Kalender [1]

[233] Kalender (Calendarium, von Calendae [s.d.]), 1) Eintheilung des Jahrs nach größeren u. kleineren Zeitabschnitten u. gewissen, theils auf Naturvorgängen, theils auf getroffenen Anordnungen beruhenden Vorausbestimmungen für einzelne Zeitabschnitte; bes. 2) schriftlich verfaßte (u. durch den Druck vervielfältigte) Angabe, welche Einrichtung ein gewisses Jahr nach jenen Bedingungen haben u. was in jedem einzelnen Zeitabschnitte, sofern solches bestimmbar ist, sich zutragen werde. Der K. eines Volks hängt mit der, von demselben angenommenen Jahrrechnung (s.d.) zusammen u. wird zunächst nach Sonnen- u. Mondeslauf bestimmt. Aus den geschichtlichen Nachrichten, die über die Jahreseintheilung bei den Griechen u. anderen alten Völkern erhalten sind, können wir auch einen K. der Altgriechen, u. zwar für verschiedene Perioden der griechischen Geschichte, od. auch einzelner griechischer Völkerschaften (s.u. Jahr) eben so wie einen ägyptischen K. etc. unterscheiden. Die Griechen theilten ihre 29-u. 30tägigen Monate (s.u. Jahr B) h) in drei Dekaden: ἱσταμένου od. ἀρχομένου, die Tage des anfangenden Monats, vom 1.–10.; ἐπὶ δέκα od. μεσοῦντος, die mittlern, vom 10.–19., u. φϑίνοντος (παυομένου, λήγοντος, ἀπιόντος), das letzte Drittheil; der erste Tag des Monats war derjenige, an dessen Abend der Neumond aufging, u. hieß νουμηνία. Das eigentliche Kalenderwesen gestaltete sich aber erst bei den Römern auf eine bestimmte Weise, die, wiewohl mit Modificationen, auch unserer heutigen Kalendereinrichtung zu Grunde liegt. Die Römer ließen den ersten Tag jedes Monats, Calendae, wofür die Erscheinung des Neulichts bestimmt war, durch einen Unterpriester ausrufen u. unterschieden nach demselben noch zwei Monatstage, den 18. Tag vor den nächsten Calenden als Idus, u. den neunten Tag von den Idus an rückwärts als Nonae. Da aber nach Numas Bestimmung vier Monate (Martius, Majus, Quintilis, October) 31 Tage, die übrigen (bis auf den nur 28 Tage enthaltenden Schlußmonat Februar, u. den nach je zwei Jahren eingeschalteten Mercedonischen Monat von 22 od. 23 Tagen) nur 29 Tage hatten u. jedesmal bei der Zahlenbestimmung der Tage derjenige Tag, von welchem aus rückwärts gerechnet wird, mitgezählt wird; so verflossen von den Calenden bis zu den Nonen in den gedachten vier Monaten sieben, in den übrigen fünf Tage. Dir Idus aber fielen nach späterer Bestimmung zum Theil etwas früher vor den Calenden des nächsten Monats ein, u. zwar traf man die Bestimmung dahin, daß die Idus durchgängig auf den 13. Tag des Monats festgesetzt wurden, mit Ausnahme der vier Monate März, Mai, Juli (Quintilis) u. October, in denen sie am 15. Monatstage eintraten. Demnach fielen auch die Nonae in diesen vier Monaten auf den siebenten Monatstag, in den übrigen auf den fünften. Die übrigen Tage wurden von den genannten drei rückwärts berechnet, so zwar, daß der Tag, von welchem man anfing zu zählen, mitberechnet wurde; so ist also z.B. der 30. März der dritte Tag vor den Calenden des April (III. Calendas Apriles), der 10. Januar der vierte vor den Iden des Januar (IV. Idus, Jan.). In der abgekürzten Redeweise werden dabei die Worte die ante weggelassen u. gesagt tertio (nämlich die ante) calendas Apriles, od. quarto Idus Januarias. Der Vortag vor den drei Haupttagen erhielt den Namen pridie Calendas, pr. Nonas, pr. Idus. Will man daher einen Monatstag nach unserer Bezeichnung in die Römische übersetzen, u. der Tag fällt zwischen die Calenden u. Nonen, so muß man den Monatstag