Rochow

[214] Rochow, ein altes Dynastengeschlecht, welches 767 aus Burgund nach Franken u. 789 in die Elbgegenden kam, daselbst 928 an der Eroberung Brandenburgs durch Heinrich den Vogelsteller Theil nahm u. sich dort niederließ, weshalb noch im 12. Jahrh. ein Landestheil der Uckermark den Namen Rochau od. Rochow führte. Die Nachkommen des Geschlechts besitzen noch jetzt die alten Stammgüter am Ufer der Havel in der Gegend von Brandenburg bis Potsdam. Berühmt sind: 1) Richard, Herr, auf Golzow, befehligte 1240 in dem Kriege der Markgrafen Johann I. u. Otto III. von Brandenburg gegen den Markgrafen von Meißen das brandenburgische Heer, nahm bei Gladigau in der Altmark den Bischof Ludwig von Halberstadt gefangen u. siegte 1243 in der Schlacht unterhalb Plauen über die Meißner u. Magdeburger. 2) Ditrich I., Sohn des 1452 verstorbenen Wichard V., begleitete den Kurfürsten Albrecht auf dessen Feldzügen, wurde dann zu mehren diplomatischen Sendungen gebraucht u. ist durch seine zweite Gemahlin, eine geb. von Holleben, der Stammvater der vier Hauptlinien dieses Geschlechts geworden, von denen die Rekahnische u. Galwitzische wieder erloschen sind, die Plessow'sche im Adelstande u. die Golzow'sche im Freiherrenstande fortblüht. 3) Friedrich Eberhard, aus der Rekahnischen Linie, Erbherr auf Rekahn im Brandenburgischen geb. 11. Oct. 1734 in Berlin; er erhielt seine Bildung auf der Ritterakademie zu Brandenburg, trat in preußische Kriegsdienste, nahm in der Schlacht bei Lowositz den Prinzen Lobkowitz persönlich gefangen, wurde in dieser u. bei Prag so verwundet, daß er sich auf sein Gut zurückzog, wo er sich bes. der Verbesserung des Schulwesens in seinem Vaterlande widmete; er st. 1804 als Ritterschaftsdirector der Mittelmark u. Domherr in Halberstadt. Er schr.: Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute, Berl. 1772, 4. Aufl. 1814; Der Kinderfreund, ebd. 1776–80, 2 Bde., neu bearbeitet von Schlez, Lpz. 1836; Handbuch in katechetischer Form, Halle 1783,5. Aufl. 1818; Katechismus der gesunden Vernunft, Berl. 1786, 3. Ausg. 1806; vgl. Dem Andenken R-s gewidmet von Zerrenner, ebd. 1805. A) Der Plessower Linie gehören an: 4) Hans VII., geb. 1550, begleitete den Pfalzgrafen Kasimir in den Krieg, focht 1569 unter Coligny in der Schlacht von Moncontour, nach der Pariser Bluthochzeit mit den Protestanten in Frankreich u. st. 1622. 5) Hans Friedrich II., trat 1714 in preußische Kriegsdienste, war beim Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs Generallieutenant u. Gouverneur in Berlin, brachte die königliche Familie nach Spandau in Sicherheit, mußte den Österreichern Berlin übergeben, wurde bei dem zweiten Angriff auf Berlin 1760 von den Russen gefangen, nahm 1764 keinen Abschied u. starb in Plessow. 6) Hans Wilhelm, geb. 1824, war preußischer Lieutenant, verwaltete dann sein Gut Plessow, wurde als Vertreter des alten befestigten Grundbesitzes der Mark Brandenburg Mitglied des preußischen Herrenhauses u. erschoß 10. März 1856 im Duell den Polizeipräsidenten von Hinckeldey in Berlin. B) Zur Golzowschen Linie gehören: 7) Hans Zacharias II., geb. 1603, trat in niederländische, dann in schwedische Kriegsdienste, wohnte hier dem Feldzug in Polen bei, verließ denselben aber, als Gustav Adolf gegen die Mark zog, wurde Geh. Rath des Herzogs Albrecht von Mecklenburg-Strelitz, zuletzt Geh. Rath, Kanzler u. Premierminister des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz u. st. 1654. 8) Moritz August, geb. 1631, stand im Dreißigjährigen Kriege als Oberst in kurbrandenburgischen Diensten, verweigerte, als Commandant der Festung Spandau durch seinen Eid gebunden, dem Großen Kurfürsten bei dessen Regierungsantritt die Übergabe der Festung, wurde aber gefangen genommen, entkam jedoch nach Wien, wo er Generalfeldwachtmeister wurde u. als solcher 1642 Glogau gegen Torstenson vertheidigte, bei dem Sturm der Schweden auf die Festung aber wieder gefangen genommen wurde; er st. 1653 als Landesältester der Fürstenthümer Schweidnitz u. Jauer. 