Neu-Fundland

[815] Neu-Fundland (engl. New Foundland [spr. Njuh-Faundind], franz. Terre neuve [spr. Terr nöwf], d.i. neuentdecktes Land), 1) Gouvernement (Provinz) im Britischen Nord-Amerika; begreift a) die Insel N.; b) die Insel Anticosti; c) die Halbinsel Labrador, da diese wenigstens in Beziehung auf Criminaljustiz unter dem Gouvernement von N.-F. steht. An der Spitze der Verwaltung steht ein Gouverneur (Vice-Admiral and Commander-in-Chief of Newfoundland and the Labrador shore), welcher auch zugleich den Oberbefehl über die Landmacht führt; ihm zur Seite ein Council, welches die Functionen eines administrativen u. legislativen Raths in sich vereinigt. Das House of Assembly besteht aus 15 Abgeordneten u. versammelt sich alle vier Jahre. 2) Hauptinsel dieses Gouvernements; liegt an der Süd-Ost-Küste von Labrador (von diesem durch die Straße von Belle-Isle getrennt), im Westen vom Lorenzbusen, im Süd, Ost u. Nord vom Atlantischen Ocean umgeben; Flächenraum 14,000 geogr. QM.; Vorgebirge: Cap Ray, Point enragée, Cap la Hune, Bonavista, St. John, Padridge, Normand, St. Georges, Anguille; im Süden die nur durch eine schmale Landzunge mit der Hauptinsel zusammenhängende Halbinsel Avalon; Baien: Placentia, Trinity, Concepcion, St. Mary, Fortune, Georg, Blanche, Pistolet, Aquaforte (Varsvater), Bonavista. Östlich vor der Insel liegen die großen Sandbänke von N.-F. (16 Grade lang u. 10 breit), der Fischerei wegen von Wichtigkeit, als die Außen- od. Falsche Bank, die große (180 Seemeilen lang, 60 breit, auf ihr die Inselgruppe Bacalao), die Wallfisch-, die Grüne (Green-), die Jaquesbank, die Bank Banquereau, die Porpoise- u. Petersbank, vor welcher die Inseln Klein- u. Groß-Miguelon u. St. Pierre, südlich der Hauptinsel noch die Inselgruppe Burgeo liegen. Das Innere der Insel bildet eine reich bewässerte, gebirgige (doch ohne bedeutende Einzelerhöhungen) Wildniß, mit vielen größeren u. kleineren Seen, die durch Kanäle u. Katarakte mit einander in Verbindung stehen. Die bedeutendsten Flüsse sind: Humber, Georg u. Gander. Das Klima ist, für die nördliche Breite der Insel, milder als im übrigen Amerika, doch gibt es harte Winter (von Mitte November bis Ende April), wiewohl auch heiße Sommer (Juli u. August), viele nebelige Tage u. bisweilen furchtbare Stürme. Producte: Hafer, Gerste, Kartoffeln u. mehre Gartenfrüchte, Kirschen u. Pflaumen; Beeren u. Gras reichlich, doch Alles schnell vorübergehend; die Wälder sind Fichten, Lärchen u. Birken, doch meist nur Zwergholz, das Bauholz wird größtentheils zugeführt. Von Mineralien sind Steinkohlen sehr häufig; von Thieren gibt es Rindvieh (halb wild, Sommers im Freien, Winters in Ställen), Schweine (mit Fischen gemästet), Hunde von bes. Art (Neufundländer [s. Hund 2) M], wild den Schafheerden gefährlich), Hirschwild, amerikanische Rennthiere (Caribou), Bären, Füchse, Marder, Biber, Fischottern, Seehunde, Geflügel (Eidergänse, Schnepfen, Raubvögel); die Fischerei wird stark betrieben, bes. auf Kabeljau, weshalb auch N.-F., als der wichtigste Punkt dieses Fangs, sehr häufig von den Europäern besucht wird, ja derselbe wurde mehrmals der Gegenstand besonderer Verträge (s. unt.). Die ansässige Bevölkerung beträgt ungefähr 100,000 Ew., welche zerstreut an den Küsten wohnen u. nirgend tiefer landeinwärts gedrungen sind, theils französischen (auf der West- u. Südküste), theils britischen Ursprungs (bes. auf der Ostküste). Die[815] Urbewohner der Insel gehörten den sogenannten Rothen Indianern an u. sind fast gänzlich ausgerottet, während später Indianer vom Algonkinenstamme der Mickmacks eingewandert sind; sie kleiden sich in Thierfelle, bemalen das Gesicht mit Ocher u. sind gegen die Europäer sehr mißtrauisch. Religion der Europäer zum größern Theil katholisch (seit 1806 mit eigenem Bischof zu St. Johns), zum geringern Theil protestantisch (Presbyterianer, Anglicaner, Reformirte, Methodisten). Beschäftigung: Ackerbau u. bes. Fischfang u. Trocknen der Kabeljaue. Eintheilung in 9 Districte: Saint Johns, Conception Bay, Trinity Bay, Bonavista Bay, Twillingale- u. Fogo-District, Ferryland, Placentia- u. St. Mary's-District, Burin, Fortunebay, Hauptstadt der Insel u. des Gouvernements, Sitz der Regierung u. Hauptstapelplatz: Saint Johns.

Neu-Fundland war wahrscheinlich schon im 11. Jahrh. den Normännern bekannt. 1407 wurde N.-F. von John u. Sebastian Cabot gesehen, Prima vista genannt u. für England in Besitz genommen; 1501 besuchten es die Portugiesen unter Cortereal u. 1531 der Franzos Cortier; 1536 mißlang die Gründung einer Colonie der Briten, 1583 nahmen es die Engländer wieder in Besitz u. legten 1609 eine Colonie an. 1623 erhielt George Calvert die Halbinsel Avalon in Lehn, 1696 zerstörten die Franzosen die Niederlassung St. Johns. 1713 bekamen die Engländer die ganze Insel, u. den Franzosen wurde der Fischfang nur vom Cap Ray bis Cap Bonavista, 1783 aber auf der Nord- u. Westseite bis zum Cap John gestattet. Nachdem N.-F. lange Zeit durch Marine-Commandeure regiert worden war, welche die Sommermonate über auf den Fischerstationen kreuzten u. den Winter in England zubrachten, erhielt es 1832 eine Repräsentativverfassung mit fast allgemeinem Stimmrecht, welches jedoch, da es sich verderblich für die Colonie zeigte, sehr bald, eben so wie die Befugnisse der legislativen Versammlung selbst, bedeutend beschränkt wurde. Da zwischen Franzosen u. Engländern über die Fischerei von N.-F. häufig Streitigkeiten vorgefallen waren, so schlossen am 14. Jan. 1857 die beiderseitigen Regierungen einen darauf bezüglichen Vertrag ab, der jedoch nicht zur Ausführung kam, da die dortige Colonie dagegen reclamirte. Vgl. Chappel, Reise nach N.-F., aus dem Engl., Jena 1819; Ansbach, Geschichte u. Beschreibung von N.-F., Weimar 1822; Bonnycastle, New Foundland in 1842, Lond. 1842.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 815-816.
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