voyage en Grèce« (1828) war eine Frucht jener Reise und bewirkte seine Aufnahme in die Akademie. Seine Tragödien: »Coriolan«, »Ulysse«, »Pallas, fils d'Évandre« (1822) und »Cid d'Andalousie« (1825) sind mittelmäßig, »Marie Stuart« (1820) eine Nachahmung des Schillerschen Werkes. Nach der Julirevolution ward L. Direktor der königlichen Druckerei und 1839 Pair, trat aber nach der Februarrevolution von 1848 ins Privatleben zurück. Er wurde 1853 zum Senator, 1868 zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt. L. hat seine Werke selbst gesammelt (2. Aufl. 1864, 4 Bde.).
5) Karl August, Schauspieler und Dramatiker, geb. 8. Okt. 1792 in Halberstadt, gest 25. Juli 1842 in Hamburg, debütierte 1809 in Dessau und wurde nach Engagements in Memel, Tilsit, Libau, Mitau, Würzburg, Mainz und Düsseldorf 1817 für das in Hamburg zu errichtende Apollotheater gewonnen, von dem er 1818 zum Stadttheater überging, dessen Direktion er im Verein mit F. L. Schmidt von 182737 führte. L. gehörte zu den tüchtigsten Darstellern aus der alten klassischen Schule und leistete namentlich in sein-komischen Charakterrollen Ausgezeichnetes. Von seinen dramatischen Arbeiten, von denen zugleich mit zahlreichen Übertragungen ausländischer Dramen 181639 verschiedene Sammlungen erschienen, gefielen am meisten »Nummer 777« und »Die Drillinge«.
6) Bartholomäus L. Joseph, franz. General, geb. 22. Okt. 1809 in Landrecies, gest. 1889, nahm an den afrikanischen Feldzügen und am Krimkriege teil, wo er zum Obersten emporstieg. Den Feldzug in Italien 1859 machte er als Generalstabschef des Marschalls Mac Mahon mit und erwarb sich dort den Rang eines Brigadegenerals. 1869 wurde er, als Divisionsgeneral, Generaladjutant Napoleons III. In dem Kriege des Jahres 1870 befehligte er das 12. Korps und zeichnete sich bei Sedan aus. Aus der deutschen Gefangenschaft entlassen, beteiligte er sich bei dem Kampfe gegen die Pariser Kommune 1871.[300] Später wurde er Kommandeur des 3. Korps in Rouen und nahm 1879 seine Entlassung. Er schrieb: »Guerre de 1870. Bazeilles-Sedan« (Par. 1884, 2. Aufl. 1891) und »Souvenirs militaires 18661870« (1895; deutsch von O. v. Busse, Leipz. 1896).
7) Theodor, Schauspieler und Theaterdirektor, geb. 14. Jan. 1828 in Kornieten bei Königsberg, gest. 9. April 1895 zu Hirschberg i. Schl., studierte in Berlin Medizin, ging aber bald zur Bühne über, die er 1848 in Thorn zuerst betrat, und nahm dann Engagements an verschiedenen Bühnen Deutschlands. Seit 1865 führte er die Leitung des Rigaer Theaters, bis er 1868 das Wallnertheater in Berlin übernahm, auf dem er neben der bis dahin vorzugsweise gepflegten Posse auch das Lustspiel heimisch machte. Ungünstige Theaterverhältnisse nötigten ihn, 1889 von der Leitung des Theaters zurückzutreten. Als Schauspieler hat L. besonders als Charakterdarsteller im Lustspiel Hervorragendes geleistet.
8) Elisabeth Louise, franz. Malerin, s. Vigée-Lebrun.
Brockhaus-1911: Lebrun [3] · Lebrun [4] · Lebrun · Lebrun [2]
DamenConvLex-1834: Lebrun, Karoline
Herder-1854: Lebrun [4] · Lebrun [5] · Pigault-Lebrun · Lebrun [1] · Lebrun [2] · Lebrun [3]
Meyers-1905: Vigée-Lebrun · Pigault-Lebrun
Pierer-1857: Topino-Lebrun · Vigée-Lebrun · Lebrun · Pigault-Lebrun
Buchempfehlung
Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro