Zopf

1. Ein schöner Zopf will gern herabhängen.

In ähnlichem Sinne sagt man in Moskau: Eine goldene Uhr wird oft aus der Tasche gezogen. Die Schönwadigen tragen gern kurze Röcke. Weisser Busen wogt gern frei. Eine geschenkte Dose hat schon manchen zum Schnupfer gemacht. (Altmann VI, 509.)


2. Es hat jeder einen schwarzen Zopf.

Die Chinesen drücken wol dadurch den Gedanken unseres Sprichworts: »Bei Nacht sind alle Katzen grau« aus. Die Alte und neue Welt, 1877, S. 496 theilt eine Anzahl chinesischer Sprichwörter, zu denen das vorstehende gehört, mit, und bemerkt dabei, dass ein englischer Missionar, Scarborough, der sich eingehender mit chinesischen Sprachforschungen beschäftigt habe, zu dem Ergebniss gelangt sei, dass die Chinesen über einen Vorrath von mindestens 20000 Sprichwörtern verfügten, eine Zahl, auf welche man, wie die genannte Zeitschrift meint, die Sprichwörter in ganz Europa berechnet habe. Mag, wie sie vorsichtig hinzufügt, diese Schätzung auch um die Hälfte übertrieben sein, so zeigt sie doch, dass die Chinesen einen ungewöhnlichen Reichthum an Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten besitzen. Hätte der Verfasser dieser Anschauung unser Deutsches Sprichwörter-Lexikon gekannt, so würde er wol nicht bezweifeln, dass die [598] Chinesen 20000 Sprichwörter besitzen; er würde vielmehr ihren Sprichwörterschatz viel höher angenommen haben und würde auch zu der Ueberzeugung gelangt sein, dass der europäische seine sehr bescheidene Annahme überschreite, da die vier bisjetzt geschlossenen Bände unseres Deutschen Sprichwörter-Lexikon über hunderttausend deutsche Sprichwörter enthalten. Und China ist bekanntlich etwas grösser und bevölkerter als Deutschland, hat auch eine weit ältere Geschichte und Kultur.


3. Langer Zopf, kurzer Verstand.


4. Man muss nicht an jeden Zopf anfassen, es geht mancher von selbst aus.Auerbach, Neues Leben, III, 218.


5. Wer keinen Zopf trägt, den kann man nicht leicht beim Kopfe nehmen.

»Hätte der Deutsche früher nicht Haarzöpfe getragen, man hätte ihn nicht so leicht beim Kopfe genommen.« (Witzfunken, VIIIb, 215.)

6. Zopf wieder Zopf.


*7. Auf den ersten besten Zopf anbeissen.

Sich leicht täuschen, anführen lassen.


*8. Dem will ich uff 'n Zupp spucken.Klix, 124; Frischbier, 4179.


*9. Der wagt Zopf und Perrüke.Klix, 124.


*10. Der Zopf hängt ihm nach hinten.Dove, 173.

In der Sitzung des deutschen Reichstags vom 4. December 1874 schleuderte der Reichskanzler in seiner Antwort auf völlig aus der Luft gegriffene Angriffe aus den Reihen des ultramontanen Centrums in seiner Entgegnung die Worte in ihre Reihen: »Sie mögen den Kullmann verdrängen, wie Sie wollen, er hängt sich doch an Ihre Rockschösse.« Mit Bezug darauf hat der Kladderadatsch in seiner Nr. 57 die Tragische Geschichte von Chamisso dahin parodirt, dass es heisst: »Der Kullmann hängt ihm hinten.« Die Redensart ist nämlich aus einem bekannten Gedicht von Chamisso entlehnt: »'S war Einer dem's zu Herzen ging, dass ihm der Zopf so hinten hing.«

Lat.: Curva solet claudum scilicet umbra sequi. (Binder II, 680; Tscherning, 66.)

*11. Der Zopf war nicht geschickt (war zu plump) gedreht.


*12. Eins (etwas) auf den Zopf bekommen. Frischbier, 4130.


*13. Er hatte einen Zopf, dear ist zünftig g'wese. (Ulm.)


*14. Er hatte einen Zopf, der hat sich Von geschrieben. (Ulm.)

Von einem, der gründlich berauscht worden.


*15. Er will sich an seinem Zopfe aus dem Sumpfe ziehen.


*16. Er würde den Zopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre.


*17. Hê hat sick 'n orndlichen Zopp drunken. (Altmark.) – Danneil, 252.


*18. Ich werde dir auf den Zopf kommen (oder spucken).

In drohendem Sinne, wie: dir aufs Dach steigen, etwas auswischen.


*19. Ich will ihm die Zöpfe flechten.

Drohend.


*20. Jemand einen Zopf machen.


*21. Sich einen Zopf trinken.


*22. Topp und Tögel deran sett'n.Eichwald, 1944.

Zopf und Zügel, allerwegen.


*23. Zopf weg.

Auf die an ihn gerichtete Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung dieser Redensart antwortet der Soldatenfreund (1875): »Zopf weg!« war das Commando, das im vorigen Jahrhundert jedesmal erfolgte, wenn ein Avancirter Fuchtel (Streiche mit der Degenklinge) oder ein Soldat Stockschläge erhalten sollte, theils, damit der Zopf geschont, theils damit er die Kraft der Hiebe auf dem Rücken nicht abschwächen konnte. Der Zopf wurde dem zu Züchtigenden über die Schulter auf die Brust gelegt. Daher war der Ruf: »Zopf weg!« gleichbedeutend mit körperlicher Züchtigung von Militärpersonen. Besonders im Schwunge war es bei dem Garnison-Regiment v. Komalzig in Frankfurt a.O., an welches die Regimenter der berliner Garnison ihre unverbesserlichen Säufer und schlechten Subjekte abgaben. Kam ein Soldat dort an, und wurde beim Appell dem Oberst v. Komalzig vorgestellt, so erfolgte so fort das Commando: »Zopf weg!« und vierundzwanzig aus dem ff. Wenn der Bestrafte dann meinte: »Aber ich habe ja hier noch gar nichts gethan!« so tröstete ihn der Oberst mit den Worten: »Sieht Er wol, mein Sohn, so viel kriegt Er, wenn Er nichts thut; nun [599] denke Er sich einmal, wie viel Er erst kriegt, wenn Er etwas thut.« (Niederschles. Zeitung, Görlitz 1875, Nr. 79.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 598-600,1822.
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