Eid

1. Aid ist ein end alles haders.Gruter, III, 3; Henisch, 823; Petri, II, 85; Hebr. 6, 16; Simrock, 1897; Eisenhart, 554; Eiselein, 138; Lehmann, II, 33, 12; Schulze, 281; Pistor., IV, 5; Sprichwörterschatz, 1012; Hillebrand, 226; Graf, 470, 614.

Dies Sprichwort lehrt, dass der Eid das letzte Mittel sei, wodurch eine Rechtssache entschieden werden könne.


[765] 2. Alle Eide kann man nicht halten.Graf, 549, 105.

Von erzwungenen Eiden oder solchen, die ein unsittliches Verhältniss oder Versprechen bekräftigen. Die Prüfung solcher Eide war Sache der geistlichen Gerichtsbarkeit, die nach Umständen davon entbinden konnte.


3. Besser eide schweren, dann ruben graben. Henisch, 823; Petri, III, 1.


4. Den schwersten Eid schwört man bei seines Vaters Seele.Eiselein, 138.


5. Der Eid allein ist Gottes Urtheil.Graf, 468, 588; Klinger, Sechsisch Landrecht, 59, b 1.

Daher bedurfte es, um die Unschuld zu beweisen, oft vieler Eide, wovon andere Sprichwörter reden. Wo Beweise da waren, bedurfte es des Gottesgerichts, des Eides, nicht. Die Glosse zum Sachsenspiegel sagt: Der Eid heisse eben deshalb Gottesurtheil, weil er wie Wasser von einer Partei zur andern fliesse.


6. Der Eid hat keine Holung.Graf, 469, 602.

Wurde im altdeutschen Recht das Geringste bei der Eidesleistung versehen, als: die Hand vom Heiligen verrückt, mit dem Nachsprechen gezaudert oder dabei gestottert; so war der Schwörende vom Eide gefallen und konnte sich nimmer erholen; denn Gott hatte seinen Eid als falsch bezeichnet.


7. Der Eid ist der Richter in verborgenen Dingen.Graf, 468, 592.


8. Der Eid ist der Zeuge der Wahrheit.Kirchhofer, 182; Hillebrand, 229, 335; Graf, 469, 597.


9. Der eid eines vnzüchtigen Weibs vnd eines fürsprechers ist einerlei.Henisch, 823.


10. Der Eid ist gut, aber nicht zu allen Dingen.

Dän.: Med ed svares og ikke klages. (Prov. dan., 134.)

11. Der Eid ist gut, wer recht schwören thut. Henisch, 823; Petri, II, 85.


12. Der Eid macht mündig.Eisenhart, 34; Sprichwörterschatz, 1022; Pistor., I, 21; Hillebrand, 15; Simrock, 1895; Körte, 1028.

Nach den Gesetzen sollen Minderjährige ohne Einwilligung ihrer Vormünder keinen Eid leisten. Der Sinn des Sprichworts geht nun dahin, dass das Rechtsgeschäft eines Minderjährigen, wenn er es durch einen der Form nach gültigen Eid verstärkt hat, unwiderruflich so angesehen werden soll, als habe er bereits das gesetzliche Alter erreicht, d.h. als sei er mündig oder volljährig.


13. Die Ayd bringen dem Manne keinen Glauben, aber der Mann den Ayden.Lehmann, II, 12, 2.

Holl.: De eed dwingt: op mannentrouw – mannenwaarheid. (Harrebomée, I, 170.)


14. Die Eide der Verliebten und (Geld-)Borger wiegen nicht schwer.

Holl.: Eeden van schippers en beloften van vrijers zijn maar, als de nood over is. (Harrebomée, I, 416.)


15. Eed bringt Lêd. (Holst.)


16. Eid ist Gott Leid.Körte, 1023.

Dän.: Eden er aldrig saa god, at han var jo bedre usvoren. (Prov. dan., 135.)


