Domäne

[95] Domäne (mittellat. Domanium, auch Demanium. v. lat. dominium, »Eigentum, Herrschaft, Herrengut«, Domanialgut, Kammergut), war ursprünglich allgemein das Herrengut im Gegensatze zu dem den Hintersassen zugewiesenen Gelände (daher heute noch in Schlesien das Rittergut im Gegensatze zum Rustikalbesitz, in Österreich große Grundbesitzungen als Privatdomänen im Gegensatze zu den Staatsdomänen); später war D. nur das fürstliche Kammer- und Krongut, heute ist sie meist insbes. das Staatsgut, im weitern Sinne alle Staatsgüter einschließlich derjenigen, die keine Erträge abwerfen (domaines publics), im engern Sinne nur die nutzbaren Staatsgüter (domaines privés), insbes. landwirtschaftlich benutztes Gelände und Forsten. Die Entstehung der D. ist meist verwischt; sie ragt vielfach in Zeiten zurück, in denen staats- und privatrechtliche Auffassungen miteinander verquickt waren. Schon im fränkischen Reich ist von königlichen Kammergütern (terrae dominicae, villae regiae, curtes fisci regii) und vom Camerarius als dem obersten, zur Verwaltung der königlichen Einkünfte bestellten Palastbeamten die Rede. Die Absonderung Deutschlands vom fränkischen Reich machte eine Teilung des Kammergutes, daher auch eine genaue Feststellung des Reichsgutes nötig. Das Reichsgut aber verminderte sich unter den Wahlkaisern durch Veräußerungen, Verpfändungen, Verschenkungen und gewaltsame Anmaßungen mit der Zeit derart, daß das Deutsche Reich bei seiner Auflösung gar keine Domänen mehr besaß. Dagegen hatten sich schon frühzeitig Landesdomänen mit der sich mehr entwickelnden Landeshoheit der Reichsfürsten gebildet, teils aus eignem Grundbesitz der fürstlichen Familien, teils aus den Reichsgütern, die mit den Reichsämtern verbunden waren und ins Eigentum der Fürsten übergingen, teils aus okkupiertem oder säkularisiertem oder durch Kauf, Tausch, Erbschaft etc. erworbenem Gut. Der Reichsabschied von 1512 gebraucht für diese Fürstengüter den Ausdruck Kammergut; erst im 18. Jahrh. wird Bona domanalia, Domanien, Domänen der herrschende Ausdruck hierfür. In der ältesten Zeit hatte dasselbe mehr den Charakter eines Privatgutes, über das der Fürst nach Belieben verfügte. Doch wurde schon frühzeitig die Befugnis der einseitigen Entäußerung bestritten, das Kammergut durch Hausgesetze und Verträge mit den Landständen für unveräußerlich erklärt, und es bildete sich der Grundsatz aus, daß sein Ertrag nicht allein zum Unterhalt des Hofes, sondern auch für allgemeine Staatszwecke verwendet werde. Die Goldene Bulle erklärte es als Zubehör zur Landeshoheit. Auch mehrere Reichsgesetze, so die Reichsabschiede zu Nürnberg von 1543 und 1557, legen den Reichsständen die Pflicht auf, aus ihren eignen Kammergütern zu den Reichslasten verhältnismäßig beizusteuern. Dem entsprach die Verpflichtung des Landes, subsidiär, d.h. soweit die Erträge des Kammergutes nach Abzug der Hofhaltungskosten nicht hinreichten, zur Bestreitung der Reichslasten, der Landesverwaltungskosten und zur Tilgung der im öffentlichen Interesse gemachten[95] Kammerschulden beizutragen. Die Verwaltung der fürstlichen Kammergüter stand in den meisten Ländern unter einem besondern landesherrlichen Kollegium, der fürstlichen Rent- oder Hofkammer.