der Nonen des betreffenden Monats um 1 vermehren, davon den betreffenden Monatstag abziehen u. den Tag als den sovielsten vor den Nonen bezeichnen, als der Rest angibt. Ebenso verfährt man, wenn der Tag zwischen den Nonen u. Iden liegt. Liegt aber der Tag nach den Iden des Monats, so muß man die Gesammtzahl der Monatstage (also bei Januar 31 etc.) um zwei vermehren, davon den betreffenden Monatstag abziehen u. den Tag als den sovielsten vor den Calenden des nächsten Monats bezeichnen, als der Rest angibt. Außerdem wurden im römischen K. Perioden von neun Tagen als Nundinae (s.d.) unterschieden. Diese Nundinaltage wurden mit Buchstaben von A–H bezeichnet. Wenn nun der Nundinalbuchstabe eines Jahrs A war, so wurde der des folgenden D, indem man von dem letzten Nundinalbuchstaben (A) des ersten Jahrs bis zum neunten Tag in das folgende Jahr fortzählte, u. so fort. Ferner unterschieden die Römer einzelne Tage als fasti, andere als nefasti (s. b.), wo man gewisse Geschäfte od. Unternehmungen verrichten od. unterlassen mußte. Nach diesen Bestimmungen der Kalendertage waren nun auch die Feste u. andere öffentliche Vorgänge im Voraus angeordnet. Eine neue Epoche des römischen Kalenderwesens begann 45 v. Chr., wo Julius Cäsar den nach ihm benannten Julianischen K. im ganzen Römischen Reich einführte (s.u. Jahr B) a), u. da dieser K. nach der Theilung des Reichs auch in der christlichen Zeitrechnung beibehalten worden war, so würde diese Abweichung im Jahr 1577 n.Chr., unter der Regierung des Papstes Gregor XIII., bereits 13 Tage betragen haben, wenn nicht schon unter August ein wahrgenommener Irrthum zu einer Ab[233] weichung von der Julianischen Kalenderrechnung veranlaßt u. diese Differenz um drei Tage vermindert hätte. Sie betrug daher zu jener Zeit nur 10 Tage, u. die Art, wie durch Weglassung von 10 Tagen im Jahr 1582 das Jahr regulirt wurde, s.u. Jahr.

Nach dem nun angeordneten Gregorianischen K. sollte also allen ferneren Abweichungen dadurch vorgebeugt werden, daß jedes Jahr, in dem die Jahreszahl mit vier theilbar ist, ein Schaltjahr u. also durch einen dem Februar zugegebenen Tag 366 Tage, jedes letzte Jahr eines Jahrhunderts aber in der Regel ein gemeines Jahr von 365 Tagen bleiben sollte, doch mit der Ausnahme, daß wieder jedes vierte Säcularjahr ein Schaltjahr werde. Da aber die nicht katholisch-christlichen Religionsparteien sich einer päpstlichen Anordnung zu unterwerfen Bedenken trugen, so blieb der Julianische K. noch längere Zeit in Staaten, wo die Katholische Religion nicht herrschend war, in Gebrauch. Auch machte man nicht ohne Grund folgende Ausstellungen an ihm: a) daß bei der angenommenen Einschaltungsform die Frühlings-Nachtgleiche nicht immer den 21., sondern häufig schon den 20. März, ja in manchen Jahren (in den letzten Schaltjahren eines Jahrh.) schon den 19. März eintritt; b) daß man bei Verbesserung des Mondcykels nur drei Tage Vorrücken des Neumonds seit dem Nikäischen Concil annahm, da doch dasselbe vier Tage betrug, daß daher der wirkliche (astronomische) Neumond einen ganzen Tag, ja oft noch darüber, dem angenommenen (kirchlichen) vorhergeht, welche willkürliche Bestimmung um deswillen getroffen wurde, damit der 14. Tag des kirchlichen Mondlaufs nie vor dem astronomischen Vollmond falle u. also Ostern stets vor dem wahren Vollmond gefeiert werde. Dieser Umstand begründete die Verschiedenheit des so genannten verbesserten K-s, den die Evangelischen Stände des Deutschen Reichs 1700 einführten, indem sie die 10 