[410] Ostern (von Ostara, s.d.), das Fest zur Erinnerung an die Auferstehung Christi, eines der drei höchsten christlichen Feste u. wohl schon von den Aposteln angeordnet. Über die Feier dieses Festes entstanden schon im 2. Jahrh. heftige Streitigkeiten (Osterzeit). Man feierte nämlich in den jüdisch-christlichen Gemeinden vor dem Osterfest eine Paschamahlzeit, gleichsam als Mitttelpunkt des ganzen Paschafestes, aber in den heidnisch-christlichen Gemeinden betrachtete man den Freitag vor dem Osterfeste als einen Fast- u. Bußtag wegen des Todes Christi u. verwarf das jährliche Paschamahl. Anfangs ließen die verschiedenen Gemeinden einander gewähren u. jede durfte bei ihrem Gebrauche bleiben. Allein schon i. J. 196 bezeichnete der römische Bischof Victor die Kleinasiaten als Häretiker. Die Anhänger des jüdischen Gebrauches beriefen sich auf die Traditionen ihrer Kirchen u. auf das Evangelium Matthäi, die des heidnischen Gebrauches auf das Evangelium Johannis; jene waren hauptsächlich im Morgenlande, diese im Abendlande vertreten. Allmälig gewann im Abendlande im 3. Jahrh. die römische Ansicht Eingang, u. auf dem Concil in Nikäa 325 beschloß man von dem altjüdischen Gebrauch abzugehen u. den Todestag Christi jedesmal am Freitag, das Osterfest aber am Sonntag zu feiern Die morgenländischen Gemeinden, welche ihrer früheren Feier treu blieben, hießen als Secte wegen der Feier am 14. Nisan Quartodecimani. Die Verordnung dieses Concils über die Berechnung des Osterfestes, welche jedoch erst im 6. Jahrh. durch Dionysius Exiguus ihren Abschluß erhielt, lautet so: O. soll stets den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmonde im Frühlinge gefeiert werden; fällt jedoch dieser Vollmond selbst auf einen Sonntag, so soll O. auf den nächstfolgenden Sonntag angesetzt werden. Zugleich mit Ertheilung dieser Vorschrift nahm man an, daß unter dem ersten Vollmonde im Frühlinge derjenige zu verstehen sei, welcher entweder den 21. März, od. zunächst nach dem 21. März eintritt; daß ferner dieser Vollmond mittelst der Epakten (also nicht astronomisch) zu bestimmen sei, u. daß endlich für diesen Vollmond stets 10 Tage vom Neumonde an gerechnet werden, hierbei den Tag des Neumondes selbst immer für den ersten Tag gezählt. Die Epakten, Sonntagsbuchstaben etc. sind größtentheils zur Bestimmung des Osterfestes erdacht od. doch wenigstens wegen dieser ihrer Anwendung bis auf die jetzigen Zeiten beibehalten worden. Nach Gauß arithmetischem Verfahren findet man O. beider Kalender so: Für ein gegebenes Jahr dividire man deren Jahreszahl zuerst durch 19 u. nenne den gebliebenen Rest den ersten Rest; dividire dann die Jahreszahl durch 4, der gebliebene Rest heiße der zweite Rest; endlich dividire man die Jahreszahl durch 7 u. nenne den Rest dieser Division den dritten Rest. Hierauf nehme man den ersten Rest 19 Mal, addire zu dem gefundenen Producte die Zahl (15), dividire die entstandene Summe durch 30 u. nenne den, bei dieser Division gebliebenen Rest den vierten Rest. Ferner addire man den zweifachen zweiten, den vierfachen dritten, den sechsfachen vierten Rest u. die Zahl (6) zusammen, dividire die gefundene Summe[410] durch 7 u. nenne den Rest dieser Division den fünften Rest. Addirt man jetzt die Summe des vierten od. fünften Restes zur Zahl 22, so gibt endlich die neue Summe das Märzdatum der gesuchten O. für das gegebene Jahr. Sollte aber das gefundene Märzdatum größer als 31 sein, so ziehe man von ihm die Zahl 31 ab; dann gibt der Rest das Aprildatum der gesuchten O. Dieses Bestimmungsverfahren gilt im Julianischen Kalender ohne Ausnahme für jedes Jahrhundert, so auch für den Gregorianischen Kalender, nur daß für diesen letzteren drei Fälle zu beobachten sind: a) wird der 26. April als O. gefunden, so muß stets der 19. April statt jenes angenommen werden; b) ist der 25. April das Resultat, zugleich der erste Rest größer als 10, u. 18 der vierte Rest, so wird jedes Mal der 18. April als O. gefeiert; c) statt der obigen eingeklammerten Zahlen (15) u. (6) werden bei der Bestimmung des Gregorianischen O. folgende Zahlen resp. angenommen:
von 1582 bis 1699 22 u. 2
von 1700 bis 1799 23 u. 3
von 1800 bis 1899 23 u. 4
von 1900 bis 1999 24 u. 5
von 2000 bis 2099 24 u. 5
von 2100 bis 2199 24 u. 6
von 2200 bis 2299 25 u. 0
von 2300 bis 2399 26 u. 1
von 2400 bis 2499 25 u. 1
Obige allgemeine Regel für die Ansetzung der O. soll deshalb gegeben worden sein, damit man ein Zusammentreffen der christlichen O. mit dem jüdischen Pascha vermeide. Allein dessenungeachtet ereignet sich dies in jedem Jahrh. etliche Mal. Die Sonntage, auf welche O. fällt, sind in besonderen Ostertäfelchen mehre Jahre vorher berechnet.