Das heutige Recht der Domänen ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die Frage, ob sie Staatsgut oder Privateigentum des Landesherrn (Familieneigentum) seien, war nach Auflösung des Deutschen Reiches Gegenstand zahlreicher staatsrechtlicher Erörterungen geworden. Jedoch läßt sich diese Frage nicht allgemein gültig lösen, sondern nur für jedes einzelne Land mit Berücksichtigung seiner gesamten staatsrechtlichen Entwickelung. Wenn auch nach der Rheinbundsakte (Art. 27) den mediatisierten Fürsten ihre Domänen zum Eigentum überlassen worden sind, so haben doch die Domänen der jetzigen größern Staaten viel zu sehr einen öffentlich-rechtlichen Charakter gewonnen, sind auch viel zu wenig auf rein private Erwerbstitel zurückzuführen, als daß eine fürstliche Familie, wenn sie nicht mehr regiert, die Domänen als Privateigentum behalten könnte. In der Tat sind denn auch z. B. die Domänen (nicht das eigentliche Familieneigentum) Hannovers, Kurhessens, Nassaus etc. 1866 mit den preußischen Staatsgütern vereinigt worden. Insbesondere sind zu unterscheiden: 1) Die Schatullgüter, deren Erwerbstitel ein privatrechtlicher ist, und die als Privateigentum der fürstlichen Familie im allgemeinen den Bestimmungen des Privatrechts unterliegen, mit den Ausnahmen, daß sie meist jura fisci genießen und dem Staatseigentum, bez. dem Krongut einverleibt werden, wenn der Landesherr, der sie erwarb, nicht unter Lebenden oder von Todes wegen über sie verfügt hat etc. 2) Die Güter des fürstlichen Hauses (fürstliche Fideikommißgüter, Krongut), deren Ertrag ein vom übrigen Staatshaushalt unabhängiges Einkommen des fürstlichen Hauses bildet, über das der Landesherr frei verfügt, während die Güter selbst untrennbar mit der Krone verbunden sind oder ein Fideikommiß der Familie bilden. 3) Die eigentlichen Staatsgüter, die wirkliches Staatseigentum sind, und deren Ertrag und Verwaltung dem Staat, nicht der fürstlichen Familie zusteht. Sie sind der Kontrolle der Landstände unterstellt, deren Zustimmung zu allen Veräußerungen, Verpfändungen etc. nötig ist.

Neuere Gesetze haben teils das ganze Domänenvermögen für Staatsgut erklärt, teils der landesherrlichen Familie ein beschränktes Verwaltungsrecht vorbehalten, teils aber auch eine Teilung zwischen Staat und fürstlicher Familie vorgenommen. Wo die Domänen für Staatsgut erklärt sind, ist dem Landesherrn eine Zivilliste (s. d.) festgesetzt worden, die entweder in einer Geldsumme aus den gesamten Staatseinkünften oder durch Ausscheidung eines Teiles des Domaniums geleistet wird. In Preußen sind schon 1713, dann durch das allgemeine Landrecht, Teil II, Tit. 14, § 16, die Domänen ausdrücklich für Staatseigentum erklärt, das ohne Zustimmung der Landesvertretung nicht veräußerlich ist. Doch werden nach dem Gesetz vom 17. Jan. 1820 und nach Art. 59 der Verfassungsurkunde 21/2 Mill. Tlr. als Rente des »Kronfideikommißfonds« von dem Ertrag der Domänen und Forsten für den Hof ausgeschieden. Nicht zu den Staatsdomänen, sondern zum Privateigentum des königlichen Hauses gehören das königliche Hausfideikommiß und das königliche prinzliche Familienfideikommiß. In Bayern ist das Kammergut 1804 in Staatsgut umgewandelt worden, und ebenso wird in Sachsen nach der Verfassungsurkunde von 1831 das königliche Domänengut zum Staatsgut gerechnet, während die württembergische Verfassungsurkunde zwischen dem königlichen Kammergut, als einem von dem Königreich unzertrennlichen Staatsgut, und dem Hofdomänenkammergut, als dem Privateigentum der königlichen Familie, unterscheidet. Nach der badischen Verfassung dagegen sind die Domänen Patrimonialeigentum des Regenten und seiner Familie, doch wird ihr Ertrag nach Abzug der Zivilliste für Staatszwecke verwendet. Die großherzoglich hessische Verfassungsurkunde vom 17. Dez. 1820 gibt ein Drittel der Domänen an den Staat, den Rest als Familieneigentum an das großherzogliche Haus. In Weimar sind die Domänen 1848 mit dem landschaftlichen Vermögen vereinigt, 1854 aber wieder zu großherzoglichem Stammvermögen erklärt worden, dessen Einkünfte jedoch nach Abzug der Zivilliste in die Staatskasse fließen. In Sachsen-Altenburg hat 1874 eine definitive Teilung stattgefunden, wonach dem Lande 1/3, dem Hause 2/3 zugefallen sind. In Sachsen-Koburg ist durch Übereinkunft zwischen Regierung und Ständen der Ertrag (nicht das Eigentum, das dem herzoglichen Hause zusteht) der Kammergüter zwischen dem Herzog und dem Land geteilt worden. In Gotha erhält der Fürst aus dem Ertrag der Domänen im voraus 130,000 Tlr., der Rest wird zwischen ihm und der Staatskasse geteilt. In Sachsen-Meiningen ist nach langem Streite durch Gesetz vom 20. Juli 1871 das Domänenvermögen teils zum Unterhalte des herzoglichen Hofes, teils zur Deckung der Staatsbedürfnisse bestimmt worden; für den Fall, daß die regierende Familie aufhören sollte, die Regierung des Herzogtums fortzuführen, sollen 3/5 des Domänenvermögens dem herzoglichen Hause als fideikommissarisches Privateigentum und 2/5 dem Staat als Landeseigentum zufallen. In Mecklenburg ist noch das ganze nicht ritterschaftliche, klösterliche oder städtische Gebiet einschließlich der meist in Erbpacht gegebenen Domänendörfer Eigentum des Landesherrn. In England, Dänemark, Schweden wurden die Domänen schon frühzeitig als Staatsgut anerkannt, ebenso in Frankreich, in den Niederlanden, in Österreich (vgl. Allgem. bürgerl. Gesetzbuch, Art. 287) etc.

