1. Alles soll man dem Nächsten wünschen, sagt der Jude, nur keinen bösen Nachbar. – Hoefer, 492.
2. Am Nâisten san a êrgsten. (Amrum.) – Haupt, VIII, 364, 217.
3. De Nêgsten, de Weh'sten.
4. Den Nächsten im Grade, den Aeltesten auf der Strasse, die Männer vor den Frauen sieht man holländische Lehen behalten. (S. ⇒ Grad 3 und ⇒ Leib 21.) – Graf, 559, 67.
In Holland: De Näst in graed, de autst op straet, de Mann's vor Frouwen siet man een Hollands leen behauwen. (Pistor., V, 62.)
[840] 5. Der der Nächste ist, bleibt bei dem Gut. – Graf, 200, 118.
Im lübeckschen Recht: De de negeste is blifft bi dem gude. (Hach, 319.)
6. Der Nächste am (im) Blut, der Nächste am (im) Gut. – Hillebrand, 145, 203; Körte, 4407; Pistor., I, 84; Graf, 200, 112; Braun, I, 2872.
Das Sprichwort kommt in verschiedenen Formen vor. (S. Blut ⇒ 41 u. ⇒ 53.)
7. Der Nächste beim Feuer wärmt sich. – Simrock, 9273a.
8. Der Nächste, der Beste. – Chaos, 1014.
9. Der Nächste nimmt das Erbe. – Graf, 199, 103.
Der Gang des Erbes nach dem deutschen Recht folgt im allgemeinen zwar dem Strome des Bluts in die Zukunft, aber innerhalb der langen Reihe von Nachkommen entscheidet für das Recht, das Erbe zu nehmen, die Gradesnähe, worauf sich das obige Sprichwort bezieht, das nach den Goslarer Statuten lautet: dy neyste nimt dat erve. (Göschen, I, 2, 1.)
10. Der Nächste nimmt das Gut. – Graf, 199, 104.
Fries.: De naste nemen dat guet. (Richthofen, 372.)
11. Der Nächste über dem Graben, der nimmt mit Näherkauf. – Graf, 104, 229.
In Ermangelung von Blutsverwandten und Freunden hatte der nächste Nachbar den Vorkauf eines liegenden Grundes. Bei Pufendorf (III, 146): De negeste oever der Sloet, so nemen de dat mit negerkoep.
12. Der Nächste zur Sippschaft, der Nächste zur Erbschaft. (S. ⇒ Sippe.) – Eisenhart, 282; Graf, 201, 125.
13. Die Nächsten gelten den Todten. – Graf, 221, 266.
Die nächsten Erben bezahlen, so weit das Erbe reicht, die Schulden für den Verstorbenen.
Altfries: De naesten gelten den doeden. (Richthofen, 371, 17.)
14. Die Nächsten treten einem die Schuhe aus. – Eiselein, 483; Simrock, 7272.
Lat.: Ad suum quemque quaestum aequum est esse callidum. – Prima persona incipit ab ego. (Eiselein, 483.)
15. Jeder is sick selwer de Nöcheste. (Waldeck.) – Curtze, 330, 194.
16. Jeder ist sich selbst der Nächste. (S. ⇒ Hand 3.) – Eiselein, 483; Simrock, 7271; Schamelius, 156, 9; Körte, 4405; Günther, 81; Hillmer, 449; Graf, 389, 546; Braun, I, 2871.
Als Herr von Pochhammer, der Apostel der Irvingianer am 12. Oct. 1856 seiner Gemeinde im Magdeburgischen das Abendmahl austheilte, spendete er dasselbe erst sich selber und dann – den Communicanten. (National-Zeitung, Berlin 1856, Nr. 489, Beil.) »Ich bin mir selbst der Nächste, so spricht der alte Kraft. Wie ist er zu beklagen, ob dieser Nachbarschaft.« (Vgl. Joh. Gotth. Rosa, Limites proverbii: Proximus sum egomet mihi. Vulgo: Ich bin mir selbst der Nächste, Jena 1717.)
Engl.: Charity begins at home. (Masson, 253.)
Frz.: Charité bien ordonnée commence par soi-même. (Marin, 16; Masson, 253; Lendroy, 322.)
It.: Fa prima bene ai tuoi ei poi agli altri se tu puoi. (Masson, 253.) – Più vicino è il dente che nessun parente.
Lat.: Caritas bene ordinata incipit a se ipsa. (Masson, 253.) – In eodem prato bos herbam quaerit, canis leporem, ciconia lacertum. (Seneca.) (Binder II, 1427.) – Omnes sibi melius esse malunt, quam alteri. – Proximus sum egomet mihi. (Terenz.) (Binder I, 1412; II, 2625; Faselius, 211; Froberg, 500; Philippi, II, 113; Schamelius, 156, 9; Schonheim, P, 21; Wiegand, 254.) – Suus sibi quisque haeres optimus. (Binder II, 3266; Schreger, 122.)
Schwed.: Hwar är sin egen weldewän. (Grubb, 346.) – Hwar och en är sig sjelf närmast. (Marin, 16.)
17. Leer auss deines nechsten brunst dein fewer trechen. – Franck, I, 65b.
Lat.: Bonum est fugienda aspicere in alieno. (Franck, I, 65b.)
18. Liebe deinen Nächsten, reiss aber den Zaun nicht nieder. – Körte, 4406.
19. Man muss seinen Nächsten lieben wie sich selbst, sagte Kunz, und küsste seines Nachbars Weib statt seines.
20. Man soll seinen Nächsten lieben wie sich selbst.
Vorausgesetzt dass man sich selber nicht zu schlecht liebt.
Lat.: Dilige vicinum, veluti te deligis ipsum. (Binder I, 334; II, 790.)
21. Wer seinem Nächsten wohlthut, ist Gottes Bote (Diener).
Holl.: Die zijne naasten weldoet, komt naast bij God. (Harrebomée, II, 114a.)
[841] 22. Wer sich seines Nächsten Unglück freuet, dessen Unglück blühet schon.
Böhm.: Klneš-li bližního, duši svou v základ dáváš. (Čelakovský, 16.)
*23. Den Nächsten mit der Zung zur Banke niederhauen. – Carminum, I, 182.
24. Man muss seinen Nächsten schmieden, so lange er warm ist.
25. Vor seinem Nächsten soll man sich hüten wie vor sich selbst.
26. Wer seinem Nächsten hilft, ohne sich selber zu schaden, treibt einen guten Wucher. – Wirth, II, 297.
27. Wer seinem Nächsten wohlthut, ist Gottes und der Menschen Freund und des Paradieses Nachbar. – Harssdörffer, 507.
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