Mensch

[111] Mensch (der) steht durch die vollendete Zweckmäßigkeit und Schönheit seiner Körperbildung, durch die ihn beseelenden Geisteskräfte und als ein vorzugsweise sprachfähiges Wesen an der Spitze der gesammten irdischen Thierwelt. Zunächst gehört er in die vollkommenste Ordnung derselben, zu den Säugthieren, bildet aber einen besondern Stamm oder ein Geschlecht, welches das einzige seiner Art ist und sich auch von den ihm am ähnlichsten Affen noch wesentlich unterscheidet. Sein ganzer Körperbau macht ihm die aufrechte Haltung und den aufrechten Gang natürlich, und nur mit Beschwerlichkeit würde er sich auf allen Vieren fortbewegen können; seine abstehenden Schultern, die kurzen Arme mit dem nach dem Leibe zu biegsamen Ellbogengelenke würden den Vordertheil des Körpers schlecht unterstützen, und bei seinen langen Schenkeln und kurzen, wenig biegsamen Füßen die Knie bis zur Erde herabgedruckt werden. Dagegen ist der von dem der Affen sehr verschiedene menschliche Fuß, auf dem das Schienbein senkrecht ruht, mit der nach unten kugeligen Ferse und den kurzen, wenig beweglichen Zehen augenscheinlich dazu eingerichtet, den Körper zu tragen, und ebenso entspricht auch der Bau des Rückgrathes, dessen untere Wirbelbeine, um eine größere Last tragen zu können, breiter als die obern sind, die schwächere Verbindung des Kopfes mit dem Rückgrathe und die Richtung des Auges der Bestimmung, aufrecht einherzugehen. Im andern Falle würde er nur im Stande sein, den Kopf in der Linie der Wirbelsäule zu halten, wo dann Augen und Mund nach der Erde gerichtet wären und er nicht im Stande sein würde, vor sich zu sehen, während der aufrechte Gang nicht blos den vollständigen Gebrauch dieser Sinneswerkzeuge, sondern auch den freien Gebrauch seiner zwei, mit vollkommen ausgebildeten Fingern versehenen Hände gestattet. Andere wesentliche Eigenthümlichkeiten sind sein vorstehendes Kinn, die gleichförmig aneinander gereihten Zähne, von denen die untern Schneidezähne senkrecht stehen, vor Allem aber die beim Menschen gleich von Natur vollkommener ausgebildeten Sprachwerkzeuge und die Fähigkeit, seine Gedanken durch die Sprache wechselseitig mitzutheilen. Die lange Zeit, welche der Mensch, der nicht leicht vor dem 18. Jahre aufhört, in die Länge zu wachsen, zu seiner Reise und zur Erlangung der nöthigen Kräfte zur Selbsterhaltung bedarf, unterscheidet ihn nicht minder von den Thieren. Weit länger als das Kind gesäugt wird, braucht es die Hülfe der Ältern, während der Dauer seiner Erziehung aber und des seiner Schwäche nöthigen Schutzes knüpft es die innigsten Bande des Familienlebens und genießt in seiner Hülflosigkeit die Vortheile gegenseitiger Unterstützung, welche uns in den Stand setzt, den Bedrängnissen des Lebens zuversichtlicher zu begegnen, und prägt sich in der Achtung und dem Gehorsam gegen Vater und Mutter die Grundzüge aller gesellschaftlichen Ordnung ein.

