Papiergeld

[627] Papiergeld (Papier monnaie, Paper money), Werthzeichen von Papier, welche bestimmt sind, im gemeinen Verkehr gleich baarem Metallgeld zu circuliren u. diejenige Werthsumme zu repräsentiren, welche ihm aufgedruckt ist. Das P. kann ebensowohl vom Staate (eigentliches P.), als von Associationen u. großen Anstalten, z.B. von Banken, Leihanstalten, Eisenbahngesellschaften etc. ausgegeben werden (uneigentliches P.), im letzteren Falle führen die Stücke meist den Namen Banknoten od. Bankscheine, im ersteren werden sie bald als Kassenbillets, Tresorscheine (Billets de trésor), bald mit Rücksicht auf ihre Einlösbarkeit bei den öffentlichen Kassen als Kassenanweisungen, Assignaten, Einlösungsscheine etc. bezeichnet. Eine Verzinsung ist mit der Idee des P-s an sich nicht wohl verträglich, da das P. bestimmt ist, ganz die Stelle der baaren Münze einzunehmen; verzinsliche Scheine fallen daher unter den Begriff der Staatsschuldscheine, Staatsobligationen u., so fern sie von anderen Anstalten als dem Staat emittirt sind, der Creditpapiere überhaupt (s. Staatspapiere). Die Einführung des P-es ist eine Folge der Entwickelung des Credits. Während das Metallgeld den unmittelbaren Gütertausch, auf welchem der ganze Verkehr beruht, in einen Tausch gegen Münzen, in Kauf u. Verkauf, verwandelt, bedeutet das P. nur den Werth, welcher dem Zeichen zwar nicht wirklich innewohnet, den es aber nach der allgemeinen Meinung deshalb besitzt, weil man nach dem Credit des Ausstellers sicher sein kann, diesen Werth jederzeit dafür zu erlangen. Nur nach diesem Credit richtet sich daher auch der Werth des P-es, welcher eben deshalb größeren Schwankungen unterworfen ist, als der Werth des in seinem Verhältniß zu den sonstigen Güterpreisen stabileren Metallgeldes. Der Werth wird dann dem des Metallgeldes ziemlich gleich bleiben u. kann ihn sogar übertreffen, wenn man sicher sein kann, dasselbe nach seinem Nominalwerth in Metallgeld umsetzen zu können. Eine Regierung, welche sich dazu entschließt, P. auszugeben, wird daher alle Sorgfalt darauf verwenden müssen, daß dieses sichere Vertrauen im Publikum sich erhalte. Das beste Mittel dazu ist, daß die öffentlichen Kassen angewiesen werden, das P. auf Begehren jedes Inhabers augenblicklich einzulösen. Noch unerläßlicher als bei den Staatspapieren ist die Bedingung sofortiger Einlösbarkeit bei der Zulassung von Privatpapieren, wie den Banknoten etc. Die Regierung, welche dergleichen Banknoten zuläßt, wird nicht umhin können, nicht allein das Maß der auszugebenden Zettel genau zu bestimmen, sondern auch über die wirkliche Ausgabe eine fortdauernde Controle sich anzueignen. Andere äußere Mittel, um dem P. einen festen Werth zu sichern, sind weit weniger zuverlässig, ja manche pflegen entschieden schädlich auf den Curs des P-es einzuwirken. Man hat in dieser Beziehung zuweilen die Annahme bei Steuerzahlungen od. die Zusicherung, daß bei Domänenkäufen das P. als Zahlung angenommen werden solle, angewendet; noch energischer scheint das Mittel, durch ein Gesetz dem P. einen Zwangcurs beizulegen, d.h. zu befehlen, daß das P. in allen Zahlungen, selbst des Privatverkehrs, als volle Zahlung anzunehmen sei. Allein die Folgen solcher Zwangsmaßregeln sind in der Regel eine Vertheuerung aller Waaren u. Leistungen gegen Papier, hauptsächlich ein Steigen des Preises der von auswärts einzuführenden Producte, bei deren Einkauf im Auslande der Zwangcurs nicht angewendet werden kann, eine Herabsetzung des wirklichen Einkommens aller derjenigen Volksklassen, deren Einkünfte in festen Geldbeträgen bestehen, wie Capitalisten u. Staatsbeamte, das Verschwinden des Metallgeldes, weil dasselbe entweder zu den Zahlungen in das Ausland verwendet werden muß od. von den Besitzern um so höher gehalten u. deshalb lieber aufbewahrt wird, in weiterer Consequenz die Verbreitung allgemeinen Mißtrauens, ein Stocken aller Unternehmungen u. ein Steigen des Zinsfußes. Am gefährlichsten ist, wenn der Staat sich in solchem Falle veranlaßt sieht, durch eine noch größere Vermehrung der umlaufenden Papiergeldmenge neue Hülfsquellen zu eröffnen, indem hieraus fast nur ein weiteres Sinken des Curses des P-es u. eine wiederholte Vergrößerung des Staatsbedarfes hervorgeht. Wird dagegen die Emission des P-es in mäßigen Grenzen gehalten u. werden genügende Anstalten zur stets bereiten Einlösung desselben u. zur theilweisen Amortisation u. somit zur allmäligen Vertilgung des emittirten P-s getroffen, so erscheint das P. als eine nicht allein unschädliche, sondern für den Volkswohlstand sogar nützliche Einrichtung, indem die für den Verkehr nothwendigen Circulationsmittel dadurch vermehrt, die Circulation selbst bei der größeren Leichtigkeit der Versendung des Papiers gegenüber dem Metall wesentlich befördert u. nebenbei eine bedeutende Ersparniß durch den Gewinn der Zinsen, welche sonst gegeben werden mußten, um die[627] nöthige Summe Metallgeldes anzuschaffen, erlangt wird. Um Fälschungen des P-es, welche bei diesen Werthzeichen allerdings leichter vorkommen können, als bei dem Metallgeld, werden dem Papier gewöhnlich neben einem künstlichen Druck, bei welchem man möglichst verschiedene Schriften anwendet, besondere Wasserzeichen, bunte u. trockene Stempel etc. beigegeben, od. man läßt die Kupferplatten mit vielen feinen verschlungenen Linien, Bildern u. dgl. stechen. Um nicht durch Abnutzung den Credit des Papiers zu gefährden, müssen öftere Einwechselungen u. Erneuerungen Statt finden, wobei die Fristen, in denen die Scheine zur Erneuerung eingerufen werden, nicht zu kurz zu stellen u. später einkommenden doch noch innerhalb gewisser Zeit die Einwechselung zu sichern ist.

