Landwirtschaftliche Unternehmungsformen

[152] Landwirtschaftliche Unternehmungsformen (landwirtschaftliche Betriebsleitung). Die Landwirtschafts-Unternehmung ist die richtige und zeitgemäße Vereinigung und Verwendung der »landwirtschaftlichen Betriebserfordernisse« (s. d.): Boden, Kapital und Arbeit zum Zweck der Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten auf Rechnung und Gefahr einer Persönlichkeit (Unternehmer), an die sich die rechnungsmäßige Nachweisung und Kontrolle der Wirtschaftsführung (s. Buchhaltung, S. 540) schließt. Je nachdem der Unternehmer eine einzelne Person oder eine Mehrzahl von Personen ist, ist die Unternehmung eine Einzelunternehmung oder eine gesellschaftliche. Jene ist die Regel, diese die seltene Ausnahme. Die Bewirtschaftung des Grund und Bodens als Einzelunternehmung kann entweder von dem Besitzer selbst (Selbstverwaltung, Selbstbewirtschaftung) oder von dessen Stellvertreter (Administration, Verwaltung, Bewirtschaftung mit Beamten) oder von einem Dritten (Verpachtung) durchgeführt werden. Eine Übergangsform dieser beiden landwirtschaftlichen Unternehmungsformen ist die »Anteil- und Gewährverwaltung« (s. d.). Zu diesen landwirtschaftlichen Unternehmungsformen kommt in neuester Zeit in Preußen und in Vorbereitung in Österreich, und zwar dort als besondere Eigentumsform und hier als Übergangsform von Selbstverwaltung zur Pachtung, das Rentengut (s. d.).

Bei der Selbstverwaltung ist der Eigentümer des durch Kauf und Erbschaft erlangten Grund und Bodens der Unternehmer und zugleich der persönliche Leiter der Unternehmung. Diese Form ist vom privatwirtschaftlichen wie volkswirtschaftlichen Standpunkt aus die beste, vorausgesetzt, daß sie nach Lage der Verhältnisse überhaupt durchführbar ist. Der Eigentümer des Unternehmens trägt Gewinn und Verlust allein. Diese Form begünstigt daher den Arbeitsfleiß des Unternehmers, die Wirtschaftlichkeit des Betriebs, weil jede Steigerung des Reinertrags dem Leiter zugute kommt. Der Eigentümer ist in seinen Entscheidungen unabhängig von dritten Personen, er kann in jedem Fall diejenigen Maßregeln ergreifen, die nicht bloß für die vorübergehende, sondern auch für die dauernde Steigerung der Erträge die zweckmäßigsten sind. Leicht ausführbar sind insbes. Kapitalanlagen (auch mit Hilfe des Realkredits) zur Verbesserung des Gutes, namentlich auch solche, die erst im Laufe der Jahre sich bezahlt machen, und deren zeitlicher Erfolg im voraus nicht sicher berechnet werden kann. Geringer ist die Gefahr des Raubbaues, weil der Leiter das Interesse hat, daß das Gut nicht verschlechtert wird. Der selbst wirtschaftende Eigentümer hat, was bei Administratoren und Pächtern nicht der Fall ist, ein unmittelbar persönliches Interesse daran, daß das Gut einen Stamm zuverlässiger, gut gestellter, dauernd zufriedener und seßhafter Arbeiter erhält und bewahrt. Endlich kommt noch ein allgemeiner sozialer und politischer Vorteil in Betracht. Bei Landwirten, die durch Grundbesitz dauernd an den Bezirk gefesselt sind, verwächst ihr eignes Interesse mehr mit den allgemeinen Interessen des Bezirks, sie haben ein viel größeres persönliches Interesse (als Administratoren und Pächter), sich dieser anzunehmen, und werden in einer erfolgreichen Wirksamkeit für dieselben durch die engern persönlichen Beziehungen, die zwischen ihnen und der übrigen Bevölkerung entstehen, begünstigt. – Für die Land- und Volkswirtschaft ist es deshalb am besten, wenn die Selbstverwaltung nicht bloß bei dem kleinen und mittelgroßen Grundbesitz, sondern auch auf großen Gütern (hier unter Mithilfe von angestellten Beamten) die Regel bildet.

