[852] Kern, 1) Johann Konrad, schweizer. Staatsmann, geb. 11. Juni 1808 zu Berlingen im Kanton Thurgau, gest. 14. April 1888 in Zürich, studierte in Basel, Berlin, Heidelberg und Paris die Rechte und wurde 1832 Mitglied und 1834 Präsident des thurgauischen Großen Rates, 1835 Präsident des Erziehungsrates und 1837 des Obergerichts. Als Frankreich nach dem Straßburger Attentat 1838 vom Schweizer Vororte die Ausweisung Ludwig Bonapartes forderte, verteidigte K. als Vertreter seines Kantons, von dem eine Gemeinde dem Prinzen das Bürgerrecht erteilt hatte, in der Tagsatzung das Gastrecht, bis die freiwillige Entfernung Bonapartes dem Konflikt ein Ende machte. In den entscheidenden Jahren 1847 und 1848 war er eins der einflußreichsten Mitglieder der Tagsatzung, stellte 4. Nov. 1847 namens der von dieser ernannten Siebenerkommission Bericht und Antrag für bewaffnetes Einschreiten gegen den Sonderbund und redigierte als Mitglied der Revisionskommission unter Drueys Beihilfe den Entwurf der neuen Bundesverfassung, wurde nach Einführung derselben Mitglied des schweizerischen Nationalrates, später des Ständerates und von der Bundesversammlung zum Präsidenten des Bundesgerichts gewählt. 1848 weilte er als außerordentlicher Gesandter in Wien, 1853 siedelte er als Mitglied der Direktion der Nordostbahn nach Zürich über. Nachdem er 1854 als Präsident des eidgenössischen Schulrats das schweizerische Polytechnikum hatte begründen helfen, wurde er im Januar 1857 in der Neuenburger Angelegenheit vom Bundesrat nach Paris gesandt und im November d. J. zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Frankreich ernannt, welchen Posten er bis 1883 bekleidete. Er veröffentlichte »Souvenirs politiques« (Bern 1887; deutsch, Frauenfeld 1887). Vgl. Kesselring, Dr. J. C. Kern, eine Lebensskizze (Frauenfeld 1888).
2) Hermann Pädagog, geb. 12. Sept. 1823 in Jüterbog, gest. 4. Juli 1891 in Bruneck (Tirol), studierte seit 1841 in Leipzig Mathematik und Philologie, ward hier durch Drobisch und Hartenstein für die Philosophie Herbarts gewonnen, wurde 1846 Lehrer am königlichen Pädagogium in Halle, 1848 Professor am Gymnasium in Koburg, wo er 185356 die »Pädagogischen Blätter« redigierte, 1861 Direktor der Realschule und der mit ihr verbundenen höhern Töchterschule in Mülheim a. d. Ruhr und übernahm 1865 als Direktor die Leitung der neugegründeten Luisenstädtischen Gewerbeschule in Berlin. Seit 1876 war er Direktor des Friedrich Wilhelms-Gymnasiums in Berlin und trat Ostern 1891 in den Ruhestand. Sein Hauptwerk ist der »Grundriß der Pädagogik« (Berl. 1873; 5. Aufl. von O. Willmann, 1893).
3) Franz, Schulmann und Philolog, geb. 8. Juli 1830 in Stettin, gest. 14. Dez. 1894 in Berlin, studierte in Berlin Philologie, war seit 1851 Gymnasiallehrer in Stettin, Pyritz und an der Landesschule Pforta, wurde 1866 Gymnasialdirektor in Oldenburg, 1869 in Danzig, 1871 in Stettin und 1881 als Direktor des Köllnischen Gymnasiums nach Berlin berufen, wo er auch das Seminar für gelehrte Schulen leitete. Er schrieb: »Joh. Schefflers cherubinischer Wandersmann« (Leipz. 1866); »Friedrich Rückerts Weisheit des Brahmanen« (Oldenb. 1868,2. Ausg. 1885); »Ludwig Giesebrecht als Dichter, Gelehrter und Schulmann« (Stett. 1875); »Die deutsche Satzlehre« (Berl. 1883, 2. Aufl. 1888); »Drei Charakterbilder aus Goethes Faust« (das. 1885); »Goethes Torquato Tasso« (das. 1884); »Deutsche Dramen als Schullektüre« (das. 1886); »Lehrstoff für den deutschen Unterricht in Prima« (das. 1886, 2. Aufl. 1897); »Schulreden bei der Entlassung von Abiturienten« (das. 1887, 1891 u. 1893) und »Goethes Lyrik ausgewählt und erklärt« (das. 1889). Gesammelt erschienen seine »Kleinen Schriften« in 2 Bänden (Berl. 189598).