In der alten Kirche feierte man die ganze Woche von Palmarum bis O. (Osterwoche, Marterwoche), namentlich Gründonnerstag, Charfreitag u. Osterabend od. Großen Sabbath. Nun folgte das Fest selbst, welches 8 Tage lang mit täglichem Gottesdienst begangen, seit dem 11. Jahrh. aber die Feier auf 3 Tage, in neuester Zeit in den meisten Ländern auf 2 Tage beschränkt wurde. Die älteren Christen blieben die ganze Nacht vor dem Fest (Ostervigilie) beisammen, brachten dieselbe mit Gebet u. Administrirung des heiligen Abendmahls zu u. zündeten in der Kirche die große Osterkerze (Cereus paschalis) u. auf nahen Anhöhen ein Freudenfeuer (Osterfeuer) an. Von der Osterkerze wurde dann in den Häusern statt alles ausgelöschten Feuers neues angezündet. Vor Sonnenaufgang schöpfte man unter geheimnißvollem Stillschweigen aus einem nahen Flusse Wasser (Osterwasser, von welchem man glaubte, daß es den Körper vor Runzeln u. Flecken bewahre). Wenn man sich am Morgen des Festes begegnete, begrüßte man sich, wie noch jetzt in der Griechischen Kirche, unter einem Kusse (Osterkuß) mit dem Zuruf: Surrexit! (er ist auferstanden), u. der Erwiderung: Vere surrexit! (er ist wahrhaftig auferstanden). In den Kirchen wurden die Katechumenen getauft u. seit dem Lateranensischen Concil 1215 gesetzlich Abendmahl gehalten. Processionen zogen umher, Gefangene wurden begnadigt u. losgelassen, Sklaven freigegeben, die Bußzeit der Gefallenen endigte sich, man schickte sich gegenseitig Geschenke, bes. bunt bemalte u. mit Reimen beschriebene Eier (Ostereier), spendete den Armen Almosen u. gab sich, nach dem nun beendigten Quadragesimalfasten lauter Freude u. stattlichem Genusse hin (Osterfreude). Selbst in den Kirchen wurden Gastmähler gegeben u. die Geistlichen erzählten allerhand Märchen u. Schwänke, welche das Volk zum Lachen reizten (Ostergelächter, Risus paschalis; vgl. Öcolampadius De risu paschali, Bas. 1518, welcher erzählt, daß die Prediger in dieser Absicht auf den Kanzeln bald wie Kukuke gerufen, bald wie Gänse geschnattert hätten etc.). Die Festfeier wurde mit der Osteroctave, am Sonntag nach O. geschlossen. Schon bei der nächtlichen Feier der Ostervigilie kamen Unordnungen vor, weshalb bereits 305 das Concil in Illiberis den Weibspersonen die Theilnahme an derselben untersagte; andere Mißbräuche wurden durch die Reformation abgestellt. Die Ostervigilie u. die Osteroctave werden in der Katholischen Kirche gefeiert. Vgl. Piper, Geschichte des Osterfestes, noch 1845; Weitzel, Die Passahfeier, 1848; Hilgenfeld, Der Osterstreit, 1860.
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