Becher

1. Aus Einem Becher kann man nicht Essig und Honig zugleich trinken.

Indess scheint es doch Dinge und Lebensverhältnisse zu geben, welche zur Lösung dieser Aufgabe führen.


2. Aus einem leeren Becher vertrinkt man den Durst nicht.


3. Da man noch aus hölzernen Bechern trank, stand es wohl in der Welt.


4. Den Becher nimm mit Vorsicht zur Hand, denn Gott und Teufel sind darin gebannt.


5. Der Becher schützt den Wein.


6. Der Becher thut's nicht, wenn sauer Wein darin ist.Parömiakon, 136.


7. Der erste Becher zieht den zweiten nach sich.


8. Drei Becher Weins treiben die bösen Geister aus, mit dem vierten trinkt man schon wieder Brüderschaft mit ihnen.

Asklepiades sagt: »Der erste Becher löscht den Durst, der zweite gibt Vergnügen, der dritte führt zu Trunkenheit, der vierte zu Wahnsinn.« Da bei den alten Griechen und Römern drei und fünf für Glückszahlen galten, so hatten sie den Trinkspruch: Aut quinque bibe, aut tres, aut ne quatuor. (Wiegand, 932.) – Servatori tertium. (Erasm., 731.)


9. Ein goldner Becher macht sauern Wein nicht süss.


10. Einen solchen Becher, wie du für den Freund einschenkst, musst du selbst austrinken. (Russ.)


11. Es ertrinken mehr im Becher als in der Donau (im Rhein).Simrock, 864.


12. Im Becher ertrinken mehr, denn im Meer. Henisch, 227; Körte, 469; Müller, 43, 5; Guttenstein, 203; Volksbote, X, 36; altmärkisch bei Schwerin, 37; Simrock, 863. (S. Ertrinken.)

Die Zahl derer, welche zechend ihre Gesundheit zerrütten und ihr Leben verkürzen, ist grösser als die Zahl derer, die auf dem Meere verunglücken.

Frz.: Gourmandise a tué plus de gens qu'épée en guerre tranchante. – Le vin noie plus de gens que l'eau. (Cahier, 4371.)

It.: Piú n'occide la gola, che la spada.

Lat.: Plures occidit gula, quam gladius.


13. Ist der Becher offen, so decke die Hand darauf, fallt eine Snak darein, so war der Deckel ein Schelm.Eiselein, 62.


14. Man hat schon den Becher des Trostes darüber getrunken.Tendlau, 502.

Man hat sich über den Verlust längst getröstet.


15. Man kann es nicht jedem Becher ansehen, wie viel Gläser hineingehen.


16. Was nützt ein goldener Becher, wenn der Wein sauer ist.


17. Wer alle Becher leert, bekommt blaue Augen.Bertram, 75.


18. Zwischen Becher und Gaum ist ein grosser Raum.

Cicero schreibt an den Attikus: »Viel kann sich ereignen, ehe der weit entfernte Attikus helfen kann. Inzwischen kann der Südwind im Mittelmeer viel Wellen über den Leidenden wälzen.«

Frz.: Il arrive bien de choses entre le verre et la bouche.

Lat.: Multa in medio. (Cicero.) (Erasm., 326.) – Inter os et ossam. (Erasm., 416.)


19. Zwischen Becher und Glas hat viel Narrheit Gelass (Platz, Raum).

It.: Tra bicchieri e boccali vi sono più pazzi che savii. (Pazzaglia, 262.)


20. Zwischen Becher und Mund wird manches kund.

Lat.: Multa cadunt inter calicem supremaque labra. (Apollinaris.) (Wiegand, 811.)


*21. Aus demselben Becher trinken.

Dieselben Erfahrungen machen, von denselben Schicksalen betroffen werden. – Der Becher kommt in den Sprichwörtern der Alten häufig vor. Von jemand, der plötzlich ein anderer geworden, sagte man, er habe aus [286] dem Becher der Circe getrunken. Circe nahm den Verstand und gab ihn wieder; sie machte Thiere zu Menschen und umgekehrt.

Lat.: Eodem bibere poculo. (Plautus.) (Erasm., 591; Wiegand, 283.)


*22. Beim Becher ist er ein Held.Eiselein, 62.


*23. Er hat den Becher bis auf die Hefe ausgetrunken.

Von denen, die das Aeusserste erduldet haben.

Frz.: Boire la coupe jusqu'à la lie.

Holl.: Hij heeft den beker tot dem bodem geledigd.


*24. Mit dem Becher arbeiten. (Altgr.)

D.h. statt des Werkzeugs den Becher in der Hand führen. Von Trinkern.


*25. Sie haben aus dem Becher der Freundschaft getrunken. (Altgr.)

Dieser Becher ward bei den Gastmählern der Alten als Symbol der Freundschaft herumgereicht.


[Zusätze und Ergänzungen]

zu8.

Dän.: Det förste beger for törst, andet for lyst, tredie for vellgst, fierde for ulyst. (Prov. dan., 60.)


zu12.

Plattd.: In den Beker verdrinkt mär, as in de See. (Alte und neue Welt 1877, S. 471.)


zu16.

Als der Churfürst Brendel zu Mainz eine neue Kanzel hatte bauen und vergolden lassen, fragte er seinen [936] Hofnarren, wie sie ihm gefalle. »Wie ein hessischer goldner Becher, war die Antwort, da schenkt man oft sauer Bier ein.« (Braun, Bibliothek des Frohsinns, III, 2.)

zu20.

Es begibt sich zwischen den menschen mundt manchfall, vnd zwischen den becher rundt. (Waldis I, 83, 20.)

Lat.: Inter calicem et os. (Philippi I, 205.)


26. De beker (Becher) sy recht edder krum, dy werts totum.Freybe, Redentiner Spiele, 1762.

Alter Trinkspruch. Auf das Ganze (totum) musste nach dem Trinkgesetz ein Ganzes nachgetrunken werden, nicht »myddel pars«, d.h. die Hälfte.


27. Der letzte Becher macht den ersten sieden.

Dän.: Det sidste begere faaer den förste kunds hed. (Prov. dan., 61.)


28. Der letzte Becher straft den Zecher.

Dän.: Af det sidste begere kommer den foerste puust. Den som vil vaere den sidste i gilde-huuset am aflenen, bliver den förste i barsker-huuset om morgenen. (Prov. dan., 61.)


29. In 'n höltern Bâken is god prâten. (Oldenburg.) – Goldschmidt, II, 157.


30. Volle Becher, hab' ich gehört, machen selten weiss vnd gelehrt.Loci comm., 55; Petri, II, 577.

Mhd.: Ich hain ducke horen sagen, vollen kop sal men wen dragen, so we in doch vol schenkt zo maissen hie sal sich de bas dragen laissen. (Groote, Köln. Keimchronik, 3740.)

Lat.: Foecundi calices raro faciunt sapientes.


31. Wer seinen Becher in Einem Zuge leert, ist ein Güriger, wer in zwei Zügen, hat Lebensart, wer in dreien, gehört zu den Stolzen. Jüdisches Volksblatt, Leipzig 1864, S. 147.


32. Zwischen Becher und Lippe kommt Manches zur Klippe.Neue Freie Presse, Wien 1875, Nr. 3863.


*33. Allen (Konfessionen) den Becher der christlichen Liebe reichen.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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