4) Heinrich, namhafter Sprachforscher und Orientalist, geb. 6. April 1833 in Purworedjo auf der Insel Java von niederländischen Eltern, kam 1840 nach Holland, studierte 185055 in Utrecht und Leiden, ging dann nach Berlin, wo er namentlich den Sanskritisten A. Weber hörte, und begann 1857 bereits Beiträge zu dem großen Petersburger Sanskritwörterbuch zu liefern. Nachdem er von 185862 Lehrer des Griechischen am Athenäum zu Maastricht gewesen war und 186365 die Anglo-Sanskritprofessur am Benares College in Britisch-Ostindien bekleidet hatte, wirkt er als Professor des Sanskrits und der vergleichenden Sprachforschung in Leiden. Seine Hauptwerke sind: »Handleiding bij het onderwijs der nederlandsche taal« (eine nach Grimms Grundsätzen bearbeitete niederländische Schulgrammatik, 7. Aufl., Amsterd. 1884); die Textausgabe der »Brihat-Sanhitâ«, eines astrologischen indischen Werkes, in der »Bibliotheca indica« (7. Teil 1865), und eine englische Übersetzung davon im Journal der Royal Asiatic Society zu London (1869 ff.); ferner Text und deutsche Übersetzung der »Yogayâtrâ« des Varâha Mihira in Webers »Indischen Studien«, Bd. 10 und 14 (Leipz. 1867 u. 1876); »Kawi-Studiën« (Haag 1871); »Wrttasanc'aya«, ein altjavanisches Gedicht über Prosodie, in Kawitext mit holländischer Übersetzung (Leiden 1875); »Geschiedenis van het Buddhisme in Indië« (Haarl. 188183;deutsch von Jacobi, Leipz. 188284); eine englische Übersetzung des buddhistischen religiösen Buches »Saddharma Pundarîka« (Oxford 1884); »De Fidji-taal vergeleken met hare verwanten in Indonesieen Polynesie« (Amsterd. 1886); »The Jâtaka-Mâlâ«, ein buddhistisches Werk (1. Band der »Harvard Oriental Series«, Boston 1892); »Manual of indian Buddhism« (in Bühler-Kielhorns »Grundriß der indo-arischen Philologie«, Bd. 3, Straßb. 1896).
5) Theodor Gotthart, Ritter von, Geschichtsforscher, geb. 5. Mai 1836 zu Bruneck im Pustertal. gest. 18. Nov. 1873 in Beyteaux am Genfer See, besuchte das Jesuitengymnasium in Innsbruck, wo er auch zuerst studierte, widmete sich aber seit 1855 in Heidelberg, Göttingen und München unter Häusser, Waitz und Sybel historischen Studien, arbeitete 1859 bis 1865 für die bayrische Historische Kommission an der Herausgabe der Chroniken der Stadt Nürnberg, habilitierte sich 1865 in Freiburg i. Br. und wurde 1866 außerordentlicher, 1871 ordentlicher Professor der Geschichte daselbst. In den 5 Bänden der Nürnberger Chroniken sind die meisten und besten Arbeiten[852] von ihm. Aus seinem Nachlaß erschienen: »Geschichtliche Vorträge und Aufsätze« (Tübing. 1875).