letzten Tage des Februars zugleich mit dem in demselben Jahr nach dem Julianischen K. (dem alten Styl) einfallenden Schalttage wegließen u. so in der Hauptsache den Gregorianischen K. (wie auch später andere, die päpstliche Autorität nicht anerkennende Staaten, mit Ausnahme der Russen u. der Neugriechen) annahmen, mit der einzigen Abweichung, daß das Osterfest nicht nach der cyklischen Rechnung, sondern nach dem wirklichen Ostervollmond, u. zwar nach Keplers Rudolfinischen Tafeln für den Meridian von Uranienburg berechnet wurde, so nämlich, daß der Tag, auf welchen dieser Vollmond fällt, von Mitternacht angerechnet, für die Ostergrenze gelten u. den nächsten Sonntag darauf das Osterfest gefeiert werden sollte. Hiernach mußten sich aber in manchen Jahren Abweichungen der Feier des Osterfestes (u. also auch aller davon abhängigen beweglichen Feste) in den katholischen u. den protestantischen Staaten u. Kirchen ergeben; es traten als solche auch bereits 1724 u. 1744 ein, wo Ostern von den Protestanten acht Tage früher als von den Katholiken gefeiert wurde; daher gaben 1776 die Evangelischen Reichsstände die astronomische Berechnung des Ostervollmonds als Grundlage dafür auf u. trafen Einleitungen, daß den 13. Juni 1777 der Gregorianische K. als allgemeiner Reichskalender die kaiserliche Ratification erhielt, der nun auch allgemein angenommen wurde.

Zur Einrichtungeines K-s kommt zunächst der Sonnencykel, nebst dem davon abhängigen Sonntagsbuchstaben, u. der Mondcykel mit der darnach sich ergebenden Güldenen Zahl in Betracht (s.u. Cykel) Von minderem Belang ist die Bemerkung der Indiction (s. ebd.). Nach dem Mondeykel werden die Epakten (s.d.) bestimmt, nach welchem bes. das kirchliche Osterfest berechnet wird. Jede Woche (als feste siebentägige Periode) hebt mit einem Sonntage an; da aber das Jahr einen Überschuß über 52 Wochen (= 364 Tagen) in gemeinen Jahren von einem Tag, in einem Schaltjahre von zwei Tagen (Concurrenten) hat, so rückt der erste Tag des Jahres (Neujahr) jedes folgende Jahr nach einem gemeinen Jahr um einen Wochentag, nach einem Schaltjahr um zwei Tage weiter; in gleicher Art rücken alle fest bestimmte Monatstage des Jahrs (Geburtstage, Namenstage etc.) fort. Nach kirchlicher Anordnung ist nur ein Theil der religiösen Festtage fest bestimmt, u. auch diese rücken um einen od. zwei Wochentage weiter. Von diesen werden in allen christlichen Kirchen gefeiert (obgleich in der protestantischen Kirche zum Theil auf den nächsten Sonntag verlegt): der Neujahrstag den 1. Januar, Epiphanias (Ober-Neujahr) den 6. Januar, Mariä Reinigung (Lichtmeß) den 2. Februar, Mariä Verkündigung den 25. März, Johannisfest den 24. Juni, Mariä Heimsuchung den 2. Juli, Michaelis den 29. September, Weihnachten den 25. Dec., letztes als hohes Fest. Die Hauptabweichungen der K. einzelner Jahre gehen aber vornehmlich von dem in jedem Jahre nach den Epakten bestimmten Osterfest aus. Da hiernach die Nachtgleiche immer auf den 21. März fallend angenommen wird, so kann Ostern nie früher als den 22. März u. nie später als den 25. April (Ostergrenze) fallen. Nach dem sonntäglichen Osterfeste richten sich die Sonntage des ganzen Jahres in folgender Art: der Sonntag neun Wochen vor Ostern bekommt den Namen Septuagesimä. Diesem folgen die Sonntage Sexagesimä u. Quinquagesimä (Estomihi) als Vorfastensonntag; in der mit diesem Sonntag anhebenden Woche beginnt die Fasten, u. es ist darin der Dienstag als Fastnacht u. der folgende, der anfangende Fastentag, als