17. Eid schwören ist nicht Rüben graben (schaben).Graf, 374, 483; Braun, 357.


18. Eide vernichten den Streit. (S. Eid 1.) Graf, 470, 613; Wicht, Ostfries. Landrecht, I, 61, 125.


19. Ein Eid und ein Ei sind leicht zu brechen.

Dän.: Eed og æg er snart bradt. (Prov. dan., 134.)


20. Ein Eid vom Freier ist nicht theuer.

Dän.: Frierens eed er rum og bred. (Prov. dan., 134.)

Lat.: Amantium per juriaridet Jupiter.


21. Ein eydt hebt den andern auf.Franck, I, 23b; Henisch, 823; Lehmann, II, 121, 25; Hillebrand, 230; Simrock, 1903; Körte, 1026; Graf, 468, 580.

Bezieht sich jetzt auf beschworene Aussagen gehörig vernommener, gleich glaubwürdiger Zeugen, deren Zeugniss sich widerspricht. Im alten deutschen Recht brach der Eid des Antworters den Eid des Klägers. (S. Eid 40.)


22. Ein ungerechter Eid lässt sich brechen ohne Leid.


23. Es wirdt kein eid geschworen, es wirt ein Seel verlohren.Henisch, 823; Petri, II, 305.


24. Falsch Eid, falsch Geld findet man jetzt in aller Welt.


25. Genöter (gezwungener) eyd ist got leyd. Franck, I, 16b u. 34a; II, 6a; Ramann, Unterr., V, 20; Blum, 78; Eiselein, 137; Sprichwörterschatz, 1018; Pistor., II, 57; Eisenhart, 550; Hillebrand, 228; Guttenstein, I, 7; [766] Meisner, 78; Körte, 1024; Kirchhofer, 169; Lehmann, II, 13, 10; 228, 97 u. 229, 120; Petri, II, 333; Schottel, 1132a; Graf, 549, 106.

Von den Gesetzen wird ein erzwungener Eid für ungültig erklärt, und das ist, was das obige Sprichwort lehren will.

Engl.: An unlawful oath is better broken, than kept.

Holl.: Een gedwongen eed is God leed. (Harrebomée, I, 170.)

Lat.: Jusjurandum vi extortum nullius est valoris. – Per vim facta non sunt rata. (Binder I, 1357; II, 2542; Buchler, 14; Seybold, 439.) – Qui falso jurat, nil immortalia curat. – Sunt quasi non facta Domino juranda coacta. (Binder II, 3248; Gartner, 210.)


26. Gezwungen eid bindet nicht.Henisch, 823; Petri, II, 338; Hillebrand, 228; Graf, 549, 107.

Der Eid, zu welchem die schwörende Person durch Zwang bestimmt wurde, entbehrt nach kanonischem Recht der geforderten Veritas in mente; das protestantische Kirchenrecht hat eine derartige Bestimmung nicht. In den Minnesängern heisst es: »Betwungen eit soll binden uit.« (Kirchhofer, 40.)

Holl.: Een gedwongen eed en heete pasteijen zijn ligt te breken. (Harrebomée, I, 170.)


27. Gezwungener Eid ist von keinem Werth. Körte, 1025.

Holl.: Bedwonghen ede en sijn van ghener weerde. (Tunn., 4, 16.) – Gedwongen eeden zijn van geener hande waarde. (Harrebomée, I, 170.)

Lat.: Sunt quasi non facta domino iurata coacta. (Fallersleben, 112.)


28. Keines Mannes Eid kann man brechen ohne Eid.Graf, 468, 577.

Der freie Sachse liess über sich kein Zeugniss ergehen; er gestand und zahlte oder leugnete und schwur. Der Eid des Klägers konnte nur durch den Eid des Antworters gebrochen werden.


29. Mit eid schweren ist nicht zu schertzen.Henisch, 823; Petri, II, 475.


30. Niemand kann Eid gewinnen in die Brust eines andern (Todten).Graf, 469, 595.

Man kann niemand einen Eid über Dinge zuschieben, von denen er keine Kenntniss hat, weil jeder Schwörende die Verantwortlichkeit über die Wahrheit dessen, was er beschwört, übernimmt. Auf blosse Verantwortlichkeit eines andern kann niemand schwören.


