Konstanz [2]

[427] Konstanz (früher Kostenze, Kostentz; die Form Kostnitz ist tschechischen Ursprungs und seit Hus' Zeiten mißbräuchlicherweise üblich geworden), Hauptstadt des bad. Kreises K., der 1864,4 qkm (33,86 QM.) Areal und (1900) 144,276 Einw. (davon 9416 Evangelische, 131,290 Katholiken und 1584 Juden) hat, in anmutiger Lage am Ausfluß des Rheins aus dem Bodensee, 405 m ü. M., besteht außer der Altstadt noch aus dem ehemaligen Kloster, jetzt zu Kasernen umgewandelten Petershausen, den Stadtteilen Seehausen und Paradies, mit zahlreichen Gärten und Gemüsefeldern, auf dem rechten und der Kreuzlinger Vorstadt auf dem linken Rheinufer.

Wappen von Konstanz.
Wappen von Konstanz.

Unter den Gebäuden der Stadt ist der Dom, eine 1052–68 erbaute romanische (das Querschiff ist gotisch) Säulenbasilika, das hervorragendste. Chor, Nebenschiffe und die beiden Westtürme sind im 15. Jahrh. umgebaut und neuerdings das ganze Gebäude restauriert worden. Zu den Sehenswürdigkeiten des Domes gehören das Schnitzwerk der Chorstühle und Portaltüren von Nik. Lerch (1470), die Krypte, die reiche Schatzkammer, mehrere interessante Grabmäler, eine Mariensäule in Erz von 1682 etc. Die meisten Sitzungen des Konzils (s. unten) wurden im Dom gehalten, und noch zeigt man die Stelle, wo Hus 1415 bei seiner Verurteilung gestanden haben soll. Andre kirchliche Gebäude sind: die gotische Stephanskirche, die Augustinerkirche (15. Jahrh.), die im romanischen Stil erbaute evang. Kirche, die altkath. Gymnasiumskirche und die 1884 erbaute Synagoge. Das ehemalige Dominikanerkloster (1875 zum Inselhotel umgebaut), das sich mit dem Dom in die Konzilssitzungen teilte, enthält das Grab des berühmten Griechen Manuel Chrysolaras und war 89 Tage lang Hus' Kerker. Ein Wahrzeichen der Stadt ist das 1388 erbaute Kaufhaus, das während des Konzils als Konklave diente. Sein großer Saal, in dem 1417 der Papst Martin V. gewählt wurde, ist jetzt von Fr. Pecht und Schwörer mit Fresken aus der Konstanzer Kulturgeschichte geschmückt. Das Kanzleigebäude, mit historischen Fresken an der Außenseite und in der Vorhalle geziert, enthält ein reiches Archiv. Das Wessenberg-Haus mit der Büste des 1860 hier verstorbenen Generalvikars und Stifters birgt eine Gemäldegalerie und die große städtische Bibliothek. Ferner sind bemerkenswert: das Rosgartenmuseum, ein altes Zunfthaus wit einer vortrefflichen Sammlung von Gegenständen aus der Natur und der Geschichte von K. und der Umgegend; das Gasthaus Barbarossa, in dem Kaiser Friedrich 1183[427] den Frieden mit den lombardischen Städten schloß; das Hus-Häuschen (»Hußenherberge«) am Schnetztor, in dem Hus wohnte und gefangen genommen wurde, mit Reliefs von Hus und Hieronymus, der schöne Hafen mit Leuchtturm, das neue Reichspostgebäude, das städtische Krankenhaus und andre Neubauten. An Denkmälern besitzt die Stadt noch ein Kriegerdenkmal, eine Büste des Kaisers Wilhelm I. im Stadtgarten, eine Büste des Kaisers Friedrich III. an der Kaserne, den Vierkaiserbrunnen mit Darstellungen der Kaiser Heinrich III., Friedrich Barbarossa, Maximilian I. und Wilhelm I. und vier Sandsteinstatuen (der Bischöfe Konrad und Gebhard, der Herzoge Bertold I. von Zähringen und Leopold von Baden) auf der Rheinbrücke. Die Bevölkerung beträgt (1960) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 114) 21,445 Seelen, darunter 4158 Evangelische und 565 Juden. Die Industrie erstreckt sich auf Baumwollweberei und-Druckerei, Seidenweberei, Fabrikation wasserdichter Stoffe, von Säcken, Jutegeweben, Leinen und Segeltuch, Chemikalien, Herden, Schlössern und Kassenschränken, Steppdecken, Öfen, Zement- und Tonwaren, Seife, Lichten, Tapeten, Weißwaren, Briefkuverten, Mineralwasser, Möbeln, Zigarren und Falzziegeln, auf Eisengießerei, Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, Holzverkohlung etc. Der lebhafte Handel wird unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbanknebenstelle, eine Filiale der Rheinischen Kreditbank und andre Geldinstitute sowie durch die lebhafte Dampfschiffahrt. Für den Eisenbahnverkehr ist K. Knotenpunkt der Badischen Staatsbahnlinie Mannheim-K. und der Linien K.