Zur Nahrung scheinen dem Menschen, seinem Baue nach, Früchte, Wurzeln und saftige Pflanzentheile bestimmt, seit er aber Thiere erlegen, einfangen und zähmen, und das Feuer kennen und benutzen gelernt hat, mußte ihm Alles zur Speise dienen, was Thier- und Pflanzenreich Genießbares darbieten. Die gleichförmige Nahrung, welche er sich dadurch sichert, macht ihn zu jeder Zeit zur Fortpflanzung geschickt, wozu bei den übrigen Thieren der Trieb nur zu [111] gewissen Zeiten thätig ist und wodurch jene dauerhafte Geschlechtsverbindung (s. Ehe) herbeigeführt wird, welche die Grundlage aller übrigen geselligen Verbindungen der Menschen und aller wahrhaft menschlichen Bildung abgibt. Weniger begünstigt ist der Mensch hinsichtlich der Körperkraft; an Geschwindigkeit im Laufen steht er jedem Thiere seiner Größe nach, und da er weder weit vorgestreckte Kinnladen, noch herausstehende Zähne oder Krallen hat, so fehlen ihm Angriffswaffen, wie denn sein wenig behaarter, meist nackter Körper auch ohne Schutzwaffen ist. Dafür vermag er sich aber künstlich so zu bedecken und zu bewehren, daß er jedem Thiere trotzen und es überwältigen kann. Vor allen Thieren hat er ferner voraus, daß er unter jedem Himmelsstriche auszudauern und demnach die ganze Erde zu bewohnen vermag; ein gemäßigtes Klima wirkt indessen auf seine Ausbildung und Veredlung am vortheilhaftesten, denn die Hitze der heißen Zone erschlafft seine Thätigkeit, und die unwirthbaren Polarländer haben ihm keine aufmunternde Belohnung zu gewähren. Die Bewohner der verschiedenen Himmelsstriche bieten jedoch so wesentliche Unterschiede dar, daß man darnach das Menschengeschlecht oder die Gesammtheit aller auf Erden lebenden Menschen, welche gleichwol nur eine Gattung ausmacht, in mehre Racen getheilt hat, deren genaue Bestimmung indeß wegen der unmerklichen Übergänge der einen in die andere manche Schwierigkeit hat und über deren Anzahl die Naturforscher sehr verschiedener Ansicht sind. Viele nehmen mit Cuvier (s.d.) drei solcher Menschenracen, eine weiße oder kaukasische, eine gelbe oder mongolische und eine schwarze oder äthiopische an; indem aber weder die Malaien noch die Amerikaner einer derselben entschieden beigeordnet werden können, ergibt sich daraus gewissermaßen eine Anerkennung der folgenden, viel früher von Blumenbach (s.d.) aufgestellten und nach den Schädelformen unterschiedenen fünf Menschenracen: Die kaukasische Race, zu der mit Ausnahme der Lappen alle Europäer, die Bewohner von Westasien diesseit des Obi, des kaspischen Meeres und des Ganges und von Nordafrika gehören. Sie hat ihren Namen von dem Gebirge zwischen dem kaspischen und schwarzen Meere erhalten, weil Sagen und Abstammung der Völker dorthin weisen, von wo sie sich gleichsam strahlenförmig verbreitet hat; die Völker des Kaukasus selbst, die Georgier und Cirkassier, gelten noch heute für die schönsten der Erde. Zu den allgemeinen Kennzeichen dieser Race gehört ein kugeliger Kopf, die nach europ. Begriffen schönste Gesichtsbildung, weiße Haut, rothe Wangen und glattes und weiches blondes, hell- oder dunkelbraunes Haar. Die mongolische Race, die zahlreichste von allen, begreift, mit Ausnahme der Malaien, alle noch übrigen Asiaten und nächst der kaukasischen die gebildetsten Völker, die Japaner und Chinesen; in Europa gehören ihr die Lappen, im nördl. Amerika die Eskimo's an. Ihre Schädelbildung ist gleichsam viereckig, das Gesicht breit und platt, die Nase kurz und stumpf, die Backenknochen