[479] Presbyterianer, gemeinsamer Name der reformirten Partei im Britischen Reiche u. in Nordamerika, welche im Gegensatz zu der Episkopalverfassung alle ihre kirchlichen Angelegenheiten durch Presbyterien (s. Presbyter) leiten läßt, alle Diener der Kirche für gleich erklärt u. im Cultus die größte Einfachheit nach dem Muster der ältesten Apostolischen Kirche wieder eingeführt hat. Die Geschichte der P. fällt fast mit der der Nonconformisten u. Puritaner zusammen. Das Episkopalsystem, welches in England beim Beginn der Reformation begründet u. unter Elisabeth festgestellt wurde, fand seine Gegner bes. unter den Theologen, welche sich vor dem Beginn der reformatorischen Bewegungen vor den Verfolgungen Heinrichs VIII. u. der katholischen Maria nach Deutschland u. der Schweiz geflüchtet u. hier die Grundsätze des strengen Calvinismus, so wie die Kirchenverfassung mit Presbyterien kennen gelernt u. lieb gewonnen hatten, weshalb sie nach ihrer Rückkehr unter Elisabeth die bischöfliche Würde für eine hierarchische Anmaßung der Geistlichen erklärten u. die Einführung der schweizerischen Kirchenverfassung, wie dies schon durch Knox in Schottland geschehen war, sowie Unabhängigkeit der Kirche vom Staate u. eine strengere Kirchenzucht erlangten u. überhaupt auf Reinigung des Cultus von allem Prunk u. den späteren Zuthaten drangen, woher sie den Namen Puritaner erhielten. Elisabeth widersetzte sich ihnen u. gab 1562 die Uniformitätsacte, ein Gesetz der kirchlichen Gleichförmigkeit, wodurch Bekenntniß u. Unterschrift der 39 Artikel u. Theilnahme an den bisherigen kirchlichen Gebräuchen befohlen wurde. Diejenigen, welche sich dem fügten, wurden Conformisten, die Widerstrebenden Nonconformisten, später Dissenters genannt, welche mit Geld u. Gefängniß bestraft, ihrer Ämter entsetzt u. vielfach verfolgt, die Geistlichen sogar des Landes verwiesen wurden. Dessen ungeachtet fuhren sie fort zu lehren u. zu predigen, auch wider ihre Gegner zu schreiben, bis ihnen 1566 die Presse verboten wurde. Nun bildete sich eine eigene Presbyterialverfassung u. eine förmliche Trennung innerhalb der Reformirten Kirche Englands, bes. durch Thomas Cartwright, welcher aus seiner Verbannung auf Th. Bezas Empfehlung an die Königin hatte zurückkehren dürfen. Ein Prediger Field zu Wandsworth bei London errichtete 1572 daselbst die erste presbyterianische Kirchengemeinschaft mit 11 Presbytern an der Spitze, deren Pflichten unter dem Titel »Verordnungen von Wandsworth« aufgezeichnet wurden. Bald entstanden nun in allen Theilen Englands Presbyterien, u. unter Elisabeth gab es schon 100,000 Anhänger derselben, welche nun den Namen P. erhielten u. ihre Grundsätze immer weiter ausbildeten. Ihre eigenthümlichen Ansichten, welche sich fast blos auf die äußere Kirchenverfassung bezogen, während sie den reformirten Lehrbegriff, bes. die calvinische Prädestinationslehre, streng festhielten, bestanden namentlich in Folgendem: sie verwarfen die bischöfliche Kirchenverfassung als nicht nach göttlichem Recht bestehend wie die Episkopalen zugleich mit einer ununterbrochenen Succession der Bischöfe von der Zeit der Apostel an behaupteten; sie erklärten alle Diener der Kirche für völlig gleich; sie wollten die Kirche aus der engen Verbindung mit dem Staate herausreißen u. forderten, daß jede einzelne Kirchengemeinschaft durch Presbyterien, die ganze Kirche durch die Beschlüsse der aus denselben gebildeten Synoden, welche von der Obrigkeit zu bestätigen seien, geleitet werde; sie verwarfen als spätere papistische Zuthaten alle priesterliche Kleidung, das Zeichen des Kreuzes, das Neigen des Hauptes beim Namen Jesu, das Knien beim Abendmahl, die Taufpathen, die Confirmation, die Gebete nach Formularen, die bestimmten Perikopen, die Glocken, Orgeln, Altäre, selbst die kirchlichen Feste u. Festzeiten, während sie den Sonntag mit sabbathlicher Strenge feierten. Einige gingen noch weiter u. wollten auch keine Kirchenverfassung, d.h. Presbyterien, sondern für jede besondere Gemeinde eine selbständige Regierung durch allgemeine Versammlungen, also völlige Unabhängigkeit, u. bildeten eine besondere Partei, die Brownisten, später Congregationalisten od. Independenten (s.d.), schon