Aschermittwoche bezeichnet. Nun folgen die sechs Fastensonntage: Invocavit, Reminiscere, Oculi, Lätare, Judica, Palmarum. Die Mittwoche zwischen Oculi u. Lätare erhält auch den Namen Mitfaften. In der Woche zwischen Palmarum u. Ostern (Charwoche) sind Donnerstag u. Freitag als Grüner Donnerstag u. Charfreitag kirchliche Feste. Nach Ostern ist der 40. Tag (ein Donnerstag) das Himmelfahrtsfest u. der 50. Tag, ein Sonntag, das Pfingstfest (ein hohes Fest). Die sechs Sonntage zwischen Ostern u. Pfingsten führen die Namen: Quasimodogeniti, Misericordias Domin. Jubilate, Cantate, Rogate, Exaudi. Der Sonntag nach Pfingsten ist das Trinitatisfest, der Donnerstag darauf in der Katholischen Kirche das Frohnleichnamsfest. Die folgenden Sonntage werden nach der Zahl von 1–23 od. auch bis 27, jenes als die geringste, dieses als die höchste Zahl, als Sonntage nach Trinitatis unterschieden. Die vier nächsten Sonntage vor dem Weihnachtsfeste sind als Adventssonntage fest bestimmt; mit dem ersten beginnt das Kirchenjahr. In den mehrsten Jahren fällt auch ein Sonntag nach Weihnachten, nämlich zwischen ihm u. dem Neujahr, od. auch ein Sonntag nach dem Neujahr, zwischen diesem u. dem Oberneujahr[234] Die nach dem letzteren fallenden Sonntage führen den Namen Sonntage nach Epiphanias, deren höchstens sechs sind, die aber sich auch nur auf einen vermindern. Von den vier Quatembern (sonst als gewöhnlich en Zahlungsterminen, in der Katholischen Kirche Fasttage) richten sich die beiden ersten nach Ostern: Reminiscere fällt auf die Mittwoche nach Invocavit; Trinitatis auf die Mittwoche nach Trinitatis; die beiden anderen dagegen fallen auf die Mittwoche nach unveränderlichen Tagen, nämlich Crucis auf die Mittwoche nach dem 14. September (Kreuzes Erhöhung) u. Luciä auf die Mittwoche nach dem 13. December. Seit der ältesten Zeit der christlichen Zeitrechnung haben alle Tage des K-s Heilige od. auch besondere Gegenstände der kirchlichen Verehrung zur besonderen Bezeichnung erhalten. Hieraus haben sich Namenstage (s.d.) gebildet. Die Beifügungen von Heiligen- u. anderen Namen weichen aber in älteren u. neueren K-n, auch in katholischen u. protestantischen, ab. Verschiedene solcher Tage sind in den K-n auch um deswillen beachtet, weil nach ihnen an einzelnen Orten Anordnungen getroffen, z.B. Messen u. Jahrmärkte, Steuer- u. andere Termine bestimmt sind, Zusammenkünfte gehalten werden etc. Auch in der Landwirthschaft u. im Gartenbau wird häufig auf solche geachtet.

In einem so angelegten K. werden nun die auffallendsten Erscheinungen der Himmelskörper, so wie sie nach astronomischen Rechnungen im Voraus bestimmbar sind, an einzelnen Tagen od. auch zu besserer Übersicht zu Anfang od. Schluß des K-s noch bes. bemerkt. Dahin gehören: zunächst hinsichtlich der Sonne, ihr Eintritt in ein neues Himmelszeichen in jedem Monate, welches immer um den 21. Tag Statt hat, bes. ihr Eintritt in die Zeichen, von denen der Übergang der Jahreszeiten, od. Frühlings, Sommers, Herbsts, Winters Anfang abhängt; dann auch die Zu- u. Abnahme der Tags- u. Nachtzeit in Andeutung der Stunden u. Minuten, in denen die Sonne jeden Tag auf- u. untergeht, eben so Andeutung der Zeit der Sonnennähe u. Sonnenferne der Erde, auch wohl Bestimmungen u. Ausgleichungen der mittleren Zeit für jeden Tag. Ferner der Mondeswechsel, u. zwar zunächst Bezeichnung der Tage, auf welche die Neumonde, die Vollmonde, die ersten u. die letzten Viertel fallen, nebst Angabe, in welchen Stunden u. Minuten diese Wechsel