Stall

1. Es hilfft nicht, dass man den Stall schleust, wenns Vieh herauss ist.Lehmann, II, 128, 135.


2. Es ist im Stall kein Winkel so klein, es kann dort blöken ein Kälbelein.

Dän.: Der kryber nu i stakket baas unger af. (Prov. dan., 43.)


[767] 3. Es ist Stall wie Vieh, sagt jener, fand ein Floh im Hindern.Latendorf II, 12.


4. Es ist vergebens, dass man den Stall zu thut, wenn die Kuh gestohlen ist.Lehmann, 601, 110.

Frz.: Il est bien tems de fermer l'étable, quand le chevaux en sont sortis. (Kritzinger, 655.)


5. Hat man erst den Stall, so kommt man auch zur Kuh.

Böhm.: Kdo má jakou stájičku, at' hledá i kravičku. (Čelakovsky, 382.)

Poln.: Kto w zieleni, ženić się nieleni. (Čelakovsky, 382.)


6. In den Stall hinein, wie die Juristen und Procuratores in die Helle gehen, sagte jener Sewhirt, als die Schweine nicht hinein wollten.Zinkgref, IV, 98.


7. In'n Stalle is de Hund an'n dümmsten. Schambach, II, 243.

Der Mensch sehr häufig in seinen eigenen Angelegenheiten.


8. Ist aus dem Stall die Kuh, schliesst man ihn vergeblich zu.


9. Kümmt et en den Stall, dann ess et üvverall. (Bedburg.)

Kehrt der Hunger (die Noth) im Stall ein, so kommt er auch bald in die Stube.


10. Langsam aus dem Stall, langsam in den Stall. (Sachsen.) – Boebel, 139.


11. Man gehet niemals in den Stall, man findet einen Groschen darin.Petri, II, 446; Henisch, 1757, 20; Latendorf II, 22; Simrock, 9801.


12. Man muss erst den eigenen Stall misten, ehe man über des Nachbars schilt.


13. Man muss erst für den Stall sorgen, ehe man sich eine Kuh anschafft.

Die Finnen sind entgegengesetzter Ansicht: Mache nicht eher den Stall ehe du ein Pferd hast. (Bertram, 51.)

Die Russen: Baue erst den Stall, bevor du die Gäule kaufst. (Altmann VI, 505.)


14. Man muss gemach vom Stall auss reiten. Petri, II, 461.


15. Man schliesst den Stall zu spät, wenn der Wolf die Schafe gefressen hat.

Holl.: Sluit den stal, de wolf heeft de schapen gegeten. (Harrebomée, II, 299a.)


16. Man soll den Stall verwahren, ehe der schad geschihet.Henisch, 1531, 59; Petri, II, 465.


17. Man thut den Stall zu, wenn das Pferd fortgelaufen ist.Simrock, 9807.


18. Man verwahrt den Stall zu spät, wenn die Kuh fort ist.

Böhm.: Co platno chléva zavírati, když krávy pokradli. – Pozdĕ závory dĕlali, když konĕ vyvedli.

Frz.: Il est trop tard de fermer l'écurie quand les chevaux sont pris. (Bohn I, 21.)

It.: Si serra la stalla, quando son persi i buoi.

Lat.: Nil juvat amisso claudere septa grege. (Schonheim, N, 18.)


19. Sachte von dem Stall, föhrt den ganzen Dag wall. (Münsterland.) – Archiv, 48, 364.

Wer langsam von Hause wegfährt, vollendet in der Regel die Reise gut.


20. So Stall, so Vaih; so Lüe, so Kaü. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 77, 296.


21. So Stall, so viegh.Tappius, 67b u. 168a; Petri, II, 538; Lehmann, II, 569, 91; Latendorf II, 25; Simrock, 9806; Körte, 5688; Jähns, I, 9.


22. Wenn man den Stall bawet, wann die Schaf gefressen sind, ist kosten vnd arbeit verloren.Lehmann, 272, 6.


23. Wer den Stall nicht hat in Hut, kommt gar leichtlich um sein Gut.

Die Russen: Indem man den Stall vernachlässigt, verabsäumt man auch die Pferde. (Altmann VI, 504.)

Dän.: Ondt at baase for u-født fæe. (Prov. dan., 43.)


24. Wo der Stall offen ist, laufen die Schweine hinein (heraus).

Man muss durch Nachlässigkeit nicht Veranlassung geben, dass etwas Böses geschehe.


*25. Alles in Einen Stall treiben.

Lat.: Uno fasce complecti. (Binder II, 3416; Buchler, 23.)


*26. Aus jedem Stall ein Ferkel.

Von jeder Sorte etwas. Beim Kartenspiel Karten jeder Farbe.


[768] *27. Das ist aus meinem Stall.Frischbier2, 3587.


