Freiberg

[54] Freiberg, 1) Berghauptstadt des Königreichs Sachsen, in der Kreish. Dresden, liegt auf der nördlichen Abdachung des Erzgebirges, 2 km westlich von der Freiberger Mulde, 406 m ü. M., und ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Nossen-Moldau, Dresden-Chemnitz und F.-Halsbrücke.

Wappen von Freiberg (Sachsen).
Wappen von Freiberg (Sachsen).

Die altertümliche, einst befestigte innere Stadt bildet jetzt ein Ganzes mit den namentlich beim Bahnhof stark anwachsenden Vorstädten, denen sich die Ortschaften Freibergsdorf (s.d.) und Friedeburg eng anschließen. Von den ehemaligen fünf Toren ist nur der gewaltige, runde Donatsturm am Abstieg in die Sächsstadt, das älteste Stadtviertel, stehen geblieben; auch hat sich noch ein Teil der Ringmauern mit ihren Türmen und tiefem Graben erhalten. F. hat 5 evangelische und 1 kath. Kirche. Unter den erstern zeichnet sich besonders der nach dem Brande von 1484 in spätgotischem Stil neuerbaute, 1893 renovierte Dom aus, der teilweise noch von Kreuzgängen umgeben ist. Ein Überrest des ursprünglichen Baues (der ehemaligen Marienkirche) ist die sogen. Goldene Pforte, ein unvergleichlich schönes und großartiges Denkmal frühgotischer Kunst, 1903 mit einem in gleichem Stile gehaltenen Schutzvorbau versehen (s. Tafel »Bildhauerkunst VII«, Fig. 7; vgl. Puttrich, Die goldene Pforte der Domkirche zu F., Leipz. 1836; Peine, Die goldene Pforte in F., Freib. 1897). An den Dom schließt sich die 1594 im italienischen Renaissancestil ausgebaute, 1885 restaurierte kurfürstliche Begräbniskapelle, die Ruhestätte aller protestantischen Fürsten der Albertinischen Linie von Heinrich dem Frommen (gest. 1541) bis auf Johann Georg IV. (gest. 1694) mit z. T. schönen Grabmälern. Im Innern des Domes verdienen noch Beachtung die frei stehende steinerne Kanzel von der Form einer Tulpe, ein neues Altarrelief, das Abendmahl Christi darstellend, und die große Orgel, ein Werk Silbermanns. Bemerkenswert ist auch die Peterskirche, auf dem höchsten Punkte der Stadt, mit drei Türmen, deren höchster, 72 m hoch, das Bergglöckchen trägt. Zu den ältesten weltlichen Bauten gehören das 1572 vom Kurfürsten August neugebaute, 1804 in ein Militärmagazin umgewandelte Schloß Freudenstein, das 1410 begründete Rathaus und das 1545 erbaute Kaufhaus. Auf dem Obermarkt bezeichnet ein durch ein eingehauenes Kreuz kenntlicher Stein die Stelle, wo 1455 der Prinzenräuber Kunz von Kaufungen hingerichtet wurde. In einem um 1490 errichteten altertümlichen Gebäude mit hohem Ziergiebel am Untermarkt befand sich bis 1875 das Gymnasium, jetzt ist es als König Albert-Museum eingerichtet. Von öffentlichen Denkmälern sind zu nennen: das Bismarckdenkmal vor dem Erbischen Tor, das Bergrat Wernerdenkmal und das Kriegerdenkmal vor dem Kreuztor, das Brunnendenkmal des Markgrafen Otto des Reichen auf dem Obermarkt und die Bismarcksäule am Ausgang des Forstwegs. Das Schwedendenkmal vor dem Peterstor erinnert an die heldenmütige Verteidigung der Stadt gegen Torstensson (1643).