eintreten, auch Bemerkung, wenn der Mond auf- u. untergeht etc. In Bezug auf Sonne u. Mond zugleich werden auch die jedes Jahr vorkommenden Verfinsterungen derselben angegeben. Von dem Planetenlauf wird wenigstens so viel bemerkt, daß zu jeder Zeit diejenigen, welche am Himmel sichtbar sind, leicht gefunden werden können. In früherer Zeit, als die Astrologie noch ein Vertrauen hatte u. die gegenseitige Stellung der Planeten zu einander in dieser Hinsicht ein Hauptgegenstand der Beachtung war, wurde auch diese mit großer Sorgfalt, als Zusammenkunft, od. Gegenschein, Geviertschein etc. in die K. eingetragen, welches zum Theil auch noch jetzt für einzelne Tage, so wie auch, ob die sichtbaren Planeten rechtläufig od. rückläufig sich bewegen, bemerkt wird. Zuliebe des Volksglaubens, daß der Mondeswechsel u. der Planetenstand einen unmittelbaren Einfluß auf die Witterung haben, enthält der K. auch Andeutungen von der vermuthlichen Witterung. Vorzüglich hat sich der sogen. Hundertjährige K. Credit erworben, ein oft aufgelegtes Volksbuch worin das Kalenderwesen nach astrologischen Meinungen dargestellt, u. auf ein ganzes Jahrhundert die Planeten, welche der Reihe nach in jedem Jahre herrschen sollen, u. ihr Einfluß, sowohl auf Witterung als Lebensverhältnisse, angedeutet werden. Da die alten astrologischen u. anderen Kalenderbestimmungen sich zunächst auf den Julianischen K. beziehen, auch derselbe bes. in Rußland noch üblich ist, so wird gewöhnlich auch derselbe dem gewöhnlichen K. beigefügt. In Hinsicht der Monatstage weichen beide K. blos dadurch von einander ab, daß der Julianische K. jetzt um 12 Tage zurück ist, so daß der Neujahrstag nach demselben auf den 13. Januar fällt; doch treten auch in der Oster- u. darnach bestimmten Festrechnung in den mehrsten Jahren Abweichungen ein. Von dem Immerwährenden K. s.d.

Die K., wie sie jetzt üblich sind, kamen erst lange nach Erfindung der Buchdruckerkunst in Gang. Im Mittelalter war die Kalenderanfertigung bloß eine Angelegenheit in Klöstern. Es kam hauptsächlich darauf an, die Tage nach den angeordneten kirchlichen Festen u. nach Heiligen zu unterscheiden, u. in Urkunden wurden gewöhnlich nur Tage auf diese Art (z.B. am Tage Johannis, am Tage Bartholomäi etc.) u. nach Wochentagen (z.B. Donnerstags nach Michaelis) bezeichnet. Die K. wurden auch gewöhnlich auf mehrere Jahre in Voraus eingerichtet u. so gewöhnlich in die Breviarien der Klostergeistlichen eingeschrieben u. in den Schulen auswendig gelernt. Um dies leichter zu bewirken, hatte man den ganzen K. in 24 barbarische Hexameter, für jeden Monat zwei, gebracht, die aus verkürzten u. abgebrochenen Namen der Feste u. Heiligentage bestanden u. so viel Sylben als Monatstage enthielten; ein solcher K. hieß von dem Anfang der Verse des Januars Cisio Janus (von Circumcisio Beschneidung u. Janus der Monat Januar). Der erste Druck des Cisio-Janus ist Augsb. 1470 u. der Anfang lautet: Cisio Janus (Fest der Beschreibung am 1. Januar) epi (Epiphaniasfest am 6. Januar) sibi vendicat oc (die auf Epiphanias folgenden Octaven) feli marcan (die Feste des St. Felix, Marcellus u. Antonius am 14., 16. u. 17. Jan.); lateinisch gab Joh. Müller Regiomontanus einen auf 30 Jahre berechneten astronomischen K. 1478 (nach Andern schon 1473) zu Nürnberg heraus; ein deutscher K. von ihm erschien 1473. Zu Ulm gab auch schon 1476 Jakob Pflaum einen deutschen K. heraus, dem ein weitläufiger Bericht über das Aderlassen beigegeben ist. In der Folge wurde aber die