31. So leicht es ist, ein eid sprechen, so schwer ist, ein eid brechen.Henisch, 823; Petri, II, 536.


32. Vergebene Eide darf man nicht leisten.Graf, 470, 612.

Die Gegenpartei kann die wirkliche Ableistung eines Eides erlassen.


33. Viel Eid, viel Leid.


34. Wenn ein Eid stäch' wie ein Dorn, es würden nicht so viel geschwor'n.Simrock, 1900; Eiselein, 137.


35. Wenn man falschen Eid schwört, so muss Gott die Lüge für Wahrheit verkaufen helfen.


36. Wer den Eyd bricht, der lestert Gott.Petri, II, 691; Blum, 79; Sprichwörterschatz, 1035; Simrock, 1901.


37. Wer einen Ayd von einem gottlosen Menschen begehrt, der macht sich dess Mayneyds schuldig.Lehmann, II, 12, 5.


38. Wer mit einem eid sein lugen behegt, ist ein vntrew Mann erst vnd letzt.Henisch, 823.


39. Wer sich mit Eiden fristet, der hat mich überlistet.Graf, 469, 610.

Bezieht sich auf die Eideszuschiebung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, weil man auf diesem Wege zu seinem Schaden um jeden andern Beweis kommen kann. (S. Eid 41.)


40. Wo werden zween eid geschworen, da wirdt eine Seele verloren.Henisch, 822; Petri, II, 818; Graf, 374, 492.

Wenn in derselben Sache zwei Personen einander absolut Widersprechendes beschwören, so muss wenigstens eine dieser Aussagen eine falsche sein.


41. Wofür einer den Eid nimmt, darum mag er kein Zeugniss mehr thun.Graf, 469, 609.

Die Eideszuschiebung im bürgerlichen Rechtsstreit galt als Vergleich, der durch die Annahme vollendet wurde, sodass der Gegentheil sogar dann nicht mehr auf den Beweis zurückgreifen konnte, wenn ihm der Eid zurückgeschoben wurde.


42. Wovor sind de falschen Eider in de Welt, wenn se nich eschworen weren söllt! segt de Avkate. (Hildesheim.) – Hoefer, 38.


[767] *43. Der Eid ist mit Dreck versiegelt.

Der Ton liegt auf der.

Holl.: Dat is een fransche eed. (Harrebomée, I, 195.) – De eed is met boter bezegeld. (Harrebomée, I, 170.)


*44. Einen Eid staben.Eiselein, 137.

Den Eid conceptis verbis, d.h. wörtlich wie er vorgesprochen wird, nachsagen und dabei einen Stab berühren. Eidstab ist bei Notker (III, 5) das Gericht, wo der Eid gestabt wird.

*45. Er hält einen Eid wie der Hund die Fasten.

Holl.: Hij houdt den eed, als de hond de vasten. (Harrebomée, I, 170.)


*46. Er würde einen Eid schwören um eine Taube, wenn ihm schon ihr Schwanz aus dem Aermel hervorguckte.Körte, 1027a.


*47. In Eid und Pflicht nehmen.


[Zusätze und Ergänzungen]

48. Ein Eid aus Noth gilt nicht soviel als ein hölzerner Pappenstiel.Eiselein, 503.


49. Man kann schon einen falschen Eid schwören, sagt der Jesuit, wenns nur zu einem guten Zweck geschieht.Opel, 390.


*50. Einen weiter denn auff sein Eyd fragen.

»Wie man gern spricht.« (Aventin, Chron., CCCXLVIIa.)

Ihn zum Geständniss zwingen mittels Folterwerkzeugen.


*51. Er hats auff sein Eid genommen, er weiss keyn geschicktern denn sich.Franck, I, 50b.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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