Die Selbstverwaltung ist aber nicht in allen Fällen möglich oder zweckmäßig. Es gibt viele Gutsbesitzer, namentlich größere, die gar nicht selber ihr Gut verwalten können, z. B. der Staat und andre juristische Personen, Unmündige oder sonst unter Kuratel gestellte Personen, ferner solche, die durch andre Berufspflichten verhindert sind, dauernd auf ihrem Gut zu wohnen (z. B. Fürsten, Beamte), oder die weder Fähigkeit noch Neigung für den landwirtschaftlichen Betrieb haben etc.; hier liegt es im Interesse der landwirtschaftlichen Produktion wie der Besitzer selbst, daß solche Güter verpachtet oder administriert werden. Dasselbe ist geboten, wenn jemand einen großen, in verschiedene einzelne Wirtschaften zerfallenden Gutskomplex hat, dessen räumliche Ausdehnung und Zerstreutheit die Selbstverwaltung unmöglich macht.

Bei der Administration ist der Eigentümer des Gutes auch noch Unternehmer, auf seine Rechnung und Gefahr wird das Gut bewirtschaftet, aber die Leitung und Beaufsichtigung des Wirtschaftsbetriebs ist einem besoldeten Beamten (Administrator, Direktor) übertragen. Dieser verrichtet die eigentliche Unternehmerarbeit. Der Eigentümer stellt ihm das Gut mit Anlage- und Betriebskapital, allenfalls auch seinen Kredit zur Verfügung. Soweit tunlich, werden die allgemeinen Prinzipien der Bewirtschaftung festgestellt, aber im übrigen handelt der Administrator selbständig. Die Administration, die nur für größere Güter in Frage kommen kann, hat den Vorteil, daß für die Leitung eine intelligente, tüchtige Kraft gewonnen werden kann, die unter Umständen für den Eigentümer einen höhern Reinertrag erzielt, als derselbe durch Verpachtung oder Selbstverwaltung erzielen könnte. Aber sie hat anderseits den Nachteil, daß das Interesse des Leiters nicht identisch mit dem Interesse der Unternehmung ist, daß insbes. der Administrator kein persönliches Interesse an der dauernden Rentabilität des Gutes hat (um so weniger, je weniger er darauf rechnen kann, lange in seiner Stellung zu bleiben), und daß eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung, um den Eigentümer vor Schaden zu bewahren, schwer ausführbar ist. Dies letztere trifft insbes. bei Gütern zu, die dem Staat oder andern Korporationen gehören; bei ihnen ist deshalb im allgemeinen die Verpachtung der Administration vorzuziehen. Die Übelstände der Administration schwinden in dem gleichen Grad, als es dem Besitzer gelingt, die Interessen der Gutswirtschaft mit den persönlichen Interessen des Administrators in Übereinstimmung zu bringen. Am besten wird dies erreicht, wenn der Administrator außer seinen festen Bezügen einen Anteil (Tantieme) am Reinertrag erhält und bei der Berechnung des Reinertrags bezüglich der für größere Meliorationen gemachten Aufwendungen nur die Zinsen und eine Amortisationsquote von dem Rohertrag in Abzug gebracht werden. Endlich muß man gute Administratoren materiell so stellen, daß sie lange in ihrer Stellung bleiben.