sogen. Kalenderpraktica der Hauptgesichtspunkt bei den K-n, d.i. eine praktische Anweisung, an welchen Tagen od. zu welchen Zeiten des Jahres Säen u. Pflanzen, Holzfällen, Aderlassen, Schröpfen, Purgiren, Baden, Haarabschneiden etc. vorzunehmen sei, auch was gewisse Vorgänge am Himmel, od. gewisse Witterungszustände (z.B. der Sonnenschein an jedem der als Zwölfnächte bezeichneten Tagen, von Weihnachten bis Oberneujahr) für spätere Zeit andeuteten, welche Einflüsse der Monat, in welchem die Geburt eines Kindes erfolge, auf dessen Leben habe etc. Der älteste K. mit beigefügter Praktica ist vom Jahr 1481, von Joh. Blaubier gedruckt; ein gleicher, mit astrologischen Anmerkungen, wurde zu Augsburg 1483 von Joh. Bömber, auch zu Strasburg von Heinrich Knoblachser 1488[235] gedruckt. Noch früher hatte aber Hieronymus Manfredi zu Bologna (st. 1483) K. herausgegeben, in denen er bestimmte, welche Tage zum Mediciniren glücklich od. unglücklich wären. In Deutschland erschien zuerst zu Ulm 1499 ein K. mit gleichen astrologisch-medicinischen Bestimmungen. Einjährige K., wie sie heut zu Tage üblich sind, wurden wenigstens schon 1513 zu Nürnberg gedruckt; von jener Zeit an erschienen solche an vielen Orten in verschiedener Form u. vermehrten sich immer mehr u. mehr, so daß jetzt nicht leicht eine Provinzialstadt ist, in der nicht jährlich ein K. erscheint. Für den ältesten noch erhalten gebliebenen einjährigen, mit zum großen Theil jetzt noch gewöhnlicher Einrichtung, wird der zu Hamburg erschienene Almanach u. Praktica von Joh. Wolmar, upt Jar 1546, gehalten.

K. gehören zu den Schriften, die bei ihrem jährlich wiederkehrenden Bedürfniß nicht allein mehr als irgend eine andere Art von Schriften Verbreitung unter allen Volksklassen erlangt haben, sondern auch, inwiefern sie noch anderen Zwecken förderlich sind, in den verschiedenartigsten Formen sich immer wieder neu gestalten. Nach dem unterschiedlichen Umfang, den sie haben, od. auch besonderer Bestimmung zu Folge, wird durch sie zugleich eine Menge nöthiger u. nützlicher Notizen verbreitet. Dahin gehören in den gewöhnlichsten Volkskalendern (Hauskalendern): genealogische Nachrichten, wenigstens des regierenden Hauses eines Landes, allgemeine Landesanordnungen, wie Steuertermine, die sonntägigen Predigttexte, Messen u. Jahrmärkte, auch Woll- u. Viehmärkte der nächsten Orte, Postberichte, chronologische od. geschichtliche, statistische u. andere Notizen etc. Andere Beifügungen sind theils zur Belehrung, theils zur Unterhaltung; deswegen sind auch viele mit Abbildungen versehen, so gibt es Hans-, Wirthschafts-, Ökonomische, Garten-, Geschichts-, Adreß-, Comptoirkalender etc. Eine höhere Bestimmung haben die Astronomischen u. die Staats- u. Genealogischen K. Um die Kalendertage mit einem Blick sogleich finden zu können, dienen die sogen. Tafelkalender. Eine besondere Art Immerwährender K. sind Vorrichtungen, an denen man durch Verschiebung beweglicher Theile, auf denen die Monate, die Monats- u. Wochentage bemerkt sind, auf fest bleibenden Tafeln sich leicht einen K. zum Nothbedarf im geschäftlichen Leben auf eine Woche hinaus herstellen kann. Die allgemeine Verbreitung der K. hat in den mehrsten Staaten dazu geführt, sie zu einer Art der Besteuerung zu benutzen, ihren Debit nur unter der Bedingung einer Stempelung zu verstatten u. für den Kalenderstempel eine Abgabe zu erheben. Der Eingang auswärtiger K. in ein Land, wo diese Einrichtung getroffen ist, unterliegt dann gewöhnlich einer höheren Stempelgebühr.