Die Frage der Zweckmäßigkeit des Domanialbesitzes ist je nach der Art der Domänen, den Bedürfnissen und Anforderungen der jeweiligen Kulturstufen, der Organisation und Verfassung des Staates verschieden zu beantworten. Bei den Forsten geht die Meinung allgemein dahin, daß sie sich wegen ihrer besondern Natur nicht nur für den Staatsbesitz, sondern auch für die Eigenbewirtschaftung durch staatliche Beamte vollständig eignen. Bei den Domänen im engern Sinn, den Feldgütern des Staates, hat die Auffassung geschwankt. Die ältere Politik und Nationalökonomie hat sich zumeist für Veräußerung der Domänen ausgesprochen. Man nahm an, daß durch die schwerfällige Beamtenwirtschaft die Domänen nicht so vorteilhaft ausgebeutet werden könnten wie durch die Privatwirtschaft. Es erschien bedenklich, einen großen Güterkomplex der freien Teil- und Veräußerbarkeit zu entziehen etc. Die Regierung, sagte man, könne, gestützt auf die aus den Domänen erzielten Einnahmen, das Steuerbewilligungsrecht illusorisch machen; auch seien beim Domänenbesitz Kollisionen der Pflichten, die der Staat zu erfüllen habe, unvermeidlich. In der Tat sind noch im 19. Jahrh. zum Zweck der Entlastung von Schulden, zur Hebung der Industrie oder bessern Bewirtschaftung des Grund und Bodens, namentlich in Österreich, viele Domänen[96] in Privateigentum verwandelt worden. Heute ist man wieder andern Ansichten zugeneigt. Man betont, daß der Ertrag der Domänen immerhin eine Erleichterung der Steuerzahler gewähre, daß ihre Beibehaltung dem Staat Anteil am spätern Steigen der Grundrente in Aussicht stelle. Das Produktionsinteresse kann durch Verpachtung der Domänen an tüchtige Pächter, die erfahrungsgemäß nicht schlechter wirtschaften als die Eigentümer, genügend gewahrt werden. Die Selbstverwaltung durch Beamte, die früher vielfach üblich und bei extensiver Wirtschaft auch rationell war, kann allerdings unter den heutigen Verhältnissen nicht mehr empfohlen werden, es sei denn, daß man mit den Domänen besondere Staatszwecke (Betrieb von Mustergütern etc.) verbinde. Wird so in der Gegenwart die Veräußerung der Domänen im allgemeinen nicht empfohlen, so kann doch ihre Zerschlagung als sozialpolitische Maßregel in solchen Gegenden und Zeiten in Frage kommen, wo es sich darum handelt, die Ansässigmachung ländlicher Arbeiter oder kleiner und mittlerer Bauern durch Schaffung von Erbpachts-, Rentengütern u. dgl. zu ermöglichen. Im übrigen ist die Veräußerung der Domänen meist an die Genehmigung der Landesvertretung geknüpft; selbst in Staaten, wo die Domänen als Familienfideikommiß behandelt werden, haben die Stände das Recht, Veräußerungen oder Verpfändungen derselben entgegenzutreten. Im allgemeinen werden sie in den Verfassungen als unveräußerlich bezeichnet, bez. nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen. Was den derzeitigen Besitz der Staaten an Feldgütern anlangt, so hat Preußen 336,542 Hektar mit einem Reinertrag von 13,4 Mill. Mk., Württemberg 10,264 Hektar mit 508,988 Mk. Reinertrag; Sachsen ca. 4000 Hektar mit 477,650 Mk. Reinertrag, Bayerns Domänenbesitz ist ohne finanzielle Bedeutung. Die größte Ausdehnung hat der Domanialbesitz an Feldgütern in Mecklenburg mit 559,261 Hektar. Großen Domanialbesitz haben unter den außerdeutschen Staaten nur Rußland, Österreich und Schweden. Über den Besitzstand der Staaten an Forsten s. die betreffenden Länderartikel. Vgl. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 2 (3. Aufl., Götting. 1867); G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (ö. Aufl., Leipz. 1899); Ölrichs, Die Domänenverwaltung des preußischen Staates (3. Aufl., Bresl. 1900); Rimpler, Domänenpolitik u. Grundeigentumsverteilung vornehmlich in Preußen (Leipz. 1888); Artikel »Domänen« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 95-97.
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