ragen seitwärts vor, die eng geschlitzten Augenlider sind schief nach innen gerichtet, das Haar ist sparsam und schwarz, die Hautfarbe weizengelb. Die äthiopische Race, zu der alle übrigen Afrikaner und namentlich die Neger gezählt werden, ist an dem schmalen, wie von der Seite zusammengedrückten Hinterhaupt, an den vorwärts gerichteten Backenknochen, der dicken Nase, den vorragenden Kiefern und zurückstehendem Kinn, endlich an ihrem wolligen, krausen Haar und der mehr oder weniger schwarzen Hautfarbe kenntlich. Die amerikanische Race umfaßt, mit Ausnahme der Eskimos, die gesammte ursprünliche Bevölkerung von Amerika und zeichnet sich durch die kupfer-oder zimmtbraune Haut, kurze Stirn, tiefliegende Augen, im Ganzen breites, aber nicht plattes Gesicht und steifes, schwarzes Haar aus; zur malaiischen Race endlich werden die Bewohner der meisten Inseln in der Südsee und des ganzen fünften Erdtheils und die eigentlichen Malaien (s.d.) gerechnet. Sie haben eine schwärzlichbraune Hautfarbe, einen mäßig schmalen Kopf, großen Mund und schwarzlockiges, dichtes Haar, sind zum Theil schön von Gestalt, aber lüstern, grausam und häufig Anthropophagen oder Menschenfresser. Zu jeder dieser Hauptracen gehören übrigens ein und das andere Volk, welches sich von den übrigen mehr oder minder auffallend unterscheidet und als Unterart gelten kann, daher auch von franz. Gelehrten 15 und 16 Arten aufgestellt worden sind. Diese vermögen sämmtlich untereinander fruchtbare Nachkommenschaft zu erzeugen, und die Kinder eines Europäers oder Creolen (s.d.) von einer Mohrin werden Mulatten genannt und zeichnen sich vorzüglich durch wolliges Haar und dunkle Hautfarbe aus. Tercerons heißen die Nachkommen eines Europäers und einer Mulattin; ihr Haar ist nicht mehr wollig, die Gesichtsbildung europäisch, die Hautfarbe aber fällt noch ins Braune. Quarterons, von Europäern und Tercerons gezeugt, sind von den Weißen nur zuweilen durch den Negergeruch und leichte Hautfärbung unterschieden. Kinder von Europäern und Amerikanerinnen heißen Mestizen, haben schwarzes, straffes Haupthaar, meist wenig Bartwuchs und ein rötheres Gesicht als die Europäer, stets etwas schiefe Augen und kleinere Hände und Füße, übrigens mitunter auch ganz weiße Hautfarbe. Die Abkömmlinge von Negern und Amerikanern werden Zamben oder Sambos, uneigentlich auch oft Mulatten genannt. Gefleckte Menschen, Kakerlaken (s.d.) und rothes Haupthaar sind unter fast allen Menschenracen als Ausnahme beobachtet worden, bilden aber keine eigenen Schläge.

Seiner äußern Erscheinung nach ist der menschliche Körper vollkommen nach den Regeln des Ebenmaßes gebaut, hinsichtlich der innern Anordnung seiner Theile gilt das aber blos vom Kopfe, weniger von der Brust und gar nicht vom Bauche. Seine ganze Länge beträgt selten über sechs, nicht leicht unter fünf Fuß, das Weib hat jedoch in der Regel einige Zoll weniger. Das Verhältniß der einzelnen Theile zueinander hat man nach Kopf- oder Gesichtslängen bestimmt, deren zehn der ganzen Länge eines wohlproportionirten Menschen gleichkommen; ebenso groß pflegt die Entfernung der Spitzen der Mittelfinger zu sein, wenn die Arme wagerecht ausgestreckt werden. Außerdem rechnet man nach Gesichtslängen vom Kinn bis zur Herzgrube 11/2 und ebenso weit von da zum Nabel; die Länge des Nackens 1, des Armes vom Achselgelenk bis in die Beugung des Ellbogens 2; von da bis zum Anfange der Hand 11/2; Länge der Hand 1; von der Hüfte zur Kniekehle 3; von da zur Ferse 