-Romanshorn und K.-Winterthur der Schweizerischen Bundesbahn. An höhern Schulen und andern Anstalten hat K. ein Gymnasium, eine Oberrealschule, Gewerbeschule, Handelsschule, ein Knabenkonvikt; ferner ein Rettungshaus, eine Nerven- und eine Augenheilanstalt, ein Asyl für Gemütsleidende und Irre etc. K. ist Sitz eines Landeskommissars für die Kreise K., Villingen und Waldshut, eines Bezirksamtes, eines Landgerichts, einer Oberpostdirektion, eines Forstamtes, eines Hauptsteueramtes und einer Handwerkskammer. Die städtische Verwaltung zählt 2 Bürgermeister, 14 Magistratsmitglieder und 96 Stadtverordnete. Zum Landgerichtsbezirk K. gehören die 9 Amtsgerichte zu Donaueschingen, Engen, K., Meßkirch, Pfullendorf, Radolfzell, Stockach, Überlingen und Villingen. Die nächste Umgebung von K. ist mit schönen Anlagen geziert, südwestlich angrenzend liegt das schweizerische Kreuzlingen, weiter im Untersee die Insel Reichenau und an demselben auf einer Anhöhe das Schloß Arenenberg (s. d.), endlich im Überlinger See die Insel Mainau (s. d.).

[Geschichte.] Den Untergrund des ältesten Stadtteils bildet ein Molassefels, der trotz seiner geringen Erhebung dem Austritt des Rheins aus dem Bodensee den Weg wies und die Bildung der Konstanzer Bucht bedingte; in letzterer sind Pfahlbausiedelungen seit der jüngern Steinzeit nachgewiesen. Die Erhebung diente den Römern bei der Befestigung der Rheinlinie als Platz für ein Kastell und als Brückenkopf für den Rheinübergang; nach der Überlieferung geschah dies Ende des 3. Jahrh. unter Constantius Chlorus, auf den auch der Name der Bucht zurückgeführt wird (vielleicht hieß K. vorher keltisch Vitudurum). Die civitas Constantia wird zuerst in der Cosmographia des Anonymus Ravennas (5. Jahrh.) erwähnt. Die Zukunft des Platzes entschied die wohl noch im 6. Jahrh. erfolgte Verlegung des Bischofssitzes aus der römischen civitas Vindonissa (Windisch im Aargau) nach K., wodurch sich die Frankenkönige in dem unterworfenen und zum Teil von den Ostgoten erworbenen Alemannenland einen Stützpunkt schaffen wollten. An der Stelle des Römerkastells entstand nun die Kathedrale mit Bischofspfalz, Domschule und Klerikerhaus. Über dieser ummauerten Bischofsburg dehnte sich nördlich eine kleine Laiensiedelung (Niederburg, suburbium) aus. Die Entstehung des Kerns der heutigen Stadt hängt jedoch erst mit der Marktgründung (Anfang des 10. Jahrh.) zusammen. Reichsstadt wurde K. 1192. Der Leinwandhandel nahm hohen Aufschwung (Tela di Constanza); die Stadt erwarb von den verschuldeten Bischöfen wichtige Hoheitsrechte und entfaltete als angesehenstes Glied des schwäbischen Städtebundes im 14. Jahrh. eine bedeutsame Macht in Süddeutschland. Ein Aufstand von 1342 führte zur Anerkennung der Zünfte, der von 1370 zur Verdoppelung des Rats durch Aufnahme der Zunftmeister. Der Aufstand von 1389 stürzte den bestehenden Rat wegen der Niederlage des Schwäbischen Städtebundes. Aber bei der Erhebung von 1429–30 unterlagen die Zünfte; die wirtschaftlich wichtigsten von ihnen, Leinweber und Ledergerber, wurden unterdrückt und König Siegmund nötigte K. 1430 eine neue Verfassung auf. Seit dem Konzil (s. Konstanzer Konzil) ging der Handel allmählich zurück. Vollends veranlaßte der Zunftkrieg von 1429–30 angesehene Häuser, die Städte Ravensburg und St. Gallen zum Mittelpunkt des oberdeutschen Leinenhandels zu machen. Der Versuch, aus der