Die Bevölkerung von F. beträgt (1900) mit der Garnison (1 Jägerbataillon Nr. 12) 30,175 Einw., darunter 1165 Katholiken und 83 Juden. Den Haupterwerbszweig bildet das Berg- und Hüttenwesen. Der Freiberger Bergbau besteht schon seit dem 12. Jahrh. und hat in dem Zeitraum 1524–1850: 2 Mill. kg Silber geliefert. 1884 zählte man noch 60 Gruben, die sich im Besitz des Staates, von Gewerkschaften oder Privaten befanden, bis 1902 ist aber ihre Zahl wegen des fortwährenden Sinkens der Metallpreise auf etwa 30 zurückgegangen. 1886 gingen die größern Gruben an den Staat über. Die wichtigsten sind »Himmelfahrt« und »Himmelsfürst«, 1902 mit zusammen 2300 Bergleuten und einer Jahresproduktion von 12,000 kg Silber und 17,000 dz Blei. Die Lage der Hauptgruben, auf dem Plateau zwischen dem Tal der Freiberger Mulde und dem der Striegis (s. Karte »Nutzbare Mineralien in Deutschland«, Bd. 4, S. 764), hat ein besonderes Wasserzuführungssystem zur Beaufschlagung der erforderlichen Treibwerke nötig gemacht, das seit dem 16. Jahrh. besteht und in großen Sammelteichen und weitverzweigten Kanälen bis zur böhmischen Grenze erhalten wird. Die unterirdischen Wasser finden ihren Abfluß durch verschiedene, wohl 100 km lange Revierstollen, deren großartigster und tiefster der mit einem Kostenaufwand von 12 Mill. Mk. 1844–77 hergestellte, nach dem Triebischtal führende Rothschönberger Stollen ist. Die Verhüttung der durch den Bergbau gewonnenen Erze erfolgt in den fiskalischen Muldener und Halsbrückener Schmelzhütten (s. Halsbrücke) bei F., in denen auch amerikanische und australische Erze verhüttet werden. Die Gesamtproduktion der genannten Hütten betrug 1902: 947 kg Gold, 91,716 kg Silber (im Wert von 9,2 Mill. Mk.), ferner Wismut, Nickel, Zink, Arsenik, Schwefelsäure, Kupfervitriol etc. mit einem Gesamtwert von 2 Mill. Mk. Auf der Muldener Hütte befindet sich auch die königliche Münze, die 1887 von Dresden hierher verlegt wurde, und ein zur Abführung der Gase dienender Schornstein von 140 m Höhe, der höchste der Erde. Andre Industriezweige sind: Gold- und Silberspinnerei, Drahtflechterei, Eisengießerei, Maschinenbau, Fabrikation von Zigarren, Schrot, Pulver, Chemikalien, Pianofortes, mathematischen Instrumenten, Lederwaren, Düngmitteln, Wollwaren, Damenmänteln, Treibriemen, Zinn-, Blei-, Zement-, Schuh- und Korbwaren, Flachsspinnerei, Gerberei, Brauerei u. a. F. besitzt elektrische Straßenbahnen von 3,7 km Länge; Wasserleitung und Kanalisation sind in Ausführung begriffen. Unter den Bildungsanstalten Freibergs nimmt die am 13. Nov. 1765 errichtete Bergakademie (1903 mit 21 Dozenten und 420 Studierenden) den ersten Rang ein. Sie besitzt mineralogische, geognostische und petrefaktologische Sammlungen, eine ausgezeichnete[54] Sammlung von Modellen aller Art sowie von geodätischen und markscheiderischen Instrumenten, ein Laboratorium, eine Bibliothek von ca. 50,000 Bänden etc. Außerdem bestehen daselbst eine Bergschule, ein Gymnasium, Realgymnasium, eine Handelsschule, eine Bauschule, eine landwirtschaftliche Schule, Gerberschule und die Deutsche Versuchsanstalt für Lederindustrie. Zahlreich sind die Wohltätigkeitsanstalten, darunter das »milde Hospital St. Johannis« (1224 bestätigt, mit einem Vermögen von 21/4 Mill. Mk.). F. ist Sitz eines Bergamtes (Zentralbehörde Sachsens), einer Oberdirektion der königlichen Erzbergwerke, eines Oberhüttenamtes, einer Amtshauptmannschaft, eines Landgerichts, eines Hauptsteueramtes und einer Reichsbanknebenstelle. Der Stadtrat besteht aus 13, das Kollegium der Stadtverordneten aus 30 Mitgliedern. Zum Landgerichtsbezirk F. gehören die 15 Amtsgerichte zu Brand, Dippoldiswalde, Döbeln, Frauenstein, F., Hainichen, Lengefeld, Marienberg, Nossen, Öderan, Olbernhau, Roßwein, Sayda, Tharandt und Zöblitz.