Die Verpachtung (s. Pacht) ist die Überlassung[152] der Nutzung landwirtschaftlichen Bodens oder eines Landgutes (Pachtobjekt) an einen landwirtschaftlichen Unternehmer im weitern Sinn (Pächter) gegen einen bestimmten Zins (Pachtzins) auf eine gewisse Dauer (Pachtdauer), nach der das Pachtobjekt in unvermindertem Wertzustand an den Eigentümer zurückgegeben werden muß. Die Beziehungen von Verpächter und Pächter werden durch einen Vertrag (Pachtvertrag, Pachtkontrakt) geregelt. Die Verpachtung ganzer Domänen oder Domänengruppen heißt Generalpacht, einzelner Güter oder Meierhöfe Spezial- oder Gutspacht; nach der Pachtdauer sind zu unterscheiden zwischen Zeitpacht, Vitalpacht und Erbpacht. Die Hauptform ist heute die Zeitpacht, bei der die Verpachtung auf eine vertragsmäßig bestimmte Zeit (Reihe von Jahren) erfolgt. Bei der Zeitpacht sind der Besitzer des Grund und Bodens (einschließlich Gebäude) und der Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebskapitals (d.h. des Inventars und des umlaufenden Kapitals) verschiedene Personen; wenigstens sollte dies so sein. Der Pächter muß als unbeschränkter Eigentümer über das gesamte tote und lebende Inventar sowie über die umlaufenden Betriebsmittel verfügen können; die Überlassung eines sogen. eisernen Inventars seitens des Verpächters an den Pächter (d.h. eines dem Pächter für die Dauer der Pachtung mit der Verpflichtung geliehenen Inventars, ein gleich wertiges am Ende der Pachtzeit wieder abzugeben) hindert den Pächter in der Organisation und Führung seiner Wirtschaft und veranlaßt ärgerliche Streitigkeiten am Ende der Pacht. Der Pachtzins ist der Preis für die überlassene Nutzung des Grund und Bodens in seiner tatsächlichen Produktivkraft (einschließlich Bodenmeliorationen) mit den dazugehörigen Gebäuden. Bei richtiger Bemessung umfaßt er den Reinertrag von Grund und Boden einschließlich Gebäude (Boden- und Gebäuderente), und der Pächter bezieht für sich eine Arbeitsrente für seine Arbeitsleistungen sowie eine Kapitalrente von seinem Betriebskapital, allenfalls noch einen Unternehmergewinn. Der tatsächliche Pachtzins kann aber teils höher (häufig bei verpachteten Parzellen, Parzellenpacht), teils niedriger (nicht selten bei größern Gütern) sein. Der Pachtzins ist heute in der Regel, und mit Recht, Geldzins. Wird der Pachtzins als Naturalzins in einer bestimmten Art und Menge von Naturalien festgesetzt, so ist der Pächter gezwungen, seiner Produktion eine bestimmte, vielleicht unzweckmäßige Richtung zu geben, und ist in schädlicher Weise in der Organisation des Wirtschaftsbetriebs beschränkt; und wird der Pachtzins in einer Quote des Rohertrags bestimmt, so wird der Pächter zu extensiverer Bewirtschaftung genötigt. In beiden Fällen wird der Fortschritt der landwirtschaftlichen Produktion und die Erzielung des höchstmöglichen Reinertrags verhindert. Der Naturalzins hat seine Berechtigung nur auf niedrigern Wirtschaftsstufen.