seit 1560. Bei dem schroffen Gegensatz gegen die herrschende Kirche wurden die Verordnungen auf das Strengste gegen sie vollzogen, u. als sie dadurch erbittert 1580 Satyren gegen die Königin u. deren bischöfliche Regierung drucken ließen, wurden Einige hingerichtet u. Alle, welche 1 Monat lang die bischöfliche Kirche nicht besuchten, vom Parlament mit 20 Pfund Sterling Strafe belegt, 1592 sogar die Versäumung des Cultus mit Gefängniß u. Landesverweisung bestraft, außerdem wurden viele heimliche presbyterianische Geistliche abgesetzt. Nachdem sie in den letzten Regierungsjahren der Elisabeth etwas Ruhe gehabt hatten, wurden sie unter Jakob I. wieder mehr gedrückt, weil er ihr Unabhängigkeitsgefühl für politisch gefährlich hielt. Der Vereinigungsversuch mit den Episkopalen zu Hamptoncours 1604 war vergebens, u. das Gespräch betraf nur das Kreuzmachen bei der Taufe, die Trauringe u. die Chorröcke. Da die P. nicht Alles aufgeben wollten, gebot ihnen Jakob I. Stillschweigen u. Befolgung der bischöflichen Liturgie. Eine kurze Zeit seit 1610 durch Bancroft, Erzbischof von Canterbury, begünstigt, wurden sie seit 1625 unter Karl I. um so härter gedrückt. Da dieser auf den Rath des Erzbischofs William Land, welcher an die Stelle des abgesetzten Bancroft trat, den Cultus noch reicher an Ceremonien machte, die P. durch die 1633 gegebene Erlaubniß von Lustbarkeiten am Sonntag verhöhnte, sie überall verfolgte u. den Schotten sogar Bischöfe aufdrängte, so entstanden ernstliche bürgerliche Unruhen. Die schottischen P. schlossen 1637[479] ein Bündniß, Covenant, daher Covenanter genannt, um sich der bischöflichen Verfassung u. der englischen Liturgie zu erwehren; die Engländer fürchteten Wiedereinführung des Katholicismus u. schrieben die Ermordung der Protestanten in Irland, das Leische Blutbad 1641, dem König zu, standen nach langen Streitigkeiten ihres größtentheils presbyterianischen Parlaments förmlich im Bürgerkriege gegen den König auf, welchen sie endlich gefangen nahmen u. enthaupteten, schafften die bischöfliche Liturgie u. Kirchenverfassung 1645 ganz ab u. führten die presbyterianische ein, s. England (Gesch.) XI. Dies dauerte indeß nur bis zum Tode des Protectors Cromwell; Karl II. stellte sogleich die bischöfliche Verfassung, selbst in Schottland, wieder her, erließ 1662 eine neue harte Uniformitätsacte, wodurch 2000 nonconformistische Prediger an Einem Tage, 24. Aug., ihr Amt verloren, gab zwar 1672 ein Toleranzedict, welches aber wenig wirkte, zumal durch die Testacte des Parlaments 1673 jeder von einem öffentlichen Amte ausgeschlossen wurde, welcher nicht den König als obersten Regenten eidlich anerkannt u. das Abendmahl in der Bischöflichen Kirche genossen hatte. Tausende von P-n, überhaupt Dissenters, starben unter seiner Regierung im Gefängniß, sehr Viele flohen nach Amerika u. gründeten hier eine große Anzahl von presbyterianischen Kirchengemeinden, haben sich aber auch in mehre Secten gespalten, so die P. der alten Schule, die P. der neuen Schule, die vereinigten P., die Cumberlandschen P., s. u. Nordamerikanische Freistaaten S. 42. In England erlangten die P. endlich unter Wilhelm III. durch die Toleranzacte von 1689 mit allen Dissenters Duldung u. Anerkennung, indem alle gegen sie erlassenen Gesetze aufgehoben, die freie Übung des Gottesdienstes in Kapellen erlaubt u. nur die Fortentrichtung des Zehents an die Staatskirche verlangt wurde. Ja in der neuesten Zeit sind ihre Freiheiten namentlich durch Aufhebung der Testacte (1828) u. durch die Gültigkeit ihrer Taufen u. Trauungen noch vermehrt worden, sie selbst haben viel von ihrer früheren Strenge nachgelassen u. sind größtentheils mehr arminianisch, fast socinianisch, als calvinisch gesinnt. Die Befreiung von Abgaben an die Staatskirche konnten sie jedoch nicht erlangen. Über die P. in Schottland, ihre Stellung u. über ihre neuere Spaltung s. u. Schottische Kirche. Vgl. Bradshaw, The english Puritan, Lond. 1605; Dan. Neal, ebd. 1777, 4 Bde., 2. Aufl. 1795, 5 Bde.; Die Puritaner od. Westminsterconfession vom Jahre 1648, lat. herausgeg. von Niemeyer, Lpz. 1840; Marsden, Hist. of the early P., Lond. 1850.
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