23/4; die Länge des Plattfußes kommt dem sechsten Theil der Länge des Körpers gleich. Diese Verhältnisse sind beim Weibe etwas anders; der Kopf ist kürzer, der Hals länger, auch sind die festen Theile des weiblichen [112] Körpers weniger hart und stark. Bei Kindern ist der Kopf verhältnißmäßig größer als bei Erwachsenen, und alle Glieder sind gegen ihre Länge breiter; ein neugeborenes Kind gewöhnlicher Größe wiegt 6–8 Pf., ein erwachsener Mensch von mittler Körperbeschaffenheit gegen 150 Pf. Einzelne erreichen jedoch mitunter ein weit bedeutenderes Gewicht; so wog z.B. der 1603 verstorbene Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg 4 Ctr., ein 1565 gestorbener Stadteinnehmer zu Durlach 600 Pf., der Castrat Nicolini zu Dresden 5 Ctr. 60 Pf. Das Knochengerüste des Menschen anlangend, so besteht dasselbe aus 32 Wirbeln, von denen 7 Hals- und 12 Rückenwirbel sind, und 12 Paar Rippen, wovon 7 Paar durch knorpelige Verlängerungen mit dem Brustbein verbunden sind und wahre oder echte Rippen, die folgenden fünf aber falsche Rippen heißen. Der ausgewachsene Schädel hat 8 Knochen: 1 Hinterhauptsbein, 2 Schlafbeine, 2 Scheitelbeine, 1 Stirnbein, 1 Siebbein und 1 Keilbein. Der Gesichtsknochen sind 14, nämlich: 2 Oberkinnladen, 2 Wangen-oder Jochbeine, 2 Nasenbeine, 2 Gaumenbeine hinten im Gaumen, 1 Pflugschar zwischen den Nasenlöchern, 2 Muschelbeine in der Nase, 2 Thränenbeine zur innern Seite der Augenhöhlen und die ungetheilte Unterkinnlade; jede Kinnbacke hat 16 Zähne. Die Handwurzel hat 8, die Fußwurzel 7 Knochen; die übrigen Knochen der Hände und Füße zählen sich leicht nach den Fingern. Die Fortpflanzung der Menschen findet in der Regel durch Einzelgeburten statt und nur auf 500 Entbindungen fällt durchschnittlich eine von Zwillingen; Drillinge sind noch viel seltener. Die regelmäßige Dauer der Schwangerschaft ist neun Monate und vor dem siebenten Monat geborene Kinder leben selten. Bei der Geburt (s.d.) hat der Mensch 1/4, im dritten Jahre 1/2 im zehnten 3/4 seiner Länge erreicht; sobald aber der Körper nicht mehr in der Länge wächst, fängt er an dicker zu werden, und später verstopfen sich allmälig die verschiedenen Gefäße, die festen Theile werden steifer, das Alter (s.d.) tritt ein und in seinem Gefolge der Tod. Sehr unbestimmt ist, welches Lebensalter ein Mensch überhaupt erreichen kann, und seine Leibesbeschaffenheit, seine Lebensweise, Himmelsstrich, Ort und Zeit, sowie viele andere Umstände, haben darauf den wesentlichsten Einfluß. In den frühesten, über die Geschichte hinausreichenden Zeiten des Daseins der Menschengattung mag dasselbe wol höher gewesen sein als jetzt, wie die von der Sage, z.B. den Erzvätern (s.d.) und andern merkwürdigen Personen zugeschriebenen hohen Jahre andeuten, obgleich man damals auch gewiß nach kürzern Jahren zählte. Schon zu Moses' Zeiten (1600 v. Chr.) hatte jedoch das menschliche Leben ungefähr seinen jetzigen Umfang, und es heißt daher in dem als ein Gebet Moses' bezeichneten 90. Psalm: »Unser Leben währt 70 Jahre; wenn's hoch kommt, sind's 80 Jahre.« Menschen, die 100 Jahre überschreiten, sind seltene Ausnahmen und der beiweitem größere Theil geht lange vorher durch Zufall, Krankheit und Hinfälligkeit zu Grunde. Man bedient sich des Wortes Menschenalter aber auch zur Bezeichnung von Zeiträumen, wo dann die einander nach und nach ablösenden Generationen oder Geschlechterfolgen darunter verstanden und drei Menschenalter einem Jahrhundert gleich gerechnet werden.

