Cardināl

[688] Cardināl (v. lat.), 1) ursprünglich jeder Bischof, Priester u. Diakon, welcher einer Kirche wirklich einverleibt war, zum Unterschied von solchen, die sich nur vorübergehend dabei aufhielten. Es kamen daher in allen Gegenden C-e vor, u. einige Pfarrer in Frankreich nannten sich bis ins 11. Jahrh. Cardinalpfarrer. In diesem Verhältniß zu Kirchen in Rom standen die dasigen Priester u. Diakonen, die von Alters her das Presbyterium od. mitberathende Kirchencollegium des Römischen Bischofs bildeten, zu dem seit dem 9. Jahrh. auch die Suffragan- u. Collateral-Bischöfe des Papstes gerechnet wurden. Als Räthe, Gesandte u. Stellvertreter des Papstes mit ihm im Ansehen steigend, kamen sie in Besitz der höchsten Kirchenwürden nach der päpstlichen, nachdem Nicolaus II. 1059 ihnen das ausschließliche Recht verliehen hatte, den Papst zu wählen, u. Pius V. behielt ihnen 1557 ausdrücklich diesen Titel vor, so daß ihn sonst Niemand führen darf. Ihre Zahl war bis in das 16. Jahrh. unbestimmt, zuweilen 50, zur Zeit der Wahl Nicolaus III. (1277) nur 7. Obgleich die Concilien zu Kostnitz u. Basel sie auf 24 beschrankten, banden sich doch spätere Päpste nicht daran, u. Pius V. setzte fest, daß nie mehr als 70 C. (die Zahl der Jünger Jesu) sein sollten, nämlich 6 Cardinalbischöfe: von Ostia, Porto, Albano, Frascati, Sabina u. Palestrina; 50 Cardinalpriester, die ihren Titel von den Pfarr- u. Stiftskirchen, u. 14 Cardinaldiakonen, welche denselben von den Kapellen in Rom haben. Sie sind Ehrenbesitzer ihrer Kirchen, in deren Bezirk sie bischöfliche Gerichtsbarkeit ausüben, den Kirchendienst aber durch Priester versehen lassen. Das Collegium der in Rom anwesenden C. (Cardinalcollegium) ist der oberste Staats- u. Kirchenrath des Papstes, den er zu Consistorien zusammenruft (s. Consistorium), wobei sie berathende u. entscheidende Stimme haben. Aus ihnen wählt der Papst seine obersten Hof- u. Kirchenbeamten, die Präsidenten u. Beisitzer der höchsten Behörden zu Rom, seine Statthalter in den Provinzen des Kirchenstaates u. Legaten an fremde Nationen u. bildet aus ihnen gewisse stehende od. vorübergehende Ausschüsse, Congregationescardinales (s.d.). Auch übernahmen sie die Protection katholischer Reiche u. geistlicher Orden am päpstlichen Hofe (Cardinalprotector), Ganz unabhängig ist ihr Recht, aus ihrer Mitte den Papst zu wählen (s. ob. u. unt. Papstwahl), u. ihr fürstlicher Rang, der sie über alle andere Kirchenprälaten stellt. Äußere Zeichen der C-e sind: der rothe Cardinalhut, aus Seide od. von Biberhaaren, mit 15 rothseidenen Quasten u. Schnuren behängt, mit breiten Krempen, u. das rothe Baret; der rothe Priesterrock mit Mäntelchen, bei Trauer, im Advent u. in den Fasten violett. Beim Gottesdienst folgt ihnen ein Schleppträger (Caudatorio); Ordensgeistliche behalten als C. die Farbe ihrer Orden bei; der weiße Zelter mit rother Decke u. goldenen Zügeln, der Titel Eminenz erst durch Urban VIII. 1630. Ihre besten Einkünfte beziehen sie, außer dem regelmäßigen Gehalte von 4500 Scudi, von Nebenämtern u. Pfründen. Der älteste Cardinalbischof heißt Cardinaldechant, hat aber, wie die ältesten der beiden anderen Cardinalstände, nur Ehrenvorzüge; der Cardinalcamerlengo, führt die Aufsicht über die päpstliche Kammer u. die Einkünfte des Papstes, bewohnt zur Sedisvacanzzeit das päpstliche Zimmer, wird dann auf der Gasse durch die Schweizergarde begleitet u. macht die Anstalten zum Conclave; Cardinalstaatssecretär, ist der Ministerpräsident im Kirchenstaat (s.d.); der Cardinalvicarius ist der Stellvertreter des Papstes hinsichtlich des Bisthums Rom, welches die Stadt mit ansehnlichem Gebiet enthält; Cardinalvicekanzler ist Vorgesetzter der römischen Kanzlei u. hat höheren Rang als die anderen C-e. Die Wahl (Promotio) der C., bei der sie früher selbst eine Stimme hatten, geschieht jetzt allein durch den Papst, welcher dabei die Wünsche auswärtiger Fürsten berücksichtigt, doch sind es meist Italiener. Die Promotion geschieht bei einem geheimen Consistorium; mit den Worten: Habetis fratres! legt der Papst die Liste der neuen C. auf den Tisch, u. der Cardinalcamerlengo liest sie ab. Gewöhnlich werden sie nach geendigter Sitzung ins Consistorium gernen, ihnen das rothe Baret mit den Worten: Esto cardinalis! aufgesetzt, sie an ihre Pflichten erinnert u. zum Fußkuß gelassen. Sind die Ernannten abwesend, so werden sie später zur Tafel geladen, vorher mit der Cardinalstonsur (4 Daumen breit) u. dem violetten Kleide versehen, erhalten bei der Audienz den Zuruf: Esto cardinalis! u. thun den Fußkuß. Beim ersten Eintritt ins Consistorium fallen sie 3mal vor dem Papste nieder, werden zum Fuß-, Hand- u. Mundkuß gelassen, darauf wird das Te Deum gesungen u. in die päpstliche Kapelle gezogen, wo sich der neue C., nachdem ihm die Capuze auf den Kopf gesetzt worden ist, platt auf die Erde legt; nach einigen Gebeten steht er wieder auf, die Capuze wird ihm wieder abgenommen u. die Bulle, welche den Cardinalseid (dem Papste treu zu sein, seine Würde aufrecht zu erhalten u. dergl. m.) enthält, übergeben. Im nächsten Consistorium wird ihm erst der Mund verschlossen (das Mitstimmen verboten), im 3. darauf wieder geöffnet, ihm nun der Titel von einer Kirche gegeben u. ein Ring an den 4. Finger gesteckt, wofür er 500 Ducaten bezahlen muß. Seit 1856 ist durch Decret der kirchlichen Congregation ein genaues Ritual bei Creirung von C-n eingeführt. Außer den gewöhnlichen C-n gibt es auch sogen. Kroncardinäle, welche von Regenten zu der Würde eines C. erhoben, vom Papst in derselben bestätigt worden sind, um bei besondern Gelegenheiten u. Feierlichkeiten, z.B. bei einer Papstwahl, den Monarchen zu repräsentiren. Der Kroncardinal kann nur von einen römisch-katholischen Herrscher ernannt werden u. hat keine besonderen Vorrechte von den übrigen C-n. Der Aufenthalt eines C-s am Orte einer Criminalexecution gilt in katholischen Staaten als Milderungsgrund (s.u. Strafänderung). Die Würde eines T-s heiß Cardinalat, Buddeus, De origine Cardinalium, dena 1639; 2) im oströmischen Reiche unter Theodoricus der Titel aller hohen Staatsbeamten.[688]

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 688-689.
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