Seinen Ursprung verdankt F. der Entdeckung seiner Silbererzlagerstätten (um 1163); um das Jahr 1175 durch Markgraf Otto (den Reichen) von Meißen erbaut, erhielt es seinen Namen, der zuerst 1221 erscheint, von seinen wichtigen Bergbaufreiheiten. Heinrich der Erlauchte gründete um 1250 eine Münze, die bis 1556 bestand, und den 1856 aufgehobenen Bergschöppenstuhl. Die namhaftesten Privilegien erhielt die Stadt durch ihn und durch Friedrich den Freidigen (1294), der auch ein Bergrecht festsetzte. Bei den vielfachen Landesteilungen, die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. in dem Haus Wettin vorfielen, blieb F. samt den Bergwerken stets Gemeingut. Der deutsche König Adolf eroberte 1296 die Stadt nach langer Belagerung, Friedrich der Freidige nahm sie 1307 wieder ein. Durch die Teilung von 1485 kam F. (die Bergwerke jedoch erst 1547) für immer in den Besitz der Albertinischen Linie. Heinrich der Fromme, der in F. residierte, führte hier 1536 die Reformation ein. Im Dreißigjährigen Kriege wurde die Stadt 1632 von den Kaiserlichen eingenommen, 1639 und 1643 aber von den Schweden vergeblich belagert. Auch der Siebenjährige Krieg (Schlachten vom 14. und 29. Okt. 1762) nahm F. hart mit, nicht minder die Zeit der Napoleonischen Herrschaft, in der von 1806 bis August 1814 an 700,000 Mann fremder Truppen nebst 200,000 Pferden in F. verpflegt werden mußten. Vgl. Gerlach, Kleine Chronik von F. (2. Aufl., Freib. 1898); »Urkundenbuch der Stadt F.« (hrsg. von Ermisch im »Codex diplomaticus Saxoniae regiae«, Leipz. 1883–91, 3 Bde.); Ermisch, Das Freiberger Stadtrecht (das. 1889); »Freibergs Berg- und Hüttenwesen« (hrsg. vom Bergmännischen Verein, Freib. 1883); Heydenreich, Geschichte und Poesie des Freiberger Berg- und Hüttenwesens (das. 1892); Ledebur, Über die Bedeutung der Freiberger Bergakademie (das. 1903); H. Müller, Die Erzgänge des Freiberger Bergreviers (Leipz. 1901); »Die königl. sächsische Bergakademie zu F.« (hrsg. von der Bergakademie, Freib. 1904); Steche, Bau- und Kunstdenkmäler der Amtshauptmannschaft F. (Dresd. 1884).

2) (tschech. Přibor) Stadt in Mähren, Bezirksh. Neutitschein, an der Lubina und der Standing-Stramberger Lokalbahn, hat ein Bezirksgericht, eine gotische Dekanatskirche, eine Lehrerbildungsanstalt, eine Landesoberrealschule, Fabrikation von Tuch, Hüten und Strickwaren, Bierbrauerei und (1900) 4056 (als Gemeinde 5007) tschech. Einwohner. 5 km östlich liegt der Marktflecken Hochwald mit Burgruine, Wallfahrtskapelle, Tiergarten, Bierbrauerei und (1900) 625 Einw.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 54-55.
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