Mehr noch als seine vollkommene Körperbildung erheben den Menschen seine geistigen Vorzüge über die irdische Thierwelt; sein Verstand überwiegt weit jede ähnliche Eigenschaft eines andern Wesens dieser Erde und Sprache und Vernunft sind hier sein ausschließliches Eigenthum. Er ist dadurch namentlich in Verbindung mit Andern im Stande, fortwährend auf seine weitere Entwickelung und Ausbildung hinzuarbeiten und indem er als vernünftiges Wesen auch zugleich ein sittliches und innerlich freies ist, jener Bildung nachzustreben, auf die alle Menschen gleiche Ansprüche haben, die zur Reise und sittlichen Vollkommenheit im Denken und Handeln führt und deren allgemeine Begünstigung ebenso die höchste Aufgabe der Erziehung (s.d.) wie eine Foderung der christlichen Liebe ist. Ein sittliches und freies Wesen ist der Mensch, insofern sein innerer Wille seinen Handlungen vorausgeht, hinsichtlich der ihm die Vernunft Gesetze vorschreibt, welche Sittengesetze heißen und zu deren Beobachtung das Gewissen (s.d.) ihn anhält; als sittlich vernünftiges Wesen weiß er auch die veränderlichen und hinfälligen Güter der äußern Sinnenwelt, zu denen seine sinnliche Natur sich hingezogen fühlt, nach ihrem wahren Gehalte und nur als Mittel zur Ausbildung seiner höhern geistigen Anlagen zu schätzen. So verknüpft sich in ihm eine sinnliche Welt, der er mit seinen Begierden, eine geistige, der er durch seine Willensfreiheit angehört, und die in ihm wohnende, der unbegrenzten Vervollkommnung fähige Geisteskraft, welche wir Seele (s.d.) nennen, weist ihn zugleich auf ein höheres Ziel hin, welches außer dem Bereiche seines sterblichen Erdenkörpers liegt, und bildet so die Grundlage des tröstlichen Glaubens an Unsterblichkeit. Aus der Betrachtung der Natur des Menschen ergibt sich aber auch hinsichtlich der Bestimmung des Menschen oder des letzten und höchsten Zweckes alles menschlichen Daseins und Wirkens, daß derselbe für alle vernünftigen Wesen der Erde ein gemeinsamer, für alle gleich wünschenswerther, allein auch den Fähigkeiten aller angemessener und erreichbarer sein müsse. Philosophen alter und neuer Zeit haben ihm den Namen des höchsten Gutes gegeben, d.h. eines solchen, welches nach dem Urtheile der Vernunft höher als alle andern Güter steht oder einen unbedingten Werth hat für alle vernünftigen Wesen. Da nun die Vernunft keinem den veränderlichen Bedingungen der äußern Welt unterworfenen Gute einen solchen Werth zuzuerkennen vermag, so muß sie es in der innern oder Ideenwelt suchen und fodert daher, da dem Menschen, als vergänglichem und sinnlichem Wesen, eine vollkommene Sittlichkeit auf Erden nicht erreichbar ist, daß er sich derselben durch unermüdliches Streben nicht nur selbst möglichst zu nähern, sondern sie auch außer sich möglichst zu verbreiten suche. Damit verbindet sie aber auch die Verheißung, daß der Mensch auf diesem Wege zu einer so großen innern Selbstzufriedenheit gelangen werde, wie sie für ein beschränktes Wesen überhaupt erreichbar ist und die auch als Seligkeit bezeichnet wird, daher denn Sittlichkeit und Seligkeit zusammengedacht das höchste Gut des Menschen und seine Bestimmung ausmachen. Was endlich die Frage wegen des Ursprungs des Menschengeschlechts betrifft, so führt sowol die Annahme der Mosaischen Schöpfungsgeschichte als auch was Sage und Muthmaßung sonst darüber an die Hand geben, stets auf die allgemeine Wahrheit zurück, daß Gott der letzte Grund aller Dinge ist, und erweisliche [113] andere Angaben fehlen ganz. Dafür aber, daß die Menschen erst zu den spätern Bewohnern der Erde zu rechnen sind, scheint die wichtige Thatsache zu sprechen, daß neben den zahlreichen Überresten ausgestorbener Thierarten noch keine versteinerten menschlichen Reste gefunden worden sind und daß überhaupt die bisherigen Forschungen der Geologie (s.d.) noch auf keine Spur des Menschengeschlechts geleitet haben.

