[14] Sicilien (Königreich Beider S.), bis 1881 europäisches Königreich, bestehend aus der Insel Sicilien (s.d.) od. Dominj di là del Faro u. dem vormaligen Königreich Neapel (s.d.) od. Dominj di quà del Faro, sowie mehren an den Küsten zerstreut liegenden Inseln, wie den Liparen, Ustica, den Ponzainseln, Vendutena, Ischia, Capri, den Agatischen Inseln, Tremiti u. v. a., zusammen 2033,11 QM. mit (1860) 8,705,130 Ew. Über Grenzen, Gebirge, Vorgebirge, Flüsse, Klima, Producte, Beschäftigung, Handel, Eisenbahnen, Religion, Münzen, Maße u. Gewichte s. Neapel 2) u. Sicilien (S. jenseit des Faro). Verfassung: das Königreich Beider S., so. von Alfons I. (s.u. Neapel [Gesch.] S. 738) benannt, bis 1816 Ferdinand IV. (I.) den Namen definitiv wieder aufnahm, bildete bis zu der im Jahre 1861 eingetretenen Vertreibung des Königs Franz II. eine in beiden Geschlechtern einer Nebenlinie der spanisch-bourbonischen Hauptlinie (s. unten S. 15) erbliche Monarchie; der König hatte die vollziehende Gewalt, mußte katholischer Confession sein, wurde mit dem 16. Jahre mündig; der Thronfolger hieß Prinz von Caladrien, die übrigen Prinzen führten die Namen von einer Provinz od. Stadt, so Prinz von Capua, Aquila, Trapani, Graf von Syracus. Ein Gesetz Karls III. von 1759 ordnete die Succession, zu welcher die männlichen Nachkommen desselben u. nach dem Aussterben des Mannsstammes erst die weiblichen nach der Nähe des Grades der Verwandtschaft zum letzten König als befähigt galten. Der König führte den Titel: König Beider S. u. zu Jerusalem, Infant von Spanien, Herzog von Parma, Piacenza, Castro, Erbgroßherzog von Toscana. Der Hofstaat war in früheren Zeiten sehr zahlreich u. prächtig. Die gesetzgebende Gewalt lag lediglich in der Hand des Königs, ihm zur Seite u. unter ihm stand ein Staatsrath, aus sämmtlichen Ministern u. mehrern bes. ernannten Staatsräthen bestehend. Das Ministerium bestand aus einem Ministerpräsidenten u. sieben Departementsministern, unter denen bes. der Minister der Polizei eine ausgedehnte Gewalt hatte. Außerdem bestand eine General-Consulta unter einem Präsidenten; sie zerfiel in die diesseit des Faro, aus 13 Mitgliedern u. einem Secretär, u. in die jenseit des Faro (die Insel S.), aus 8 Mitgliedern u. einem Secretär bestehend. Die Insel S. hatte auch einen besondern Statthalter, mit einem Zugeordneten als Rath der Regierung. In rechtlicher Beziehung stand S. unter zwei höchsten Gerichtshöfen zu Neapel u. Palermo; zwei Rechnungshöfe hatten die Beschwerden u. Streitigkeiten in Verwaltungsangelegenheiten zu untersuchen. Die Civilrechtspflege geschah durch 11 Tribunale erster Instanz u. vier Gran-corti civili (Civilgerichtshöfe), die peinliche Rechtspflege durch 15 Gran-corti criminali (Criminalgerichtshöfe). Das Strafgesetzbuch (Godice[14] penal nel regno due Sicilie), eine Nachbildung. des französischen Code pénal, stammte vom Jahre 1849. Die Einkünste beliefen sich 1859 auf 32 Millionen Ducati, die Ausgaben auf 34 Millionen Ducati. Verzinsliche Staatsschuld im Jahre 1854_: 121,872,000 Ducati. Eingetheilt war das Königreich Beider S. in 22 Provinzen, wovon auf das Festland 15, auf die Insel S. 7 kamen; die Civilverwaltung jeder der 1827 Gemeinden geschah durch einen Decurionato, einen Syndicus, zwei Gewählte. Die Armee des. Königreichs Beider S. wurde auf dem Festlande durch Conscription, auf der Insel S. durch Werbung ergänzt. Die Dienstzeit betrug 5 Jahre, dann noch 5 Jahre in der Reserve; Stellvertretung war gestattet. Im Jahre 1859 zählte die Armee an Gardeinfanterie 2 Grenadier-, 1 Jäger- u. 1 Marineinfanterieregiment, sowie 1 Compagnie Gardedu-Corps, zusammen 9508 Mann; an Linieninfanterie 13 Linienregimenter, 1 Regiment Carabiniers, 4 Regimenter Schweizer (Geworbene; die Schweizertruppen wurden. jedoch. im August 1859 aufgelöst), 12 neapolitanische u. 1 Schweizer-Jägerbataillon, 16 Provinzialcompagnien, 1 Veteranenregiment, 1 Invalidendepôt, 2 Compagnien Schweizerveteranen, 2 Regimenter Gendarmen u. 1 Compagnie Pompiers, zusammen 65,306 Mann. Die Cavallerie zählte als Garde 2 Regimenter Husaren u. 1 Schwadron Garde-du-Corps, zusammen 1834 Mann, u. als Linie 1 Carabiniers-, 3 Dragoner-, 2 Ulanen-, 1 Jäger- u. 1 Gendarmerieregiment. zusammen 6736 Mann. Die Artillerie zählte in 2 Feldregimentern, 1 berittenen u. 1 Schweizerbatterie nebst Train- u. Arbeiterabtheilungen zusammen 6322 Mann. Das Geniecorps war in 2 Bataillone mit 2880 Mann formirt. Zu dieser Stärke der activen Armee, insgesammt 92,586 M., kam außerdem die Reserve hinzu mit 48,000 M. Infanterie u. 3000 M. Küstenartillerie. Festungen: Hauptfestung Gaëta; außerdem waren armirt; auf dem Festland Civitella dell' Tronte, Tescara; auf S. Messina. Für Festungen galten außerdem die fünf Forts von Neapel u. Palermo. Die Marine. zählte 120 Schiffe mit etwa 800 Kanonen, darunter 2 Linienschiffe, 14 Dampffregatten, 6 Corvetten etc.; zum Küstenschutzewaren außerdem 40 Kanonenboote vorhanden. Die Flagge war roth, mit dem Wappen; Landesfarbe roth u. gelb. Orden: der Ferdinands-, St. Januars-, Verdienst-, Constantinorden, der Orden Beider S. (s.d. a.) u. der. Orden Franz I.; seit 1816 bestand auch eine Ehrenmedaille fürs Militär, auch gab es drei Ehrenzeichen. Das kleinere Wappen war ein blauer mit goldenen Lilien bestreuter Schild, darüber ein rother Turnierkragen mit drei Lätzen wegen Neapel. Das größere Wappen enthielt im blauen, roth eingefaßten Mittelschild drei goldene Lilien wegen des Hauses Anjou. Ein in Form eines Andreaskreuzes schräg gevierter Schild, oben u. unten in goldenem Felde. vier rothe Pfähle, zu beiden Seiten schwarze Adler im. silbernen Felde, ist das Wappen von S. Dazu kamen die Schilde von Castilien, Leon, Granada, Portugal, Österreich, Parma, Aragon, Burgund, Flandern, Tyrol, Brabant u. Jerusalem. Auf dem Schilde steht die Königskrone, u. wenn der Mantel fehlt, umgeben ihn die Ketten der sechs Orden.