Die Zeitpacht hat eine Reihe von privat-wie volkswirtschaftlichen Vorteilen. Gegenüber der Administration hat sie den Vorzug, daß hier wie bei der Selbstverwaltung der Leiter auch der Unternehmer ist, der Leiter also zu größtem Arbeitsfleiß, zu größter Wirtschaftlichkeit, zur Wahl des vorteilhaftesten Wirtschaftssystems angespornt wird, und bei der Zeitpacht wird sich deshalb unter sonst gleichen Umständen ein größerer Reinertrag ergeben. Durch Verpachtung namentlich größerer Güter werden ferner der landwirtschaftlichen Produktion in dem eignen Kapital der Pächter neue Kapitalien und in den Personen der Pächter intelligente, rührige Kräfte zugeführt. Weil die Existenz des Pächters weniger gesichert ist als die des Gutsbesitzers, werden Pächter im allgemeinen zur bestmöglichen Bewirtschaftung ihrer Pachtgüter gezwungen; die Zeitpacht befördert deshalb ihrer Natur nach den Fortschritt der landwirtschaftlichen Produktion. Dazu schafft sie in den Pächtern größerer Güter eine neue wichtige landwirtschaftliche Mittelklasse. Sie ermöglicht strebsamen Landwirten mit verhältnismäßig geringen Mitteln, landwirtschaftliche Unternehmer, auch größere, zu werden und mit ihrer Arbeit und ihrem Kapital sich ein größeres Einkommen zu verschaffen, als sie durch Kauf und Selbstverwaltung eines Gutes erwerben könnten; anderseits gewährt sie den Eigentümern eine größere Rente, als sie in der Regel bei der Administration, unter Umständen sogar (wenn es ihnen an Geld oder Kenntnissen zur tüchtigen Bewirtschaftung ihres Gutes fehlt) bei der Selbstverwaltung gewinnen könnten. Die Zeitpacht von Parzellen und kleinern Gütern verbessert die Lage von Fabrikarbeitern in ländlichen Distrikten, von landwirtschaftlichen Lohnarbeitern und von Kleinbauern. Aber trotz dieser Vorteile wäre es kein wünschenswerter Zustand, wenn in einem Lande der größte Teil des Areals der Pachtwirtschaft unterläge. Der Pächter hat an Verbesserungen, deren Kosten sich erst nach einer langen Reihe von Jahren bezahlt machen, kein oder wenig Interesse, soz. B. an Neubauten, umfangreichen Ent- und Bewässerungsanlagen, Bewaldung von kahlen, für sonstige Kulturarten ungeeigneten Flächen. Dazu kommt die Gefahr des Raubbaues, an dem der Pächter im Gegensatze zum Eigentümer ein Interesse hat. Ferner hat der Pächter keine besondere Veranlassung, sich um die dauernde Verbesserung der Lage der ländlichen Arbeiter zu kümmern, und endlich würde die Verallgemeinerung der Pachtsysteme die mit der fortschreitenden landwirtschaftlichen Entwickelung notwendige Veränderung in den Besitzverhältnissen durch Zukauf oder Verkauf von Land, durch Teilung von Gütern etc. sehr erschweren. Die Zeitpacht hat daher nur eine bedingte Berechtigung. Um den Interessenwiderspruch zwischen Verpächter und Pächter auszugleichen, müssen die Pachtbedingungen richtig stipuliert werden (s. darüber G. Drechsler, Der landwirtschaftliche Pachtvertrag, Halle 1871, 2 Bde.; A. Blomeyer, Pachtrecht und Pachtverträge, Berl. 1873). Vor allem muß die Dauer der Pachtzeit genügend lang und der Pächter gegen einseitige Aufkündigungen seitens des Verpächters und seines Rechtsnachfolgers gesichert sein, Keine Pachtperiode sollte bei Gütern, wenigstens bei größern, weniger als 15–18 Jahre betragen. Je länger die Pachtzeit, desto mehr sind die Interessen des Pächters und Besitzers identisch, desto höher auch in der Regel der Pachtpreis. Zweckmäßig ist die Bestimmung im Vertrag, daß schon einige Jahre (etwa drei) vor Ablauf der Pachtperiode eine Verständigung darüber herbeigeführt werden muß, ob und unter welchen Bedingungen eine Erneuerung der Pacht stattfinden soll. Wird eine Erneuerung nicht beschlossen, so sollten die Parteien vereinbaren, welche Entschädigungen dem Pächter zu gewähren, wenn er bis zum vollen Ablauf der Pachtzeit Kosten für Betriebsmittel aufwendet, deren Nutzung entweder ganz oder zum Teil dem künftigen Unternehmer zufällt. Besondere Bestimmungen müssen getroffen werden, um den Verpächter gegen eine einseitige Änderung der Nutzungsweise der verpachteten Grundstücke seitens des Pächters sowie gegen eine Verarmung des Bodens[153] an seinen wichtigern Mineralbestandteilen und gegen eine Verschlechterung der physikalischen Bodenbeschaffenheit zu schützen. Im übrigen ist der gute Zustand des Pachtwesens abhängig vo ' genügendem Kapitalbesitz der Pächter, richtiger Höhe des Pachtzinses und persönlichen Eigenschaften der Parteien (Intelligenz, Solidität, Arbeitsfleiß etc. des Pächters, Redlichkeit, Billigkeit, humaner Gesinnung etc. des Verpächters). Wünschenswert ist es, daß Pachtgüter verschiedener Größe zur Verpachtung angeboten und verpachtet werden.

Die Erbpacht, früher üblicher als heute und in den meisten deutschen Staaten durch die Agrargesetzgebung des 19. Jahrh. beseitigt, hat für die Gegenwart neben den vorerwähnten landwirtschaftlichen Unternehmungsformen zwar noch eine Berechtigung, nämlich um bäuerliche Besitzungen zu erhalten, und um bäuerliche Besitzer oder grundbesitzende Arbeiter in Gegenden anzusiedeln, wo dieselben fehlen, aber nicht die Erbpacht als das frühere Rechtsverhältnis, sondern in einer neuen reformierten Gestalt (Näheres s. Erbpacht).

Die Halbpacht (Teilbau, Halbbau, Kolonensystem, franz. Métayage, ital. Mezzeria, Mezzadria), eine Form der Verpachtung landwirtschaftlicher Güter, bei welcher der Verpächter (Padrone, Grundherr, Schutzherr) dem Pächter (Kolone, Mezzadro, Baumann) Boden, Gebäude, Inventar, unter Umständen auch noch weiteres Betriebskapital überläßt, der Pächter das übrige Betriebskapital und die ganze Arbeit stellt und der Pachtzins in einem Viertel bis zur Hälfte des Bruttoertrags (daher auch die Bezeichnung der Pächter als Halbleute und der Halbpacht als Halbteil-, Halbscheid-, Halfen-, Drittelwirtschaft) besteht. Die Halbpacht war schon im Altertum bekannt, sie ist noch heute weit verbreitet, namentlich im Süden Europas (Frankreich, Spanien, Italien), in einem großen Teil von Asien, neuerdings auch in Südamerika (besonders in Brasilien). Wo die Halbpacht besteht, kommt sie wesentlich nur bei kleinen Gütern vor, die Pächter gehören der niedern landwirtschaftlichen Bevölkerung an, haben wenig Vermögen und Bildung; die Verpächter sind Großgrundbesitzer. Die Halbpacht zeigt im einzelnen manche Unterschiede in den verschiedenen Ländern und Gegenden, wo sie vorkommt. Die Halbpacht kann unter Umständen die Vorteile haben, daß Güter, für die es an Zeitpächtern fehlt, und welche die Eigentümer nicht selbst bewirtschaften können oder wollen, höhere Erträge als bei der Administration liefern, und daß Personen, die sonst Lohnarbeiter sein müßten, selbständige Unternehmer sind. Ferner ist auch, wie die Halbpachtsverhältnisse z. B. in Toskana zeigen, bei der Halbpacht ein hoch entwickelter Landbau und eine intensivere Kultur möglich. Aber in der Regel ergeben sich bei der Halbpacht sehr ungünstige Zustände: geringe Reinerträge, extensive Wirtschaft, keine Fortschritte in der Produktion, eine klägliche Lage der Pächter, insbes. in Mißjahren oder geringen Erntejahren. Und das liegt in der Natur der Halbpacht. Der Hauptübelstand derselben ist die den Leistungen der Kontrahenten nicht entsprechende Teilung des Rohertrags. Diese bewirkt, da jeder höhere Ertrag, der durch verstärkte Leistungen des einen Kontrahenten erzielt wird, mit dem andern zur Hälfte zu teilen ist, daß beide Kontrahenten die Steigerung der Kapital- und Arbeitsleistungen unterlassen. Auf niedern Wirtschaftsstufen machen sich diese Nachteile der Halbpacht weniger geltend, auf höhern erscheint die Halbpacht wegen derselben im allgemeinen als eine irrationelle Unternehmungsform und verliert auch tatsächlich mehr und mehr an Terrain. Vgl. Bertagnolli, La colonia parziaria (Rom 1877); Mayet, Landwirtschaftliche Versicherung in Verbindung mit Sparanstalten, Bodenkredit und Schuldenablösung in Japan (Tokio u. Berl. 1888); Zobkow, Die Teilpacht nach römischem und österreichischem Recht (Berl. 1894).

