Monophysiten

[399] Monophysiten (v. gr.), Ketzername, von den Orthodoxen denen beigelegt, welche nur Eine Natur, die göttlichmenschliche, in Christo annahmen. Sie nannten dagegen die Orthodoxen Dyophysiten, d.h. Bekenner von zwei Naturen. Die Beschlüsse des Concils zu Chalcedon, daß in Christo zwei Naturen unvermischt u. ungetrennt vereiniget seien, fanden zwar in der abendländischen Kirche Annahme, nicht aber im Orient, u. es entstanden hier die langwierigen u. heftigen Monophysitischen Streitigkeiten. Dies geschah zunächst in Palästina, wo der Mönch Theodosius Jerusalem eroberte, den Bischof Juvenalis absetzte u. sich selbst an dessen Stelle erwählen ließ. Hauptsitz dieser Streitigkeiten wurde bald Ägypten u. bes. Alexandrien. Unter ihren Oberhäuptern, dem Presbyter Timotheus Älurus u. dem Diakon Petrus Mongus trennten sie sich von dem Bischof Proterius, wählten nach dem Tode des Kaisers Marcian den Timotheus zum Pariarchen von Alexandrien, u. Proterius selbst kam in einem Aufruhr um. Der Kaiser Leo I. setzte den Timotheus[399] Älurus ab u. an dessen Stelle den Timotheus Salophakialus ein, welcher die Ruhe aufrecht erhielt. In Antiochien wollte der Mönch Petrus Fullo (nach welchem die M. auch Fultonianer hießen) die von den M. gern gebrauchte Formel: Gott ist gekreuzigt, in das Trishagion der Liturgie einschieben u. setzte sich selbst 463 an des verdrängten Patriarchen Stelle, wurde aber 470 auf kaiserlichen Befehl vertrieben. Der Kaiser Basiliscus, Zenos Nachfolger, begünstigte die M. aus Politik u. forderte durch das Enkyklion 476 alle Bischöfe auf, das Concil von Chalcedon zu verdammen. Obgleich er bald wieder durch Zeno gestürzt wurde, so hatten sich dadurch die M. in Ägypten doch so festgesetzt, daß derselbe das Henotikon 482 gab, durch welches alle Parteien vereinigt werden sollten, indem die streitigen Sätze auf allgemeine Punkte zurückgeführt, die Ausdrücke eine u. zwei Naturen vermieden, Nestorius u. Eutyches verdammt, die doppelte Homousie Christi bestätigt u. die Anathematismen Cyrills über die 12 Kapitel gebilligt waren. Anfangs hatte dasselbe einigen Erfolg. Die eifrigsten M. aber trennten sich von ihm u. erhielten davon den Namen Akephaler (Hauptlose). Fullo wurde 485 Patriarch von Antiochien, viele Bischöfe aber, welche das Henotikon nicht unterschreiben wollten, wurden abgesetzt. Bes. eiferten die römischen Bischöfe gegen jede Gemeinschaft mit den M., u. Felix II. hob deshalb die Kirchengemeinschaft auf u. belegte den Acacius 484 mit dem Anathem. Auch sonst hielt das Henotikon die Einigkeit nur scheinbar aufrecht, u. es bestanden eigentlich vier Parteien, eine für das Concil von Chalcedon ohne das Henotikon; eine für das Concil u. das Henotikon; eine gegen das Concil u. für das Henotikon; u. eine gegen das Concil u. das Henotikon. Bald entstanden unter ihnen mannigfache Streitigkeiten. An der Spitze der syrischen M. standen Xenajas (Philoxenus), Bischof von Hierapolis, u. Severus, Patriarch von Antiochien; Letzter benutzte die Gunst des Anastasius, um, wie schon Fullo gethan hatte, auch in Constantinopel den Zusatz zu Gott: der du bist für uns gekreuzigt worden, in die Liturgie einzuschieben, u. es entstanden selbst beim Gottesdienste heftige Unruhen. Allein die Kaiser Anastasius u. Iustinianus sahen sich genöthigt, die Lehre von Chalcedon festzuhalten. Die M. wurden im Morgenlande verfolgt, nur in Ägypten, wo die M. sehr mächtig waren, wagte man nicht sie anzugreifen. Durch