[611] Französische Kunst. 1) Baukunst. Die Bauten im roman. Stil zeigen eine nach den einzelnen Landesteilen verschiedene Anlage: im Süden tonnüberwölbte Kirchenanlagen (zu Avignon, Toulouse, Clermont-Ferrand [Tafel: Romanischer Stil I, 1]), in Burgund die Zisterzienserkirchen mit geradem Chorabschluß und ohne Türme und die Kluniazenserkirchen mit reicher Chorentwicklung, im Westen Kuppelkirchen nach byzant. Muster (Angoulême, Cahors, Périgueux), in der Normandie Ausstattung der Basiliken mit Kreuzgewölben, stattlichen Türmen etc. (St.-Etienne zu Caen). Die ersten Anfänge der Gotik zeigt St.-Denis zu Paris (1144), im 13. Jahrh. in glanzvoller Weise (bis 5 Schiffe, Kapellenkranz, prunkvolle Westfassade) sich fortentwickelnd in den Kathedralen zu Amiens [Tafel: Gotik I, 2], Beauvais, Chartres Paris [ebd. I, 1], Reims u.a., ebenso in der Normandie (Le Mans, Rouen, Tours) und im Süden (Auxerre, Lyon, Narbonne), und im 14. Jahrh. in den Kathedralen zu Albi, Toulouse u.a. Die Spätgotik befaßte sich vor allem mit Profanbauten (Schlösser, Justizpalast zu Rouen, Haus des Jacques Coeur zu Bourges u.a.). Auch die Ende des 15. Jahrh. in Frankreich Boden fassende Renaissance fand in erster Linie bei Schloßbauten (Schlösser Franz' I. [Tafel: Renaissance I, 6] und Herrensitzen Anwendung; der Kirchenbau (St.-Pierre zu Caen) kam dagegen in dieser Periode der Profankunst an Bedeutung nicht gleich. Gegen Ende des 16. Jahrh. erhielt die Baukunst durch De l'Orme, Du Cerceau, Lescot u.a. eine formale und zugleich feinere Ausbildung (Louvre, Tuilerien). Den unter Maria von Medici nach Paris berufenen ital. Barockkünstlern traten unter Ludwig XIV. die einheimischen Architekten Lemercier [ebd. I, 5 und Tafel: Barock und Rokoko I, 5], Leveau, Mansart, Perrault mit ihren Bauten nach klassischen Kunstregeln (Louvre, Versailles) entgegen. Seit Anfang des 18. Jahrh. stand einer üppigen Rokokodekoration im Innern eine selbst bei Kirchen (Invalidendom) nach klassischen Formen arbeitende Außenarchitektur gegenüber. Um 1730 tritt der Klassizismus mit seiner wachsenden Strenge und Eintönigkeit auf (Pantheon zu Paris); während des 1. Kaiserreichs schritt er zu leerer Prachtentfaltung fort (Percier, Vignon [Ste.-Madeleine]) und erlangte Einfluß auf ganz Europa (Montferrands Isaakskirche zu Petersburg). Die antikisierende Richtung blieb auch noch unter Napoleon III. bestehen, bildete sich aber teilweise zu moderner Vielgestaltigkeit (Néo-grec) weiter. In der 2. Hälfte des 19. Jahrh. wurden die Formen der Renaissance in nationalem Sinne gepflegt, daneben aber auch die Gotik des 13. Jahrh., als Vorbild geschätzt. In neuester Zeit haben Garnier (Große Oper), Ballu und Perthes (Pariser Stadthaus) sowie die Architekten der Weltausstellungsbauten (Trocaderopalast von Davioud und Bourdais) Eigenartiges geschaffen.
2) Bildhauerkunst. Schon die Kathedralen im roman. Stil, dann bes. die der Gotik im 13. und 14. Jahrh. erhielten Skulpturenschmuck, statuarische Figuren wie Reliefs (an Portalen, Grabmälern etc.); namentlich die Gestalten got. Stils zeigen ideale Schlankheit, geistigen Ausdruck und edlen Faltenwurf. Zu einer selbständigen Kunst entwickelte sie sich erst im 16. Jahrh.; es gelangten zwei Schulen zur Blüte: die an der Loire (Jean Juste von Tours) und die zu Paris (Goujon, Pilon). Unter Ludwig XIV. huldigte auch die Bildhauerkunst dem Barock- und Rokokogeschmack; Künstler dieser Zeit: Coustou, Coyzevox, Girardon, Puget u.a. Peinlicher, individueller, realistisch und dabei in klassischer Form arbeiteten zur Zeit Ludwigs XV. Bouchardon, Houdon, Pajou, Pigalle, u.a. Unter Napoleon I. wurde die klassizistische Richtung herrschend; die Vertreter der dann folgenden romantischen Richtung (Chapu, Duret, Jouffroy, Rude u.a.) wendeten sich bes. der Genreplastik zu. David d'Angers und Pradier suchten die Romantik mit der Antike zu verbinden. Seit Ende des 19. Jahrh. trat der Realismus immer stärker hervor, so daß er sich in der Jetztzeit in völlig ungebundener Weise, bes. in der Darstellung des nackten menschlichen Körpers geltend macht; zu nennen sind die Arbeiten von Barrias, Bartholomé, Carpeaux, Delaplanche [Tafel: Genrekunst II, 8], Dubois, Falguière, Frémiet, Gardet, Mercié, Rodin [Taf. II, 16] u.a.