Die Geschichte des P-es geht bis auf sehr frühe Zeiten zurück. Schon bei den Griechen finden sich analoge Einrichtungen erwähnt, merkwürdig ist bes. aber, daß namentlich die Chinesen das P. schon lange gekannt haben, ehe es im Abendland Verbreitung fand. Der Kaiser Hian-Thung nöthigte im Anfang des 9. Jahrh. die Reichen des Landes, ihre baaren Schätze ihm einzuliefern u. dafür P. (Feh-Ihsiom, fliegende Münze) zu nehmen; in der Mitte des 14. Jahrh. fand der arabische Scheik Ibn-Batuta fast nur P. in China. Im Abendland soll P. zuerst in Mailand 1248 in Anwendung gebracht worden sein. Zu größter Ausdehnung gelangte der Gebrauch desselben im 18. Jahrh., bes. in Frankreich durch die Assignaten (s.d.), indeß die schlimmen Folgen, welche dabei durch die maßlose Vermehrung desselben erzeugt wurden, führten dazu, daß am Anfange des 19. Jahrh. eine bedeutende Abneigung gegen die fernere Anwendung dieses Circulationsmittels herrschte. Durch gründliche Untersuchungen über das Wesen des P-s (Adam Smith, Ricardo, M'Culloch, Thoreton, Nebenius) hat sich diese Abneigung zwar wieder gehoben, doch wird jetzt der Emiltirung, wie der Überwachung des Verkehrs mit P. von Seiten der Staatsregierungen größere Vorsicht zugewendet. Als daher in den Jahren 1848–1850 eine bedeutende Vermehrung des P-es eintrat, indem fast alle deutschen Staaten die Emission von P. als Abhülfe fianzieller Verlegenheiten benutzten, trat sehr bald eine Reaction gegen diese Versuche, sich auf leichte Weise Geld zu verschaffen, ein. Preußen verbot zuerst alle ausländischen Kassenanweisungen im Lande; ihm folgte Sachsen in der Weise, daß es die ausländischen Kassenanweisungen u. Banknoten unter 10 Thalern ganz verbot, die von 10 Thalern u. darüber aber nur dann als im Verkehr zulässig erklärte, wenn im Inlande eine Einlösungskasse dafür errichtet werden würde. Natürlich hatten diese Verbote gleiche Repressalien von Seiten der anderen Staaten zur Folge. Diese Verbote wirkten auf den Verkehr sehr hemmend. Mehrere kleinere Staaten garantirten sich hiergegen durch Staatsverträge die Zulassung des von ihnen emittirten P-es unter der Voraussetzung, daß die Summe desselben eine gewisse Höhe nicht übersteigt u. die Einlösung desselben durch eine od. mehre öffentliche Kassen zu jeder Zeit sichergestellt ist. Ein Vertrag dieser Art kam unter den meisten der Thüringischen Staaten am 21. Jan. 1856 zu Stande, welchem später auch noch andere Staaten beigetreten sind. Die Summe des augenblicklich circulirenden P-es läßt sich nur schwer bestimmen, weil der Betrag desselben nicht für alle Staaten bekannt ist, auch wegen der öfteren Einziehungen u. Erneuerungen häufig wechselt. In Preußen betrug die Summe der circulirenden Kassenanweisungen am Schluß des Jahres 1860 15,842,347 Thlr., in Rußland 1859 644,448,790 Silberrubel, im Königreich Sachsen 7 Millionen Thlr., im Großherzogthum Baden 3 Mill. Fl., im Kurfürstenthum Hessen 1,530,000 Thlr., im Großherzogthum Sachsen-Weimar 600,000 Thlr., in Sachsen-Meiningen 1 Mill. Fl., in Sachsen-Altenburg 380,000 Thlr., in Sachsen-Koburg-Gotha 400,000 Thlr. etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 627-628.
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