dies Zusammenströmen, bes. in Alexandrien, entstanden neue Spaltungen. Aus dem Streite des Severus u. Julianus, Bischof von Halikarnaß, über die Verweslichkeit des Leibes Christi, entstanden die Severianer u. Julianisten mit mehren Schattirungen. Diese behaupteten die Unverweslichkeit des Leibes Christi u. leugneten, daß er dem Tode unterworfen gewesen sei, daher auch Aphthardoketä (Aphthardolaträ, Incorrupticolä) genannt, auch Phantasiasten, weil sie Christi leibliche Erscheinung für ein Phantom hielten, u. Gajaniten, von ihrem eifrigsten Vertheidiger, dem Archidiakon Gajanus von Alexandrien. Die Severianer (Severiten) dagegen behaupteten die Verweslichkeit Jesu, dgher Phthartolaträ (Corrupticolä, Kreaticolä) genannt, auch Theodosiani, von ihrem spätern Haupte Theodosius, Patriarchen von Alexandrien. Von ihnen gingen wieder die Agnoëten aus, welche behanpielen, Christus habe nach seiner menschlichen Natur Vieles nicht gewußt, nach ihrem Haupte Themistius Kalonymus, Archidiakon von Alexandrien, auch Themistianer genannt, während ihre Gegner Christi göttlicher Natur Allwissenheit zuschrieben. Die Julianisten trennten sich in die Aktisteten, welche den Leib Christi für unerschaffen hielten, u. in die Ktistolaträ, welche das Gegentheil behaupteten. Nach dem Vorgange des monophysitischen Gelehrten Johann Askusnages zu Constantinopel bildeten sich um 560 durch Johann Philoponos zu Alexandrien die Tritheïten od. Philoponisten, welche den Inbegriff der göttlichen Vollkommenheit unter die drei auch der Zahl nach geschiedenen Personen vertheilten, u. im Gegensatz zu ihnen bildeten sich durch Damianus die Sabellianischen Damianisten. Die Philoponisten lehrten auch, daß die Auferstehung eine neue Schöpfung des unverweslichen aus dem verweslichen Körper sei, u. ihnen entgegen behaupteten die Kononiten, nach Konon, Bischof von Tarsus, daß die auferstandenen Körper aus derselben, nur vollkommneren u. unverweslichen Materie bestehen würden. Gleichzeitig entstanden durch Stephanns Niobes die Niobiten, welche behaupteten, daß nach der Vereinigung der Naturen gar keine Verschiedenheit derselben in Christo mehr stattfände.

Alle diese häretischen Parteien suchte Kaiser Justinian I. seit 527 durch Unterredungen zwischen katholischen u. monophysitischen Bischöfen zu beseitigen. Um die M zu gewinnen, erklärte er die ursprünglich monophysitische Formel: Gott ist gekreuziget (s. oben), welche im Morgenlande viele Freunde (Theopaschiten von den Orthodoxen genannt) hatte, für rechtgläubig. Allein es wurde dadurch keine Partei gewonnen. Eben so waren aber die Bemühungen Theodoras, der Gattin des Kaisers Justinian, einer heimlichen Monophysitin, den Monophysitismus in Constantinopel u. Rom zu verbreiten, erfolglos. Der durch sie 535 zum Patriarchen von Constantinopel gewählte Anthimus wurde schon 536 als Monophysit wieder entsetzt, u. Vigilius, welcher 538 unter der Bedingung, die M. zu begünstigen, Papst geworden war, brach sogleich den Vertrag. So war es auch erfolglos, daß Kaiser Justinian, um den Katholiken zu genügen, den einer monophysitischen Mönchspartei werthen Origenes u. auf der anderen Seite auf Antrieb der M. die sogenannten Drei Capitel (s. Dreicapitelstreit) durch eine Synode verdammen ließ u. 564 die Lehre von der Unverweslichkeit Christi zum Glaubensgesetz erhob. Kaiser Justjuian II. (565–578) erließ ein Edict, welches mit Übergehung aller neuesten Ketzernamen u. Synoden alle zum Frieden ermahnte.