3) Malerei. Vom frühen Mittelalter an wurden auch in Frankreich die Handschriften mit Miniaturmalereien geschmückt; diese Kunst erreichte im 15. Jahrh. durch Jean Foucquet die höchste Vollendung. Aus dem 16. Jahrh. sind [611] nur wenige Staffeleigemälde (von Clouet, Cousin) erhalten. Eine bedeutungsvolle Anregung kam im 17. Jahrh. aus Italien; nun taten sich Claude Lorrain und Poussin als Landschafter, Blanchard, Freminet, Lesueur als Historienmaler, Rigaud als Bildnismaler [Tafel: Porträtmalerei I, 10] hervor. Unter Leitung Lebruns und seines Nachfolgers Mignard erhielten das Louvre, die königl. Schlösser in Versailles, Trianon u.a. ihren Wand- und Deckenschmuck. Zu Anfang des 18. Jahrh. herrschte in der F. K. eine theatralische, gezierte, süßliche Manier, der auch die Maler jener Zeit (Boucher, Chardin, Fragonard, Greuze, Lancret [Tafel: Genrekunst I, 2], Vanloo, Watteau) huldigten. Gegen Ende des 18. Jahrh. stiftete L. David die sog. klassizistische Schule (Gérard, Gros, Guérin, Ingres, Prud'hon), deren Vertreter dann auch die Napoleonische Zeit [Tafel: Porträtmalerei I, 12] verherrlichen halfen; ihr trat um 1830 die romantische Schule (Delacroix, Delaroche, Ary Scheffer) zur Seite. Daneben taten sich in derselben Manier hervor: der Schlachtenmaler Horace Vernet [Tafel: Historienmalerei II, 4], die Genremaler Johannot, Léop. Robert, Robert-Fleury, die Orientmaler Biard, Decamps, Fromentin, der Marinemaler Gudin, die Landschafter Huet, Marilhat u.a. Die romantische Richtung wurde durch Cogniet, Couture, Gleyre u.a. zur Gedankenmalerei, grausige Szenen aus Altertum und Mittelalter malten Boulanger, Gérôme, Laurens, Rochegrosse u.a. Ferner sind aus der Zeit Napoleons III. zu nennen: Bonnat [Tafel: Porträtmalerei II, 5], Feyen-Perrin, Meissonier, Neuville u.a. Der überfeinerten Kunstart der Romantik trat die Schule von Barbizon entgegen: Corot, Daubigny, Dupré als Landschafter (paysage intime), Rosa Bonheur, Brascassat, Troyon als Tiermaler, Breton, Millet als Maler bäuerlichen Genres. Gegenwärtig herrscht in der franz. Malerei der Realismus; von ihm ist der sog. Impressionismus nebst Hellmalerei eine besondere Richtung, vertreten durch Lhermitte, Manet, Monet, Pissarro u.a.
Vgl. Kingsley, »History of french art« (1899); Gurlitt, »Die Baukunst Frankreichs« (1896-1900); Lübke, »Geschichte der Renaissance in Frankreich« (2. Aufl. 1885); Geymüller, »Baukunst der Renaissance in Frankreich« (1898-1902); Renouvier, »Histoire de l'art pendant la révolution et l'empire« (1898 fg.); Gonse, »La sculpture française« (1895); Merson, »La peinture française au XVIIe et au XVIIIe siècle« (1901); Meyer, »Geschichte der franz. Malerei seit 1789« (2 Bde., 1866-67); Muther, »Ein Jahrhundert franz. Malerei« (1901); K. F. Schmidt, »Franz. Malerei« (1903).
Adelung-1793: Radier-Kunst, die · Probier-Kunst, die · Kunst, die
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