*28. De kann nig im engen Stall stân.Dähnert, 457a.

Er muss alles kostbar und vollauf haben.


*29. Den stal zu thun, so die kuw hinauss ist. – (S. Brunnen 55 und Kommen 345.) – Franck, I, 75a; II, 47a; Franck, Chronik, I; Eyering, I, 389, 414 u. 517.

Die Russen: Eine Hürde bauen, wenn die Heerde zerstoben ist. (Altmann VI, 521.)

Lat.: Grege amisso septa claudere. (Binder II, 1257; Tappius, 401a.)


*30. Den stal zu, wen das ross hin ist.Hauer, Liij3.

Lat.: Sera in fundo parsimonia. (Hauer, Liij3.)


*31. Den Stall des Augias misten. (Altgriech.)

Eine sehr beschwerliche Arbeit verrichten.

Lat.: Augiae cloacas stabulum purgare. (Seneca.) (Binder I, 103; II, 284; Faselius, 24; Philippi, I, 49; Seybold, 46; Wiegand, 44.)


*32. Den Stall wöllen bawen, wenn der Wolff die Schafe gefressen hat.Luther's Tischr., 427a.


*33. Den Stall zuschliessen, wenn das Pferd (das Schaf) gestohlen ist.Körte, 5690; Eiselein, 401; Chaos, 141; Braun, I, 4214.

Ein Uebel verhindern wollen, wenn nicht mehr Zeit dazu ist. »Den stal mot men betteren to vorn, er wen de ossen werden verlorn.« (Verl., S. 376.)

Engl.: When the steed is stolen, to shut the stable door. (Eiselein, 401.)

Frz.: Fermer l'étable, quand les chevaux n'y sont plus. – Fermer l'étable quand les vaches sont prises. (Kritzinger, 290a.) – Il ferme l'écurie quand les chevaux sont dehors. (Lendroy, 387.)

Holl.: Man sluit den stal te laat, als het paard gestolen is. (Bohn I, 324; Harrebomée, II, 299a.)

It.: Dopo che i cavalli sono presi, serrar la stalla. (Bohn I, 93.)

Lat.: Accepto damno januam claudere. – Est tarde nimium post bombum claudere valum. (Seybold, 401.) – Machinas post bellum adferre. (Binder I, 913; II, 1730; Buchler, 42.) – Maxima pars pecore amisso praesepia claudit, tuncque sapit cum calvaretro fortuna recessit. – Quando quidem accepto claudenda est janua damno. (Juvenal.) – Quid juvat amisso claudere septa grege? (Seybold, 300, 475 u. 486.)

Poln.: Zamknął stajnię, jak mukonia ukradli. (Lompa, 35.)


*34. Die passen nicht in Einen Stall.

Holl.: Zij zullen kwalijk zamen te stal staan. (Harrebomée, II, 299a.)


*35. Er isch i Stall yne g'heit. (Solothurn.) – Schild, 93, 403; Sutermeister, 70.

Er ist ein grober, ungebildeter Mensch.


*36. Miste vorher deinen Stall.Eiselein, 576; Körte, 5689.

Frz.: Chacun son métier, les vaches sont bien yardées.

Poln.: Gdy kaźdy przed swym domem umiecie, wszystko miasto chędogie bedzie. (Masson, 18.)


*37. Nach dem Stalle gehen.

In Berlin Redensart für: in die Schule gehen. (Trachsel, 55.)


*38. Sie stehen in einem Stall.Franck, Zeytbuch, CXLIIIb.


*39. Sie stehen nicht in Einem Stall.Eyering, III, 309; Egenolff, 314a; Schottel, 1124b; Körte, 5690a.


*40. Up'n Stall setten.Dähnert, 457a.

In der Stralsunder Chronik für: Ins Gefängniss setzen, weil über den Stallungen der Stadt Gefängnisse gewesen sind.


*41. Warum schliessest du den Stall, da der Gaul fort ist.

Bei Tunnicius (1328): Wâr umme slüst du den stal, als de page igenwege. (Quid stabulum claudis, soni pes dum perditus ipse?)


*42. Wenn er recht in stall sihet, werden die kelber blindt.Egenolff, 105a; Körte, 5690b.

Vom Schielenden.

Holl.: Wanneer hij recht ziet in het stal zoo werden blind de kalvers al. (Brunes, 294.)

Lat.: Solis victitat. (Binder II, 1686; Steinmeyer, 106; Egenolff, 105a.)


[Zusätze und Ergänzungen]

43. Findst du im Stalle ein mageres Rind, im Hofe ein faules Gsind, im Hause ein verzogenes [1744] Kind, da bleib nicht lange, geh weiter geschwind.Eger. Jahrb., 1875, S. 63.


44. Im Stall wird kein edles Ross erzogen.Gartenlaube, 1863, S. 112a.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
Lizenz:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon