Goltz [1]

[117] Goltz, von der, ein in Preußen weitverbreitetes, mit einem Zweig auch in den Niederlanden ansässiges, teils gräfliches, teils freiherrliches Geschlecht, aus dem viele hervorragende Mitglieder der preußischen Militär- und Zivilverwaltung, allein 22 Generale, hervorgingen. Seit 1889 heißt das 7. pommersche Infanterieregiment Nr. 54 Infanterieregiment v. d. G. Vgl. Friedr. Freih. v. d. Goltz, Nachrichten über die Familie der Grafen und Freiherren v. d. G. (Straßb. 1886). Die namhaftesten Glieder der Familie sind:

1) August Friedrich Ferdinand, Graf von der, preuß. Staatsmann, geb. 20. Juli 1765 in Dresden, gest. 17. Jan. 1832, studierte die Rechte, trat 1787 in den preußischen Staatsdienst und bekleidete nacheinander die Gesandtschaftsposten in Polen, Dänemark, Schweden und Rußland. 1807 folgte er dem Zaren in das Hauptquartier nach Ostpreußen und übernahm, als Napoleon bei den Friedensunterhandlungen zu Tilsit die Zuziehung Hardenbergs verweigerte, das Auswärtige, worauf er gemeinschaftlich mit dem Grafen v. Kalckreuth den Frieden abschloß. Dem Kongreß von Erfurt 1808 wohnte er als preußischer Bevollmächtigter bei, behauptete sich mich unter Hardenberg auf seinem Posten und schloß 1812 die Verträge mit Frankreich. Beim Beginn des Befreiungskriegs blieb er als Präsident der Regierungskommission in Berlin, ward nach dem ersten Pariser Frieden Oberhofmarschall, 1816 Gesandter am Bundestag und 1817 Staatsrat. 1824 vom Bundestag abberufen, trat er wieder als Oberhofmarschall ein.

2) Karl Friedrich, Graf von der, preuß. General, geb. 12. April 1815 in Stuttgart, gest. 21. Febr. 1901 in Nizza, Sohn des spätern preußischen Gesandten in Paris, Grafen Karl Heinrich Friedrich v. d. G. (gest. 1827), trat 1832 ins Heer, machte 1844–45 im Gefolge des Marschalls Bugeaud den Krieg in Algerien mit, wurde 1845 Hofkavalier der Prinzessin Albrecht, 1848 Adjutant des Prinzen von Preußen (spätern Kaisers Wilhelm I.), begleitete diesen 1849 auf dem badischen Feldzug, ward 1859 Oberstleutnant und Kommandeur des 7. Königshusaren-Regiments, 1861 Flügeladjutant des Königs und 1864 Kommandeur der 14. Kavalleriebrigade, die er 1866 als General befehligte. 1868 erhielt er den Befehl über die Gardekavalleriedivision, die er 1870 in den Schlachten bei St.-Privat und Sedan und während der Belagerung von Paris kommandierte. Seit 1870 Generalleutnant und Generaladjutant, ward er 1873 Chef des reitenden Feldjägerkorps und 1875 General der Kavallerie; auch war er kommissarischer Generalgestütsdirektor im Ministerium für Landwirtschaft.

3) Robert Heinrich Ludwig, Graf von der, geb. 6. Juni 1817 in Paris, gest. 24. Juni 1869 in Charlottenburg, Bruder des vorigen, studierte die Rechte, trat in den Staatsverwaltungsdienst, nahm an der Bewegung von 1848 teil und schrieb eine Broschüre: »Über die Reorganisation des Deutschen Bundes«, schloß sich während der Reaktionszeit der gemäßigtliberalen Partei an, übernahm jedoch 1854 die Stelle als Ministerresident in Athen, wurde 1857 Gesandter am griechischen Hof, 1859 am türkischen, 1862 als Bismarcks Nachfolger in Petersburg, 1863 in Paris, wo er bis zu seinem Tod erst Botschafter Preußens, dann seit Januar 1868 des Norddeutschen Bundes war. Er war am Hofe Napoleons sehr beliebt, und dessen preußenfreundliche Haltung war nicht am wenigsten G.' Verdienst.

4) Hermann, Freiherr von der, protest. Theolog, geb. 17. Mai 1835 in Düsseldorf, wurde 1861 preußischer Gesandtschaftsprediger in Rom, 1865 außerordentlicher, 1870 ordentlicher Professor der Theologie in Basel, 1873 in Bonn, 1876 ordentlicher Honorarprofessor, Oberkonsistorialrat, ordentliches Mitglied des evangelischen Oberkirchenrats und Propst zu St. Petri in Berlin. 1892 wurde er zum geistlichen Vizepräsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats ernannt. Unter seinen Schriften und Vorträgen sind hervorzuheben: »Die reformierte Kirche Genfs im 19. Jahrhundert« (Genf 1861); »Gottes Offenbarung durch die heilige Geschichte« (Bas. 1868); »Über sittliche Wertschätzung politischer Charaktere« (Gotha 1872); »Die christlichen Grundwahrheiten« (das. 1873); »Die Grenzen der Lehrfreiheit« (Bonn 1873).

5) Theodor, Freiherr von der, Landwirt, geb. 10. Juli 1836 in Koblenz, studierte seit 1853 in Erlangen und Bonn Rechts- und Staatswissenschaften, erlernte dann die Landwirtschaft, studierte seit 1858 in Poppelsdorf und wurde 1860 Lehrer an der Ackerbauschule Biesenrodt. In Westfalen errichtete er auch die ersten landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen. 1862 ging er als Domänenadministrator und Lehrer[117] der Landwirtschaft an der königlichen Akademie nach Waldau und errichtete auch hier die ersten landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen, deren Oberaufsicht für die Provinz Preußen ihm übertragen wurde. 1869 siedelte er als Professor der Landwirtschaft nach Königsberg über und wurde 1875 Direktor des dortigen landwirtschaftlichen Instituts. 1885 wurde er Professor der Landwirtschaft und Direktor der landwirtschaftlichen Lehranstalt in Jena und ist seit 1896 Professor in Bonn und Direktor der landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf. Er schrieb: »Beitrag zur Geschichte der Entwickelung ländlicher Arbeiterverhältnisse im nordöstlichen Deutschland« (Berl. 1863); »Ländliche Arbeiterwohnungen« (mit Kinzel, Königsb. 1865); »Die landwirtschaftliche Buchführung« (Berl. 1866, 9. Aufl. 1903); »Die heutigen Aufgaben des landwirtschaftlichen Gewerbes und seiner Wissenschaft« (Danz. 1870); »Die ländliche Arbeiterfrage und ihre Lösung« (2. Aufl., das. 1874); »Die soziale Bedeutung des Gesindewesens« (das. 1873); »Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich« (mit Richter und v. Langsdorff, Berl. 1875); »Die soziale Frage im Lichte des evangelischen Christentums« (mit Beyschlag, Halle 1878); »Landwirtschaftliche Taxationslehre« (Berl. 1880–82, 2 Bde.; 3. Aufl. 1903); »Handbuch der landwirtschaftlichen Betriebslehre« (2. Aufl., das. 1896), daneben den »Leitfaden« (2. Aufl., das. 1903); »Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat« (Jena 1893); »Die agrarischen Aufgaben der Gegenwart« (2. Aufl., das. 1895); »Vorlesungen über Agrarwesen und Agrarpolitik« (das. 1899); »Geschichte der deutschen Landwirtschaft« (Stuttg. 1902–03, 2 Bde.). Mit andern gab er das »Handbuch der gesamten Landwirtschaft« (Tübing. 1889–90, 3 Bde.) heraus.