Im eigentlichen Morgenlande bildete sich das monophysitische Kirchenwesen immer mehr aus u. unter der Herrschaft der Araber im Gegensatz zu den oströmischen Dyophysiten begünstigt, wurde die Trennung unheilbar. Die ägyptischen M. dauerten unter dem Namen der Kopten (s.d.) fort u. verbreiteten ihre Ansichten auch in die Abyssinische u. Äthiopische Kirche. In Armenien bildeten die M. seit der Synode von Thiven 536 eine abgesonderte monophysitische Gemeinde, s.u. Armenische Kirche. In Syrien u. Mesopotamien ordnete der Mönch u. Presbyter Jakob Baradai, von einigen M zum Bischof von Edessa geweiht, 541–578 ihre Gemeinde. Von ihm erhielten die syrischen M. auch den Namen Jakobiten, welche nun unter ihrem eigenen, einem zweiten antiochenischen Patriarchate bestanden. 711 verlegte[400] der Patriarch seinen Sitz nach Amida in Mesopotamien, wo er bis zum 12. Jahrh. blieb. Anfangs von den Arabern begünstigt, erlitten sie doch öfter, im 9. u. bes. im 14. Jahrh., Verfolgungen von denselben. Auf griechischem Gebiete wurden sie bisweilen gezwungen zur Katholischen Kirche überzutreten, so 1072 zu Antiochien, wo der Patriarch der Melchiten, der Rechtgläubigen, welche die Religion des Königs theilten, die Kirchen der Jakobiten zerstören u. deren Priester gefangen setzen u. martern ließ; so unirte sich eine große Anzahl mit der Orthodoxen Kirche. Im 13. Jahrh. verweigerten ihnen die Kreuzfahrer die Wallfahrt nach Jerusalem. Nachdem sich indeß mehre schon im 13. Jahrh. unter ihrem Patriarchen Ignatius, welcher an Papst Innocenz IV. ein Glaubensbekenntniß sandte, zur Vereinigung mit der Römischen Kirche hingeneigt hatte, wurde die Union unter dem jakobitischen Patriarchen Johannes wirklich vollzogen. Sie war aber nur vorübergehend. Im 17. Jahrh. unirten sich wieder mehre Gemeinden, denen der Papst in Andreas Achigian einen besonderen Patriarchen, unter dem Titel Ignaz XXIV. gab, welchem auch ein Ignaz XXV. folgte, der aber von dem monophysitischen nicht unirten Patriarchen exilirt u. dessen Partei zerstreut wurde. Indeß setzt die Römische Kirche noch immer ihre Bestrebungen fort, die Jakobiten zu gewinnen, u. hat Missionäre unter ihnen, z.B. in Mossul, u. ein großer Theil hat sich auch mit ihr vereinigt, unter einem Patriarchen zu Aleppo od. Diarbekr etwa 30–40,000 Familien. Die nichtunirten Jakobiten stehen unter dem Patriarchen von Antiochien im zaphranensischen Kloster Marde in Syrien u. unter dem Maphrian, d.i. Primas von Tagrit, im Kloster des St. Matthäus bei Mossul. Im Ritus weichen sie wenig von der Griechischen Kirche ab. Seit dem 12. Jahrh. haben sie auch die Beschneidung; die Confirmation ist mit der Taufe verbunden u. wird durch einen Presbyter verrichtet; heim Abendmahl nehmen sie frisches, mit Salz u. Öl gemischtes gesäuertes Brod. Sie haben nur Mönche, keine Nonnen, welche sehr streng fasten u. des Fleisches sich ganz enthalten. Die Gesammtzahl der Jakobiten beträgt etwa 1/2 Mill., die aller M. gegen 9 Mill. Vgl. Assemann, De Monophysitis, vor dem 2. Bande der Orientalischen Bibliothek; Michael de Quien, Oriens in IV patriarchatus digestus, Par. 1740, 3 Bde.; Trommler, Abbildung der Jakobitischen Kirche, Jena 1749; Taki ed-Dini Makriz, Hist. Coptororum christ. herausgegeben von Wetzer, Sulzb. 1828; Gieseler, Monophysitarum variae opiniones, Göttingen, 1835–38, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 399-401.
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