Für den Inbegriff alles Dessen, was die wesentliche Eigenthümlichkeit des Menschen ausmacht, wird das Wort Menschheit gebraucht, unter dem man aber auch die Gesammtheit aller die Erde bewohnenden Menschen versteht. Rechte der Menschheit oder Menschenrechte und ursprüngliche Rechte heißen daher gewisse Befugnisse, welche allen Menschen blos darum nothwendig zustehen, weil sie Menschen sind. Diese Rechte sind allen gleichmäßig angeboren und jeder besitzt sie vom ersten Augenblicke seines Daseins an; sie brauchen also nicht erworben zu werden und sind überhaupt mit dem Wesen des Menschen und den Zwecken seines Daseins so unzertrennlich verbunden, daß er sich ihrer selbst mit Absicht nicht begeben kann. So vermag kein Mensch rechtsgültig das Eigenthum eines Andern zu werden und Sklaverei in jeder Form, Leibeigenschaft und Erbunterthänigkeit lassen sich von keiner Seite rechtfertigen. Ebenso hat ein Jeder, so lange er nichts Pflichtwidriges vollbringt, gleiche Ansprüche auf die freie Übung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten und auf Alles, wozu sie ihn geschickt machen. Der Menschenraub, durch den freie Menschen zu Sklaven gemacht werden, heißt daher auch ein Verbrechen der beleidigten Menschheit, weil der Mensch dadurch zur Sache herabgewürdigt und mit vernunftlosen Dingen auf eine Stufe gestellt wird. Fälle, wo Menschen ihrer Freiheit beraubt werden, ohne deshalb in wirkliche Sklaverei zu gerathen, gehören unter die Verbrechen der Gewalt, wie z.B. das ehedem häufig vorkommende gewaltsame Verfahren der Werber, das Stehlen von Kindern, um sie zum Betteln oder zu Seiltänzerkünsten zu misbrauchen, gesetzwidriges Einsperren in Klöster, das Festhalten von Personen durch Räuber, um Lösegelder zu erpressen u.s.w.. – Menschlich wird Alles genannt, was dem Menschen im Guten und Bösen zukommt, wie man z.B. sagt: »Irren ist menschlich«, und von menschlichen Schwachheiten redet, welche auch mitunter als Menschlichkeiten bezeichnet werden. Unter Menschlichkeit versteht man dagegen die wohlwollende Theilnahme an den Angelegenheiten der Menschheit, welche, wie die Menschenliebe, auf die Achtung der vernünftigen Natur des Menschen sich gründet, als die Quelle aller gegenseitigen Pflichten der Menschen betrachtet werden kann und verlangt, daß wir jede Gelegenheit benutzen, unsern Nebenmenschen Gutes und Liebes zu erweisen. Die Erkenntniß und Beurtheilung der Menschen überhaupt, sowie der Einzelnen in ihrer Eigenthümlichkeit ist die Aufgabe der Menschenkenntniß, deren Besitz in allen gesellschaftlichen Verhältnissen von großer Wichtigkeit ist, um unser Benehmen danach einrichten zu können. Sie ist keineswegs leicht, und gründlich nur beim Umgange mit Menschen aller Art, durch Erfahrung und vorurtheilsfrei angestellte, genaue Beobachtungen zu erwerben, denen aber Selbstkenntniß und in umfänglichern Verhältnissen Bekanntschaft mit der Geschichte zu Hülfe kommen muß, sowie außerdem gute Lebensbeschreibungen und Schriften über Anthropologie und Psychologie (s.d.) den Blick darin schärfen und dem Urtheile Sicherheit und Genauigkeit geben helfen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 111-114.
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