von Siegmund der Stadt K. verpfändeten Landgrafschaft Thurgau ein wirtschaftlich abhängiges Hinterland zu schaffen, scheiterte an dem Vordringen der Eidgenossenschaft, die im Schwabenkrieg (1499) den Thurgau völlig an sich riß und mit der Loslösung der Schweiz vom Reiche die Landesgrenze unmittelbar vor den Stadtmauern aufrichtete. Unter Führung des Brüderpaares Ambrosius und Thomas Blarer schloß sich K. der Reformation an, zunächst Luther zugeneigt; bald geriet jedoch die Bewegung in Abhängigkeit von Zürich und Zwingli. Wegen des schroffen Vorgehens des Rates verließen 1527 Bischof und Klerus die Stadt; ein mit Beschlagnahme alles geistlichen Vermögens verbundener Bildersturm brachte K. in scharfen Gegensatz zu den katholischen Reichsständen Schwabens und vor allem zu Österreich, das schon seit 1502 eine Schutztruppe in K. unterhielt. Die von den Konstanzer Reformierten erstrebte Aufnahme in den schweizerischen Bund scheiterte am Widerstande der katholischen fünf Orte. Auf dem Reichstag zu Augsburg reichte K. mit Lindau, Memmingen und Straßburg 9. Juli 1530 die Confessio tetrapolitana ein und trat 1531 dem Schmalkaldischen Bunde (s. d.) bei; die Kosten für das Bundesheer ruinierten aber die städtischen Finanzen völlig. Während sich nach Auflösung des Bundes 1546 die andern Städte dem Kaiser unterwarfen, verharrte K. noch 2 Jahre im Kriegszustand, verfiel 6. Aug. 1548 zu Augsburg in die Acht und verteidigte sich an demselben Tage erfolgreich gegen die Kaiserlichen, die es von der Rheinbrücke aus im Sturm zu nehmen suchten (»Überfall der Spanier«). Von Zürich im Stich gelassen, konnte sich K. nicht lange halten; Karls V. Bruder, Ferdinand, besetzte es 14. Okt. 1548 mit österreichischen Truppen. Seitdem war K. eine kleine, wirtschaftlich tief gesunkene österreichische Landstadt. Die angesehensten Anhänger der Reformation wanderten aus, der Klerus kehrte zurück, und die Gegenreformation brachte die Stadt[428] wieder völlig zum Katholizismus. Ruhmvoll war die Abwehr der Belagerung durch den schwedischen General Horn 1633. Der Versuch Josephs II., die wirtschaftlich daniederliegende Stadt durch Herzuführung einer Genfer Kolonie industriell zu heben, war ohne nachhaltige Wirkung. Im Preßburger Frieden (1805) fiel K. an Baden. In den Revolutionsjahren 1848/49 war K. geistiger Mittelpunkt der Bewegung in Südwestdeutschland. Die Aufhebung des Bistums K. 1821 nahm der Stadt die durch 13 Jahrhunderte behauptete Stellung als kirchlicher Mittelpunkt Alemanniens. Der edeldenkende Generalvikar und letzte Bistumsverweser v. Wessenberg (s. d.) starb in K. 1860. Der Ausbau des oberbadischen Eisenbahnnetzes (seit 1865) und die steigende Zunahme des Fremdenverkehrs verhalfen im Verein mit der allgemeinen Hebung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands seit 1870 auch K. zu neuem Aufschwung. Vgl. Eiselein, Geschichte und Beschreibung der Stadt K. (Konst. 1851); Ruppert, Chroniken der Stadt K (das. 1890–92, 2 Tle.); Kraus, Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, Bd. 1 (Freiburg 1887); Beyerle, Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters (Heidelb. 1898), Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im mittelalterlichen K. (das. 1900–02, 2 Bde.) und K. im Dreißigjährigen Kriege (das. 1900); Issel, Die Reformation in K. (Freiburg 1898); Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds (Straßb. 1892); Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien (Leipz. 1900, 2 Bde.); Leiner, Konstanz (Führer, Konst. 1899); »Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees« (Lindau 1869 ff., darin die »Geschichte der Stadt K.« von Laible, 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 427-429.
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