Der Russische K., dem, wie erwähnt, der Julianische K. (K. alten Styls) zu Grunde liegt, unterscheidet sich von dem Gregorianischen u. verbesserten (K. neuen Styls) auch außerdem, daß das Osterfest u. die davon abhängigen beweglichen Kirchenfeste nach dem Julianischen bestimmt u. daher bald später, bald gleichzeitig mit denen der Abendländischen Kirche gefeiert werden, auch durch fast gänzliche Verschiedenheit der jedem Tage beigelegten Heiligennamen. Die Zahl, welche anzeigt, um wie viel Tage der Ostersonntag nach seiner frühesten Epoche, d.h. nach dem 21. März, einfällt heißt Klützsch Granitz (Kalenderschlüffel). Fällt nämlich der Ostersonntag auf den 22., 23.,.... 31. März, 1., 2.,... 25. April, so ist der Kalenderschlüssel resp. 1, 2,... 10, 11, 12,.... 35. Der Russische K. wurde am 1. Jan. 1852 auch in Russisch-Polen eingeführt.

Der Jüdische K. hat, weil ihm noch immer das altjüdische Jahr, also ein Mondenjahr zu Grunde liegt, eine von dem christlichen abweichende Einrichtung u. erhielt, in der Art, wie er noch jetzt besteht, im 4. Jahrh. vom Rabbiner Hillel Hannasi eine feste Bestimmung. Er wird nämlich durch den Cykel von 19 Mondenjahren regulirt. Der Anfang dieses Cyclus wird auf einen Neumond gesetzt, der ein Jahr vor der Schöpfung gefallen sei. In diesem Cykel sind nun das 3., 8., 11., 14., 17. u. 19. Jahr Schaltjahre von 13 Monaten od. 384 Tagen, die übrigen gemeine von 12 Monaten od. 354 Tagen; doch können beide einen Tag mehr od. weniger haben. Jeder Monat hebt mit einem nächsten Tage nach dem Neumond an u. hat (in der Regel) abwechselnd mit dem vorherigen u. folgenden 29 u. 30 Tage. Der Anfang des Jahres aber darf nicht auf einen Sonntag, Mittwoch od. Freitag fallen. Die Hauptbestimmungen des jüdischen K-s betreffen die Feste, nämlich a) die Sabbathe, welche von Untergang der Sonne Freitags bis zu demselben Sonnabends dauern; b) die Feier der Neumonde; wenn der vorherige Monat 29 Tage hatte, so wird sowohl dieser letzte Tag als der erste Tag des neuen Monats bestimmt; c) die übrigen in jedem Monat geordneten Fest- u. Fasttage. Gemeiniglich sind die Judenkalender in fünf Columnen abgetheilt. In der ersten (von der Rechten zur Linken) werden alle Fest-, Fast- u. andere merkwürdige Tage, alle Vor- u. Afterlesungen, die rechte Zeit zum Vespergebet u. den Sabbath gehörig anzufangen u. zu endigen, die Veränderung der Gebete, ob gut od. gefährlich Ader zu lassen sei u.a. m., großentheils durch Abbreviaturen angezeigt. Die drei folgenden Columnen bestehen aus lauter hebräischen Buchstaben od. Zahlen, wovon die erste die Wochentage, die zweite die Tage des jüdischen u. die dritte die Tage des christlichen Monats anzeigt; die fünfte Columne enthält die Namen der christlichen Feste, Heiligentage, Messen, Quatember etc. Außerdem werden in dem jüdischen K. noch die vier als Tekusa bezeichneten Übergänge einer Jahreszeit in die andere bemerkt, die im Allgemeinen unseren Aquinoellen u. Solstitien entsprechen, aber etwa 1/2 Monat später fallen. Über die Einrichtung des Türkischen K-s vgl. Jahr.

Die Lehre von der Verfertigung aller Arten K. heißt Kalendariographie; sie gibt Hülfstafeln, welche mit der, für K. überhaupt hinreichenden Genauigkeit alle in K-n gewöhnlich enthaltenen astronomischen Angaben (Sonnen-, Mond- u. Planetenlauf, die Sonnen- u. Mondfinsternisse etc.) durch möglichst vereinfachte Rechnungen finden lassen. Solche Hülfswerke sind C. G. Steinbecks Aufrichtiger Kalendermann, 8. Aufl Lpz. 1829, 3 Thle.; I. I. Littrow, Kalendariographie, Wien 1828; G. A. Jahn, Der Kalenderfreund, Lpz. 1841.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 233-236.
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