Die Stückpacht oder die entgeltliche Überlassung der Erträge einzelner Besitzbestandteile an andre kommt bei solchen Besitzbestandteilen vor, deren Nutzungen sich schwer überwachen lassen, z. B. bei der keinesfalls empfehlenswerten Verpachtung des Milchertrags der Kühe (Laktizinpacht), des Ertrags der Kartoffelfelder bei Waldrodungen, des Ertrags der Obstbäume an Straßen und Wegen etc.

Die gesellschaftlichen Unternehmungsformen der offenen Gesellschaft (Kommanditgesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Aktiengesellschaft) sind im allgemeinen keine passenden landwirtschaftlichen Unternehmungsformen und kommen tatsächlich auch nur ganz vereinzelt vor (s. die betreffenden Artikel). Dasselbe gilt auch von der Produktivgenossenschaft im engern Sinn, d.h. der Vereinigung einer größern Zahl von Landwirten zum Betrieb einer Gutswirtschaft (in der Form der Selbstverwaltung oder der Zeitpacht) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr, so daß alle in der Gutswirtschaft tätigen Personen Mitunternehmer sind. Man hat früher, auch von nichtsozialistischer Seite, die Bedeutung dieser landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft verkannt. Man sah in ihr das Mittel, die kleinen und mittlern Besitzer vor dem, wie man meinte, bei freier Konkurrenz mit dem Großbetrieb ihnen drohenden Untergang zu schützen. Diese Ansicht beruhte auf einer Verkennung der Konkurrenzfähigkeit des Kleinbetriebs gegenüber dem Großbetrieb und auf einer Unterschätzung der Schwierigkeiten, die sich der Durchführung einer solchen Produktivgenossenschaft entgegenstellen. Diese sind in landwirtschaftlichen Unternehmungen durch die Natur des landwirtschaftlichen Betriebs und der landwirtschaftlichen Bevölkerung noch erheblich größer als in gewerblichen Unternehmungen, und wenn auch, wie Erfahrungen gezeigt haben, die erfolgreiche Durchführung der landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft nicht unmöglich ist, werden doch die Verhältnisse, unter denen sie gedeihen können, für jetzt wie für eine absehbare Zukunft immer nur ganz ausnahmsweise vorhanden sein. Heute sind es nur noch die Sozialisten, welche die Produktivgenossenschaft im engern Sinn auch für die Landwirtschaft verteidigen. Zu unterscheiden davon sind die gleichfalls als Produktivgenossenschaften bezeichneten Vereinigungen von Landwirten, die, ohne ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufzugeben, nur gemeinsame Verarbeitung und Verwertung ihrer Rohstoffe bezwecken (s. Genossenschaften, S. 574, und Landwirtschaftliche Genossenschaften). Vgl. Literatur beim Artikel »Landwirtschaftliche Betriebslehre«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 152-154.
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