Katechetik

[373] Katechetik (v. gr), die systematische Darstellung derjenigen Regeln u. Grundsätze, wie man die zu Unterrichtenden mittelst Frage u. Antwort auf eine für sie bildende Weise zu einer bestimmten Erkenntniß, bes. der Religion, führen soll. Daher Katechisation, derartige Unterredung. Die Fragen, welche nur an Einen Schüler außer der Reihe gerichtet werden, müssen so kurz wie möglich, einfach, klar u. deutlich, bestimmt, mithin mit Ausschluß aller unwesentlichen Begriffe od. Ausdrücke abgefaßt u. so beschaffen sein, daß sie in einem wohlgeordneten Zusammenhange stehen u. nur Wahrheit enthalten. Die Antworten müssen bestimmt u. vollständig sein od. durch neue Fragen berichtigt u. vervollständigt werden. Man unterscheidet hierbei verschiedene Lehrformen, welche sich jedoch in der Anwendung durchdringen, nämlich die zergliedernde, entwickelnde, wiederholende, prüfende od. examinirende. Die entwickelnde Lehrart, schon bei Sokrates im Gebrauch, u. daher die Sokratische genannt, soll den Schüler so leiten, daß er, von dem Lehrer unterstützt, durch selbständige Thätigkeit zur Erkenntniß gelangt. Indem der Sokratiker seine Lehren entweder auf Anschauungen od. Erfahrungen, od. auf Erkenntnisse (mit Einschluß von Sentenzen, z.B. der Bibel), od. Fertigkeiten u. Gefühle etc. gründet u. von denselben aus weiter entwickelt, wählt er vor Allem die passenden Deductionsquellen u. schreitet dann von dem Bekannten zum weniger Bekannten fort, indem er jeden Begriff etc. gehörig zergliedert, den Unterricht möglichst versinnlicht, nicht eher zur Entwickelung eines neuen Begriffs fortgeht, bevor der vorhergehende vollkommen verstanden ist etc. Auch ist das Wiederholen nothwendig, um das Gelernte dem Gedächtniß fest u. sicher einzuprägen. – Daß schon 400 Jahre v. Chr. der katechetische Unterricht bekannt war, zeigen die Dialoge des Sokrates. In der Christlichen Kirche blühten um die Mitte des 3. Jahrh. Katechetenschulen (s.d.), u. zu Anfang des 4. Jahrh. wurde die Katechese, bes. durch Didymos v. Alexandrien (De catechizandis rudibus), noch mehr ausgebildet, doch umfaßte die K. dieser Zeit mehr gelehrte Abhandlungen, als praktische Unterweisungen Ungebildeter. Seit dem 5. Jahrh. sank die K. wieder, bis endlich Bruno, Bischof von Würzburg, welcher den katechetischen Unterricht im engeren Sinne erfunden haben soll, Hugo von St. Victore, Bischof Otto von Bamberg, u. die Waldenser einen besseren Geist in diese Methode brachten. Im 13. Jahrh. suchte der Cardinal Bonaventura diesen Unterricht zu heben, u. im 14. Jahrh. Joh. Wiklef durch seinen Katechismus, so wie Joh. Gerson (De parvulis ad Christum trab endis) u. Huß. Recht gehoben u. ausgebildet aber wurde die K. erst durch die Reformation, namentlich durch Luther (vgl. Schuler, Geschichte des katechetischen Unterrichts von der Reformation bis 1762, Halle 1802), welcher, bes. in seiner Schrift Von der deutschen Messe, gute Winke ertheilte u. selbst Katechismen schrieb. Die erste K. war Trotzendorfs Metho das doctrinae catecheticae, Görl. 1570. Nach Luther führten die Religionsstreitigkeiten einen tiefen Verfall dieser Lehrart herbei. Von Neuem erhob sich dieselbe nach dem Dreißigjährigen Kriege. Andreä schrieb eine Kinderlehre, war auch selbst praktischer Katechet. Öffentliche Katechisationen wurden eingeführt, Katechismen geschrieben, Lehrbücher der K. verfaßt, z.B. Maukisch, Nachricht wie man die Jugend ausfragen könne, Danzig 1653; Korthold, Aufmunterung zur katechetischen Übung, Kiel 1669. Spener (vgl. seine Gedanken über Katechismusinformation) verbesserte den katechetischen Unterricht u. führte namentlich die öffentlichen Kirchenkatechisationen ein. Ihm folgten in der Lutherischen Kirche Baier, Arnold, Zeller, Donatus, Teller, Hübner, Francke, Rambach, Mosheim, Jacobi, Nösselt, Rosenmüller, Klein, Wolfram, Dolz, H. Müller, Schwarz, Dinter, Thierbach, Palmer u.a., theils durch Lehrbücher, theils durch gedruckte Katechisationen, bes. von Dinter, Dolz, Schuur, Fischer u.a.; in der Reformirten Kirche wirkten bes. Calvin, Beza, Hyperius, Pictet, Saurin, Vernet, Zollikofer, Pauli, Clarke, Daub u.a. Was die Katholische Kirche seit der Reformation in diesem Fache gethan hat, beschränkt sich auf einzelne Andeutungen in den Vorreden zu den Katechismen des 16. u. 17. Jahrh. u. auf die Bemühungen von Jakob v. Lidesma, Passerinus, Couvreur, Harlay, Bossuet, Fleury, Felbiger, J. Miller, Vierthaler, Galura u.a. Die K. fand in neuerer Zeit auch ihre Gegner, u. namentlich tadelten die orthodoxen Theologen daran, daß durch das Katechisiren eine einseitige Verstandesbildung gefördert u. im Religionsunterricht das Denken auf Kosten des Gefühls gebildet werde. Daher hat man die Zergliederung u. Entwickelung in der K. etwas beschränkt u. eine öftere erbauliche Ansprache empfohlen. Zur Literatur u. Geschichte der K. vergl. Vasemeier, Ulm 1830.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 373.
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