9) Samuel Friedrich geb. 1641, studirte in Heidelberg, stand dann im[214] dänischen Heere, wurde später kurpfälzischer Hof- u. Gerichtsrath, that sich bei dem französischen Einfall in die Pfalz hervor, wurde dann Hessen-Kasselscher Oberconsistorialrath, hierauf Regierungspräsident u. zuletzt Staatsminister; er war mit Sophie Juliane geb. von Avensdorf vermählt u. st. 1728; als Besitzer von Erwisbiedersheym in der Oberpfalz gehörte er zur reichsfreien Ritterschaft u. erwarb dadurch die freiherrliche Würde. Er ist der Stammvater der noch blühenden freiherrlichen Linie in Sachsen. 10) Friedrich Wilhelm IV., geb. 1689, war erst favoischer Generaladjutant, dann preußischer Major u. später Oberst, wurde Gouverneur des Kronprinzen, nachherigen Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen, machte dessen Feldzüge mit, wurde Generalmajor u. nach der Schlacht bei Hohenfriedeberg Generallieutenant; er st. 1754. 11) Freiherr Ämilius Friedrich, Sohn von R. 9), geb. 1692, war sächsisch-polnischer Oberst u. befand sich 1733 bei der Armee, welche die Wahl König Augusts III. in Polen unterstützte, belagerte 1734 Danzig mit, war später Generalmajor in dem dem Kaiser gesandten sächsischen Hülfscorps gegen die Türken, wurde nach dem Frieden Generalinspector der Infanterie, führte im ersten Schlesischen Kriege, nachdem er sich mit den Preußen vereinigt hatte, bei der Eroberung von Prag ein Angriffscorps an, befehligte dann in Mähren einen Theil der Avantgarde u. vertrieb mit den Preußen den Feind aus Jolau, wurde im zweiten Schlesischen Kriege Generallieutenant, focht in der Schlacht bei Kesselsdorf mit, wurde aber als General der Infanterie im Lager bei Pirna gefangen genommen u. st. 1759. 12) Freiherr Friedrich Ludwig II., Bruder des Vor., geb. 1701, begleitete im Spanischen Erbfolgekriege den Prinzen Maximilian von Hessen als dessen Brigadeadjutant nach Sicilien, wo er bei der Belagerung von Castina schwer verwundet wurde; nach seiner Wiederherstellung wurde er Hauptmann in sächsischen Diensten, wohnte 1733 dem Feldzug in Polen gegen die Conföderirten, dann 1735 dem gegen die Franzosen bei, focht hierauf als Brigademajor gegen die Türken, machte als Oberstlieutenant den ersten Schlesischen Krieg mit, wurde nach dem zweiten Schlesischen Kriege, in welchem er bei Landshut schwer verwundet worden war, Oberst, Generalmajor u. Commandant der Festung Sonnenstein u. st. 1760. 13) Gustav Adolf Rochus, geb. am 1. Octbr. 1792 in Neunhausen bei Rathenow, Stiefsohn des Barons de la Motte Fouqué, studirte seit 1810 in Heidelberg die Rechtswissenschaften, trat im März 1813 in Breslau zu den reitenden freiwilligen Jägern, wohnte mit diesen allen Kämpfen bis zum Waffenstillstande bei u. wurde dann zum Offizier befördert. Nach dem Frieden verließ R. den Militärdienst, um die Verwaltung der ererbten Güter anzutreten; wurde 1823 Mitglied bei der Hauptverwaltung der Staatsschulden u. auch bald in das Ministerium des Innern berufen, um die ständischen Angelegenheiten als vortragender Rath zu leiten, 1826 Geheimer Regierungsrath, 1831 Chefpräsident der Regierung in Merseburg u. 1834 Staatsminister des Innern u. der Polizei, 1837 auch noch der Gewerbeangelegenheiten; 1842 trat er aus dem Ministerium, wurde aber 1843 Vicepräsident u. im Herbste d. I. Präsident des Staatsraths u. st. den 11. Septbr. 1847 in Aachen. 14) Theodor Heinrich Rochus, Bruder des Vorigen, geb. 1793, trat 1810 in das preußische Regiment Garde du Corps ein, nahm 1813 bis 1815 an den Feldzügen gegen Frankreich Theil u. wurde 1835 Oberstlieutenant u. 1837 Oberst. 1835 wurde er zum Gesandten in der Schweiz u. in Württemberg ernannt; in dieser Stellung verblieb er bis zum Mai 1845, wo er als Gesandter nach Petersburg ging. Ohne von diesem Hofe abberufen zu werden, vertrat er Preußen vom Mai bis zum Juli 1851 am Bundestage u. kehrte hierauf wieder auf seinen Gesandtschaftsposten nach Petersburg zurück. Seine militärische Beförderung ging neben seiner diplomatischen Laufbahn her; er stieg 1843 zum Generalmajor u. 1849 zum Generallieutenant auf u. starb am 20. April 1854 in Petersburg. Jetziger Chef der freiherrlichen Linie ist: 15) Freiherr Bernhard, geb. 1808, ist in Sachsen u. Preußen begütert, auch Mitbelehnter an den Familiengütern in Brandenburg u. Mitglied der Ersten Kammer der königlich sächsischen Ständeversammlung für den Meißner Kreis auf Lebenszeit; er ist seit 1837 mit Clara Cölestine geb. von Zeschau vermählt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 214-215.
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