6) Max, Freiherr von der, deutscher Admiral, geb. 19. April 1838, trat 1853 als Kadett in die Marine ein, wurde 1861 Leutnant zur See und befand sich 1862–65 auf der Gazelle in Ostasien. Seit 1870 Korvettenkapitän, war er mehrere Jahre im Marineministerium und als Dezernent in der neugebildeten Admiralität tätig, befehligte 1874–76 die Augusta auf einer Reise nach Südamerika und, seit 1875 Kapitän zur See, 1876–77 das Panzerschiff Kaiser auf den Übungsreisen im Geschwaderverband. 1878–81 war er Oberwerstdirektor in Kiel, 1882–1883 Kommodore über das Übungsgeschwader im Mittelmeer, 1883 Befehlshaber des Geschwaders in Ostasien und bis 1888 Direktor des Marinedepartements in der Admiralität, wurde 1888 als Vizeadmiral Stationschef der Nordsee in Wilhelmshaven, 24. Jan. 1889 kommandierender Admiral der deutschen Reichsmarine u. nahm im Mai 1895 seine Entlassung.

7) Colmar, Freiherr von der, preuß. General, geb. 12. Aug. 1843 in Bielkenfeld bei Labiau in Ostpreußen, trat 1861 ins Heer, besuchte 1864–67 die Kriegsakademie und machte 1866 beim 41. Regiment den Feldzug in Böhmen mit, wo er 27. Juni bei Trautenau verwundet wurde. 1868 in das topographische Bureau des Generalstabs berufen, war er im französischen Krieg 1870/71 Generalstabsoffizier beim Oberkommando der zweiten Armee, ward 1871 Lehrer an der Kriegsschule in Potsdam, im Oktober 1871 wieder als Hauptmann in den Großen Generalstab berufen und in der historischen Abteilung beschäftigt. 1874 ward er zum Generalstab der 6. Division und 1877 in das 96. Regiment versetzt, weil er sich in seinem Buch über Gambetta für zweijährige Dienstzeit ausgesprochen, kehrte 1878 wieder zur kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabs zurück und wurde Major. Er lehrte auch Kriegsgeschichte an der Kriegsakademie. 1883 trat er in türkische Dienste über und erhielt als Adjutant des Sultans und Pascha die Leitung des gesamten Militärbildungswesens. Ende 1895 als Marschall (Muschir) aus dem türkischen Dienste geschieden, ward er Divisionskommandeur in Frankfurt a. O., im Mai 1898 als Generalleutnant Generalinspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen, 1900 General der Infanterie und 1902 kommandierender General des 1. Armeekorps in Königsberg. 1903 ernannte ihn die philosophische Fakultät der Universität Königsberg zum Ehrendoktor. Er schrieb: »Die Operationen der zweiten Armee bis zur Kapitulation von Metz« (Berl. 1874); »Die sieben Tage von Le Mans« (das. 1874); »Die Operationen der zweiten Armee an der Loire« (das. 1875); »Léon Gambetta und seine Armee« (das. 1877, auch ins Französische übersetzt), ein vortrefflich geschriebenes Werk, in dem er jedoch dem Diktator etwas zu begeistertes Lob spendete; »Das Volk in Waffen« (das. 1883,5. Aufl. 1899); »Roßbach und Jena« (das. 1883); »Ein Ausflug nach Makedonien« (das. 1894); »Kriegführung, kurze Lehre ihrer wichtigsten Grundsätze und Formen« (das. 1895; 2. Aufl. u. d, T.: »Krieg- und Heerführung«, 1901); »Anatolische Ausflüge« (das. 1896); »Der thessalische Krieg und die türkische Armee« (das. 1898) u.a. Auch veröffentlichte er eine »Karte der Umgegend von Konstantinopel«, 1:100,000 (Berl. 1897, mit Text).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 117-118.
Lizenz:
Faksimiles:
117 | 118
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon